Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lohnenden Landwirthschaft. Die ganze jüdische Halbinsel besteht ans einem nach
beiden Seiten hin sich in die Ebene abdachenden niedern Höhenrücken, welcher von
der Eider beginnend, sich fast bis an das Skagenshorn erstreckt, und der im Him¬
melberg zwischen Räubers und Alborg mit 1200 Fuß überm Meer seinen höchsten
Punkt erreicht. Das Plateau dieses Höhenzuges ist die sogenannte Alhaide, eine
weite, sandige, durch Hügel coupirte Ebene. Hier wächst meilenweit nur das braune
Haidekraut, und traurig steigen die schwarzen Hütten der zerstreuten Ansiedler, die
sich nur selten zu einem kleinen Dorf versammeln, wie große Ameisenhaufen empor
ans der Haide. Diese wird höchstens hier und da durch ein paar Buchweizenfel¬
der unterbrochen, oder durch niedriges Gebüsch, welches die Sumpflachen um¬
wuchert. Eine traurigere Gegend kaun es kaum geben, wenn die Winterstürme
wehen. Aber einen eigenthümlichen Reiz erhält die Landschaft, wenn das Haide-
kraut blüht uno ein leiser Wind das rothe Blumenmeer in tausend kleinen Wellen
durchfurcht und ein süßer Duft die Lüfte füllt. Welcher reiche Erwerb könnte hier
durch eine geregelte Bienenzucht und Schafhaltung eröffnet werden; wie leicht
wären hier, da insbesondre an Torf ein großer Ueberfluß ist, mancherlei Fabriken
gegründet, abgesehen davon, daß es dem Juden nicht einfällt, durch Plaggen, Bren¬
nen und Wiesenanlegcn die sandige Scholle zu binden und erträglich zu machen!
Hier in Alhaide erheben sich in unzählbarer Menge die Hünengräber, welche dem
Landstrich fast das Ansehen geben, als sei er der ungeheure Begräbnißplatz aller
nordischen Völker gewesen. Oft ist in der Lage derselben eine gewisse Ordnung
unverkennbar, welche einen sehr großen Grabhügel zum Centrum eines Kreises von
vielen kleineren macht, weshalb jener gewöhnlich für die Ruhestätte eines Häupt¬
lings gehalten wird. In der Nähe der Königöan sind mehrere solcher Hünengrä¬
ber geöffnet worden. Ungeheure Quadern, von welchen man heute noch nicht
weiß, wie sie in das steinarme Land gekommen sind, bilden in roher Schichtung
ein enges Kämmerlein, in dem man außer Aschen und Knochen mancherlei sehr
rohe irdene Geräthe und allerlei Waffen und Schmuck fand. Dieser Steinsarg ist
bis auf 15 Fuß Höhe mit Erde überschüttet und ein kreisförmiger Grabhügel dar¬
aus gebildet worden. Die Anzahl dieser Hügel ist so groß, daß man von einem
derselben herab im Umkreis der Blicke manchmal über 500 zählen kann. Das
Landvolk kennt wohl ihre Bedeutung und hat eine abergläubische Scheu vor ihrer
Oeffnung. Daher wird auch ein Hünengrab, und wenn es der Feldbestellung noch
so sehr im Wege liegt, niemals geöffnet.

Die westliche Küste Jütlands besteht großentheils ans einem Boden, welcher
durch Dämme und Kooge dem Meere abgerungen worden ist. Hier haben die
Wellen theils fruchtbare Erde von der Höhe dereinst herabgeschwemmt, theils später
im Meerschlamm angespült und somit erhält das Land den Charakter der Marsch¬
gegenden. Schifffahrt und Fischfang sind hier minder bedeutend, als Ackerbau und
hauptsächlich Weideviehzucht, weil beide ersteren nnr in ganz kleinen Fahrzeugen,


lohnenden Landwirthschaft. Die ganze jüdische Halbinsel besteht ans einem nach
beiden Seiten hin sich in die Ebene abdachenden niedern Höhenrücken, welcher von
der Eider beginnend, sich fast bis an das Skagenshorn erstreckt, und der im Him¬
melberg zwischen Räubers und Alborg mit 1200 Fuß überm Meer seinen höchsten
Punkt erreicht. Das Plateau dieses Höhenzuges ist die sogenannte Alhaide, eine
weite, sandige, durch Hügel coupirte Ebene. Hier wächst meilenweit nur das braune
Haidekraut, und traurig steigen die schwarzen Hütten der zerstreuten Ansiedler, die
sich nur selten zu einem kleinen Dorf versammeln, wie große Ameisenhaufen empor
ans der Haide. Diese wird höchstens hier und da durch ein paar Buchweizenfel¬
der unterbrochen, oder durch niedriges Gebüsch, welches die Sumpflachen um¬
wuchert. Eine traurigere Gegend kaun es kaum geben, wenn die Winterstürme
wehen. Aber einen eigenthümlichen Reiz erhält die Landschaft, wenn das Haide-
kraut blüht uno ein leiser Wind das rothe Blumenmeer in tausend kleinen Wellen
durchfurcht und ein süßer Duft die Lüfte füllt. Welcher reiche Erwerb könnte hier
durch eine geregelte Bienenzucht und Schafhaltung eröffnet werden; wie leicht
wären hier, da insbesondre an Torf ein großer Ueberfluß ist, mancherlei Fabriken
gegründet, abgesehen davon, daß es dem Juden nicht einfällt, durch Plaggen, Bren¬
nen und Wiesenanlegcn die sandige Scholle zu binden und erträglich zu machen!
Hier in Alhaide erheben sich in unzählbarer Menge die Hünengräber, welche dem
Landstrich fast das Ansehen geben, als sei er der ungeheure Begräbnißplatz aller
nordischen Völker gewesen. Oft ist in der Lage derselben eine gewisse Ordnung
unverkennbar, welche einen sehr großen Grabhügel zum Centrum eines Kreises von
vielen kleineren macht, weshalb jener gewöhnlich für die Ruhestätte eines Häupt¬
lings gehalten wird. In der Nähe der Königöan sind mehrere solcher Hünengrä¬
ber geöffnet worden. Ungeheure Quadern, von welchen man heute noch nicht
weiß, wie sie in das steinarme Land gekommen sind, bilden in roher Schichtung
ein enges Kämmerlein, in dem man außer Aschen und Knochen mancherlei sehr
rohe irdene Geräthe und allerlei Waffen und Schmuck fand. Dieser Steinsarg ist
bis auf 15 Fuß Höhe mit Erde überschüttet und ein kreisförmiger Grabhügel dar¬
aus gebildet worden. Die Anzahl dieser Hügel ist so groß, daß man von einem
derselben herab im Umkreis der Blicke manchmal über 500 zählen kann. Das
Landvolk kennt wohl ihre Bedeutung und hat eine abergläubische Scheu vor ihrer
Oeffnung. Daher wird auch ein Hünengrab, und wenn es der Feldbestellung noch
so sehr im Wege liegt, niemals geöffnet.

Die westliche Küste Jütlands besteht großentheils ans einem Boden, welcher
durch Dämme und Kooge dem Meere abgerungen worden ist. Hier haben die
Wellen theils fruchtbare Erde von der Höhe dereinst herabgeschwemmt, theils später
im Meerschlamm angespült und somit erhält das Land den Charakter der Marsch¬
gegenden. Schifffahrt und Fischfang sind hier minder bedeutend, als Ackerbau und
hauptsächlich Weideviehzucht, weil beide ersteren nnr in ganz kleinen Fahrzeugen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279462"/>
          <p xml:id="ID_1484" prev="#ID_1483"> lohnenden Landwirthschaft. Die ganze jüdische Halbinsel besteht ans einem nach<lb/>
beiden Seiten hin sich in die Ebene abdachenden niedern Höhenrücken, welcher von<lb/>
der Eider beginnend, sich fast bis an das Skagenshorn erstreckt, und der im Him¬<lb/>
melberg zwischen Räubers und Alborg mit 1200 Fuß überm Meer seinen höchsten<lb/>
Punkt erreicht. Das Plateau dieses Höhenzuges ist die sogenannte Alhaide, eine<lb/>
weite, sandige, durch Hügel coupirte Ebene. Hier wächst meilenweit nur das braune<lb/>
Haidekraut, und traurig steigen die schwarzen Hütten der zerstreuten Ansiedler, die<lb/>
sich nur selten zu einem kleinen Dorf versammeln, wie große Ameisenhaufen empor<lb/>
ans der Haide. Diese wird höchstens hier und da durch ein paar Buchweizenfel¬<lb/>
der unterbrochen, oder durch niedriges Gebüsch, welches die Sumpflachen um¬<lb/>
wuchert. Eine traurigere Gegend kaun es kaum geben, wenn die Winterstürme<lb/>
wehen. Aber einen eigenthümlichen Reiz erhält die Landschaft, wenn das Haide-<lb/>
kraut blüht uno ein leiser Wind das rothe Blumenmeer in tausend kleinen Wellen<lb/>
durchfurcht und ein süßer Duft die Lüfte füllt. Welcher reiche Erwerb könnte hier<lb/>
durch eine geregelte Bienenzucht und Schafhaltung eröffnet werden; wie leicht<lb/>
wären hier, da insbesondre an Torf ein großer Ueberfluß ist, mancherlei Fabriken<lb/>
gegründet, abgesehen davon, daß es dem Juden nicht einfällt, durch Plaggen, Bren¬<lb/>
nen und Wiesenanlegcn die sandige Scholle zu binden und erträglich zu machen!<lb/>
Hier in Alhaide erheben sich in unzählbarer Menge die Hünengräber, welche dem<lb/>
Landstrich fast das Ansehen geben, als sei er der ungeheure Begräbnißplatz aller<lb/>
nordischen Völker gewesen. Oft ist in der Lage derselben eine gewisse Ordnung<lb/>
unverkennbar, welche einen sehr großen Grabhügel zum Centrum eines Kreises von<lb/>
vielen kleineren macht, weshalb jener gewöhnlich für die Ruhestätte eines Häupt¬<lb/>
lings gehalten wird. In der Nähe der Königöan sind mehrere solcher Hünengrä¬<lb/>
ber geöffnet worden. Ungeheure Quadern, von welchen man heute noch nicht<lb/>
weiß, wie sie in das steinarme Land gekommen sind, bilden in roher Schichtung<lb/>
ein enges Kämmerlein, in dem man außer Aschen und Knochen mancherlei sehr<lb/>
rohe irdene Geräthe und allerlei Waffen und Schmuck fand. Dieser Steinsarg ist<lb/>
bis auf 15 Fuß Höhe mit Erde überschüttet und ein kreisförmiger Grabhügel dar¬<lb/>
aus gebildet worden. Die Anzahl dieser Hügel ist so groß, daß man von einem<lb/>
derselben herab im Umkreis der Blicke manchmal über 500 zählen kann. Das<lb/>
Landvolk kennt wohl ihre Bedeutung und hat eine abergläubische Scheu vor ihrer<lb/>
Oeffnung. Daher wird auch ein Hünengrab, und wenn es der Feldbestellung noch<lb/>
so sehr im Wege liegt, niemals geöffnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1485" next="#ID_1486"> Die westliche Küste Jütlands besteht großentheils ans einem Boden, welcher<lb/>
durch Dämme und Kooge dem Meere abgerungen worden ist. Hier haben die<lb/>
Wellen theils fruchtbare Erde von der Höhe dereinst herabgeschwemmt, theils später<lb/>
im Meerschlamm angespült und somit erhält das Land den Charakter der Marsch¬<lb/>
gegenden. Schifffahrt und Fischfang sind hier minder bedeutend, als Ackerbau und<lb/>
hauptsächlich Weideviehzucht, weil beide ersteren nnr in ganz kleinen Fahrzeugen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0436] lohnenden Landwirthschaft. Die ganze jüdische Halbinsel besteht ans einem nach beiden Seiten hin sich in die Ebene abdachenden niedern Höhenrücken, welcher von der Eider beginnend, sich fast bis an das Skagenshorn erstreckt, und der im Him¬ melberg zwischen Räubers und Alborg mit 1200 Fuß überm Meer seinen höchsten Punkt erreicht. Das Plateau dieses Höhenzuges ist die sogenannte Alhaide, eine weite, sandige, durch Hügel coupirte Ebene. Hier wächst meilenweit nur das braune Haidekraut, und traurig steigen die schwarzen Hütten der zerstreuten Ansiedler, die sich nur selten zu einem kleinen Dorf versammeln, wie große Ameisenhaufen empor ans der Haide. Diese wird höchstens hier und da durch ein paar Buchweizenfel¬ der unterbrochen, oder durch niedriges Gebüsch, welches die Sumpflachen um¬ wuchert. Eine traurigere Gegend kaun es kaum geben, wenn die Winterstürme wehen. Aber einen eigenthümlichen Reiz erhält die Landschaft, wenn das Haide- kraut blüht uno ein leiser Wind das rothe Blumenmeer in tausend kleinen Wellen durchfurcht und ein süßer Duft die Lüfte füllt. Welcher reiche Erwerb könnte hier durch eine geregelte Bienenzucht und Schafhaltung eröffnet werden; wie leicht wären hier, da insbesondre an Torf ein großer Ueberfluß ist, mancherlei Fabriken gegründet, abgesehen davon, daß es dem Juden nicht einfällt, durch Plaggen, Bren¬ nen und Wiesenanlegcn die sandige Scholle zu binden und erträglich zu machen! Hier in Alhaide erheben sich in unzählbarer Menge die Hünengräber, welche dem Landstrich fast das Ansehen geben, als sei er der ungeheure Begräbnißplatz aller nordischen Völker gewesen. Oft ist in der Lage derselben eine gewisse Ordnung unverkennbar, welche einen sehr großen Grabhügel zum Centrum eines Kreises von vielen kleineren macht, weshalb jener gewöhnlich für die Ruhestätte eines Häupt¬ lings gehalten wird. In der Nähe der Königöan sind mehrere solcher Hünengrä¬ ber geöffnet worden. Ungeheure Quadern, von welchen man heute noch nicht weiß, wie sie in das steinarme Land gekommen sind, bilden in roher Schichtung ein enges Kämmerlein, in dem man außer Aschen und Knochen mancherlei sehr rohe irdene Geräthe und allerlei Waffen und Schmuck fand. Dieser Steinsarg ist bis auf 15 Fuß Höhe mit Erde überschüttet und ein kreisförmiger Grabhügel dar¬ aus gebildet worden. Die Anzahl dieser Hügel ist so groß, daß man von einem derselben herab im Umkreis der Blicke manchmal über 500 zählen kann. Das Landvolk kennt wohl ihre Bedeutung und hat eine abergläubische Scheu vor ihrer Oeffnung. Daher wird auch ein Hünengrab, und wenn es der Feldbestellung noch so sehr im Wege liegt, niemals geöffnet. Die westliche Küste Jütlands besteht großentheils ans einem Boden, welcher durch Dämme und Kooge dem Meere abgerungen worden ist. Hier haben die Wellen theils fruchtbare Erde von der Höhe dereinst herabgeschwemmt, theils später im Meerschlamm angespült und somit erhält das Land den Charakter der Marsch¬ gegenden. Schifffahrt und Fischfang sind hier minder bedeutend, als Ackerbau und hauptsächlich Weideviehzucht, weil beide ersteren nnr in ganz kleinen Fahrzeugen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/436
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/436>, abgerufen am 05.02.2025.