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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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uiß der diplomatischen Verhandlung nicht; was sich aus der Zusammenkunft des
Reichsverwesers mit dem Prinzen von Preußen zu Frankfurt (3. September), des
Kaisers von Oestreich mit dem König von Preußen zu Töplitz (7. September) etwa
ergeben mag, muß die Zukunft lehren. So viel ist factisch, daß Erzherzog Albrecht
bereits als Gouverneur der Bundesfestung Mainz installirt ist, und es ist ziemlich
gewiß, daß wenigstens in Süddeutschland der östreichische Einfluß den Preußischen
verdrängen wird.




Schlesische Zustande im Jahr R8Ä8.



Woher kommt es doch, daß der Bauer von Alters her immer hinter dem
Bürger geht? -- Gewerbetreibende sind doch beide, nur daß man den Bauer
gewöhnlich noch die menschenfreundliche Bestimmung vindizirt, die andern Ge¬
werbetreibenden, die oft so vornehm gegen sie thun, satt zu füttern. Und den¬
noch ist man ziemlich allgemein damit einverstanden, daß an die Landschule ge-
ringere Anforderungen zu machen sein, als an die Elementarschule des kleinsten
Städtchens, mau schreibt dem Bauer alle Tölpelei zu u. s. w., der Handwerks¬
mann ist gesitteter, wird besser unterrichtet, -ist besser gekleidet, wird überall auch
ohne Armeebefehl mit "Sie" angeredet, und sWt mit einem Worte aus der durch
Gewohnheit geheiligten Stufenleiter gesellschaftlichen Ranges, die keine Verfassungs-
urkunde umzustoßen vermag, höher als der Bauer. Ist denn aber mehr Intelli¬
genz, mehr Kapital, mehr Arbeit erforderlich, um Schuhe zu machen oder Röcke,
als um Waizen oder Roggen auf unfruchtbaren Boden zu erbauen, und um die
Hindernisse zu besiegen, welche sich in hundert Gestalten den Bestrebungen des
Landmanns entgegenzustellen, oder die Natur in ihrer Werkstatt zu belauschen,
und unsern Zwecken dienstbar zu machen? Und doch, meine Herren Gewerbsge-
nossen, geht der Bauer bescheiden hinter dem gewerbetreibenden Bürger her, der
Rittergutsbesitzer aber schreitet nicht mehr vor dem Bürger und Bauern. Nach¬
dem das recht fatale Gesetz vom 5. Decbr. 48 den Standesunterschieden, und
dem bevorrechteten Grundbesitz den Krieg erklärt hat, da ist es mit dem Erb-,
Lehrs- und Gerichtsherrn von, ans und zu Eiselendors, der freilich wieder vor
dem Bürger einherging, nichts mehr, sondern er wandelt nun mit seinen Bäuer-
lein und mit Gevatter Schneider und Handschuhmacher Arm in Arm auf der ge¬
werblichen Lebensbühne, sich gegenseitig die Cigarre zum Anbrennen reichend,
wenn dem einen oder dem andern das Feuer ausgegangen. Lesen Sie die Arti¬
kel 4, 88, 4N, der Berfassungsurkunde vom 5. Decbr. 48. -- Doch nein, wir


uiß der diplomatischen Verhandlung nicht; was sich aus der Zusammenkunft des
Reichsverwesers mit dem Prinzen von Preußen zu Frankfurt (3. September), des
Kaisers von Oestreich mit dem König von Preußen zu Töplitz (7. September) etwa
ergeben mag, muß die Zukunft lehren. So viel ist factisch, daß Erzherzog Albrecht
bereits als Gouverneur der Bundesfestung Mainz installirt ist, und es ist ziemlich
gewiß, daß wenigstens in Süddeutschland der östreichische Einfluß den Preußischen
verdrängen wird.




Schlesische Zustande im Jahr R8Ä8.



Woher kommt es doch, daß der Bauer von Alters her immer hinter dem
Bürger geht? — Gewerbetreibende sind doch beide, nur daß man den Bauer
gewöhnlich noch die menschenfreundliche Bestimmung vindizirt, die andern Ge¬
werbetreibenden, die oft so vornehm gegen sie thun, satt zu füttern. Und den¬
noch ist man ziemlich allgemein damit einverstanden, daß an die Landschule ge-
ringere Anforderungen zu machen sein, als an die Elementarschule des kleinsten
Städtchens, mau schreibt dem Bauer alle Tölpelei zu u. s. w., der Handwerks¬
mann ist gesitteter, wird besser unterrichtet, -ist besser gekleidet, wird überall auch
ohne Armeebefehl mit „Sie" angeredet, und sWt mit einem Worte aus der durch
Gewohnheit geheiligten Stufenleiter gesellschaftlichen Ranges, die keine Verfassungs-
urkunde umzustoßen vermag, höher als der Bauer. Ist denn aber mehr Intelli¬
genz, mehr Kapital, mehr Arbeit erforderlich, um Schuhe zu machen oder Röcke,
als um Waizen oder Roggen auf unfruchtbaren Boden zu erbauen, und um die
Hindernisse zu besiegen, welche sich in hundert Gestalten den Bestrebungen des
Landmanns entgegenzustellen, oder die Natur in ihrer Werkstatt zu belauschen,
und unsern Zwecken dienstbar zu machen? Und doch, meine Herren Gewerbsge-
nossen, geht der Bauer bescheiden hinter dem gewerbetreibenden Bürger her, der
Rittergutsbesitzer aber schreitet nicht mehr vor dem Bürger und Bauern. Nach¬
dem das recht fatale Gesetz vom 5. Decbr. 48 den Standesunterschieden, und
dem bevorrechteten Grundbesitz den Krieg erklärt hat, da ist es mit dem Erb-,
Lehrs- und Gerichtsherrn von, ans und zu Eiselendors, der freilich wieder vor
dem Bürger einherging, nichts mehr, sondern er wandelt nun mit seinen Bäuer-
lein und mit Gevatter Schneider und Handschuhmacher Arm in Arm auf der ge¬
werblichen Lebensbühne, sich gegenseitig die Cigarre zum Anbrennen reichend,
wenn dem einen oder dem andern das Feuer ausgegangen. Lesen Sie die Arti¬
kel 4, 88, 4N, der Berfassungsurkunde vom 5. Decbr. 48. — Doch nein, wir


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[0456] uiß der diplomatischen Verhandlung nicht; was sich aus der Zusammenkunft des Reichsverwesers mit dem Prinzen von Preußen zu Frankfurt (3. September), des Kaisers von Oestreich mit dem König von Preußen zu Töplitz (7. September) etwa ergeben mag, muß die Zukunft lehren. So viel ist factisch, daß Erzherzog Albrecht bereits als Gouverneur der Bundesfestung Mainz installirt ist, und es ist ziemlich gewiß, daß wenigstens in Süddeutschland der östreichische Einfluß den Preußischen verdrängen wird. Schlesische Zustande im Jahr R8Ä8. Woher kommt es doch, daß der Bauer von Alters her immer hinter dem Bürger geht? — Gewerbetreibende sind doch beide, nur daß man den Bauer gewöhnlich noch die menschenfreundliche Bestimmung vindizirt, die andern Ge¬ werbetreibenden, die oft so vornehm gegen sie thun, satt zu füttern. Und den¬ noch ist man ziemlich allgemein damit einverstanden, daß an die Landschule ge- ringere Anforderungen zu machen sein, als an die Elementarschule des kleinsten Städtchens, mau schreibt dem Bauer alle Tölpelei zu u. s. w., der Handwerks¬ mann ist gesitteter, wird besser unterrichtet, -ist besser gekleidet, wird überall auch ohne Armeebefehl mit „Sie" angeredet, und sWt mit einem Worte aus der durch Gewohnheit geheiligten Stufenleiter gesellschaftlichen Ranges, die keine Verfassungs- urkunde umzustoßen vermag, höher als der Bauer. Ist denn aber mehr Intelli¬ genz, mehr Kapital, mehr Arbeit erforderlich, um Schuhe zu machen oder Röcke, als um Waizen oder Roggen auf unfruchtbaren Boden zu erbauen, und um die Hindernisse zu besiegen, welche sich in hundert Gestalten den Bestrebungen des Landmanns entgegenzustellen, oder die Natur in ihrer Werkstatt zu belauschen, und unsern Zwecken dienstbar zu machen? Und doch, meine Herren Gewerbsge- nossen, geht der Bauer bescheiden hinter dem gewerbetreibenden Bürger her, der Rittergutsbesitzer aber schreitet nicht mehr vor dem Bürger und Bauern. Nach¬ dem das recht fatale Gesetz vom 5. Decbr. 48 den Standesunterschieden, und dem bevorrechteten Grundbesitz den Krieg erklärt hat, da ist es mit dem Erb-, Lehrs- und Gerichtsherrn von, ans und zu Eiselendors, der freilich wieder vor dem Bürger einherging, nichts mehr, sondern er wandelt nun mit seinen Bäuer- lein und mit Gevatter Schneider und Handschuhmacher Arm in Arm auf der ge¬ werblichen Lebensbühne, sich gegenseitig die Cigarre zum Anbrennen reichend, wenn dem einen oder dem andern das Feuer ausgegangen. Lesen Sie die Arti¬ kel 4, 88, 4N, der Berfassungsurkunde vom 5. Decbr. 48. — Doch nein, wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/456>, abgerufen am 05.02.2025.