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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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wie sie auch ausfallen möge, namentlich für den Fall, daß der Inhaber der
Preußischen Krone als erbliches Oberhaupt an die Spitze Deutsch¬
lands gestellt werde; 6) daß sofort eine Gesandtschaft nach Olmütz oder Wien
gehe, die bundesgenössischen Verhältnisse zu kultiviren. -- Gegen diese Auslegung
des ministeriellen Programms legte Schmerling, der nun (!>. Januar 184") als
östreichischer Bevollmächtigter nach Frankfurt zurückkehrte, Protest ein, nud bildete
die großdentsche Partei, deren Zweck es war, den Bundesstaat überhaupt zu
hintertreiben. Das Wiener Cabinet brachte darauf in einer Note an die könig¬
lichen Regierungen (l7. Jan.) eine Mediatisation der kleinen Staaten zu Gunsten
der Königreiche und die Bildung eines Bundestags ans denselben in Vorschlag.
Als Preußen seinen eigenen Weg verfolgte, eröffnete Schwarzenberg (4. Februar)
dem Ministerium, daß ihm ein Bild der Einheit Deutschlands "vorschwebe," und
malte dasselbe (22. Februar) dahin aus, daß es den gesammten Kaiserstaat um¬
fassen, und kein Volkshaus, sondern nur ein Staatenhaus enthalten solle, wozu
Oestreich die größere Hälfte der Mitglieder zu stellen habe. Die gemeinsame
Regierung solle eine Art Directorium führen. -- Nach der Kaiserwahl berief
Oestreich seine Deputirten aus Frankfurt ab (5. April), forderte aber den Reichs¬
verweser, der nun wieder ganz östreichischer Prinz war, auf, zu bleiben. Ans
die Einladung Preußens zu einem Fürstencougreß brachte Prokesch-Osten eine
Note nach Berlin (8. April), die im Wesentlichen auf die alten Vorschläge zurück¬
ging. Dagegen überbrachte (". Mai) Kanitz die Vorschläge des Berliner Cabinets,
die Oestreich aufforderte, der Bildung eines engeren Bundesstaats unter preußi¬
scher Hegemonie nichts in den Weg zu legen und mit demselben eine Union abzu¬
schließen, welche sogar durch gemeinsame Legationen und Consulate im Auslande
vertreten sein sollte. Schwarzenberg lehnte diese Anträge ab (is. Mai), und for^
derte Preußen aus, statt sich mit der weiteren Constituirung Deutschlands zu be¬
schäftigen, wobei doch nicht viel herauskomme, lieber einen unmittelbaren Bund
gegen die Revolution zu schließen, und die Leitung dieser Operationen, bei denen
das Interesse aller größern Fürsten gleichmäßig betheiligt sei, einem Directorium
zu überlassen. Die Verhandlungen dauerten bis zum 25. Mai, wo Taues ab¬
berufen und dem Wiener Cabinet ziemlich unumwunden erklärt wurde, man bleibe
bei seinen Absichten. Zwei Tage vorher war der Reichsverweser zur Abdankung
aufgefordert worden; einen Tag darauf wurde das Bündniß mit Hunuover und
Sachsen abgeschlossen und dem preußischen Gesandten zu Wien in seinen allgemeinen
Umrissen mitgetheilt (28. Mai). Am 10. Juli erließ nur Schwarzenberg ein Schrei-
ben an Prokesch, das sehr ernst und drohend gegen Preußen gehalten war, und
in welchem die Argumentation Preußens, daß durch Auslösung der Nationalver¬
sammlung der provisorischen Centralgewalt der Rechtsboden entzogen sei, dahin
umgekehrt wurde, daß erst seit dieser Auflösung die Centralgewalt im Stande sei,
rechtlich die Angelegenheiten des Bundes zu leiten. -- Weiter reicht unsere Kennt-


wie sie auch ausfallen möge, namentlich für den Fall, daß der Inhaber der
Preußischen Krone als erbliches Oberhaupt an die Spitze Deutsch¬
lands gestellt werde; 6) daß sofort eine Gesandtschaft nach Olmütz oder Wien
gehe, die bundesgenössischen Verhältnisse zu kultiviren. — Gegen diese Auslegung
des ministeriellen Programms legte Schmerling, der nun (!>. Januar 184») als
östreichischer Bevollmächtigter nach Frankfurt zurückkehrte, Protest ein, nud bildete
die großdentsche Partei, deren Zweck es war, den Bundesstaat überhaupt zu
hintertreiben. Das Wiener Cabinet brachte darauf in einer Note an die könig¬
lichen Regierungen (l7. Jan.) eine Mediatisation der kleinen Staaten zu Gunsten
der Königreiche und die Bildung eines Bundestags ans denselben in Vorschlag.
Als Preußen seinen eigenen Weg verfolgte, eröffnete Schwarzenberg (4. Februar)
dem Ministerium, daß ihm ein Bild der Einheit Deutschlands „vorschwebe," und
malte dasselbe (22. Februar) dahin aus, daß es den gesammten Kaiserstaat um¬
fassen, und kein Volkshaus, sondern nur ein Staatenhaus enthalten solle, wozu
Oestreich die größere Hälfte der Mitglieder zu stellen habe. Die gemeinsame
Regierung solle eine Art Directorium führen. — Nach der Kaiserwahl berief
Oestreich seine Deputirten aus Frankfurt ab (5. April), forderte aber den Reichs¬
verweser, der nun wieder ganz östreichischer Prinz war, auf, zu bleiben. Ans
die Einladung Preußens zu einem Fürstencougreß brachte Prokesch-Osten eine
Note nach Berlin (8. April), die im Wesentlichen auf die alten Vorschläge zurück¬
ging. Dagegen überbrachte (». Mai) Kanitz die Vorschläge des Berliner Cabinets,
die Oestreich aufforderte, der Bildung eines engeren Bundesstaats unter preußi¬
scher Hegemonie nichts in den Weg zu legen und mit demselben eine Union abzu¬
schließen, welche sogar durch gemeinsame Legationen und Consulate im Auslande
vertreten sein sollte. Schwarzenberg lehnte diese Anträge ab (is. Mai), und for^
derte Preußen aus, statt sich mit der weiteren Constituirung Deutschlands zu be¬
schäftigen, wobei doch nicht viel herauskomme, lieber einen unmittelbaren Bund
gegen die Revolution zu schließen, und die Leitung dieser Operationen, bei denen
das Interesse aller größern Fürsten gleichmäßig betheiligt sei, einem Directorium
zu überlassen. Die Verhandlungen dauerten bis zum 25. Mai, wo Taues ab¬
berufen und dem Wiener Cabinet ziemlich unumwunden erklärt wurde, man bleibe
bei seinen Absichten. Zwei Tage vorher war der Reichsverweser zur Abdankung
aufgefordert worden; einen Tag darauf wurde das Bündniß mit Hunuover und
Sachsen abgeschlossen und dem preußischen Gesandten zu Wien in seinen allgemeinen
Umrissen mitgetheilt (28. Mai). Am 10. Juli erließ nur Schwarzenberg ein Schrei-
ben an Prokesch, das sehr ernst und drohend gegen Preußen gehalten war, und
in welchem die Argumentation Preußens, daß durch Auslösung der Nationalver¬
sammlung der provisorischen Centralgewalt der Rechtsboden entzogen sei, dahin
umgekehrt wurde, daß erst seit dieser Auflösung die Centralgewalt im Stande sei,
rechtlich die Angelegenheiten des Bundes zu leiten. — Weiter reicht unsere Kennt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/455>, abgerufen am 05.02.2025.