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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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und in den Straßen der Faröer, wo die Eidergans in Schwärmen von Millionen
flattert und die Robbe sich auf den Klippen sonnt, ist ihr eigentliches Fahrwasser;
selten schiffen sie nach Süden oder Osten. Die Küstenbewohner leben bei Weitem
besser als die Bauern im Innern, sie haben Fische vollauf und kennen recht wohl
den englischen Rum und die französischen Weine. Wenn auch keineswegs reinli¬
cher, sind sie doch größtentheils gesunder und kräftiger wie jene, und abschreckende
Häßlichkeit ist unter ihnen seltener.

Die Bildung der gelaunten Nation steht auf einer sehr tiefen Stufe, das
Unterrichtswesen ist außerordentlich vernachlässigt, und kläglich sieht es mit den
Kenntnissen der Schullehrer und selbst der Pfarrer ans. Die ersteren werden
heutzutage noch, wie früher in Deutschland, aus Invaliden und unfähig gewor¬
denen, niederen Staatsdienern gewählt; letztere kennen von der Welt wenig mehr,
als ihren Sprengel und halten Kopenhagen für die größte und mächtigste Stadt deS
Erdenrunds, Dänemark für ein Reich, welchem eigentlich das übrige Europa, das
in ihrem Kopf sehr klein ist, tributpflichtig sein sollte. Es ist die jüdische Bar¬
barei die Folge, aber auch wieder die Ursache, der fast chinesischen Abgeschlossenheit
des Landes, welches mit der civilisirten Außenwelt weder durch Handel einigen
Verkehr unterhält, noch durch Reisende und Literatur von ihr Kunde erhält. Da¬
her kommt auch der tief eingewurzelte, fast tückische Haß gegen alles Fremde.
Nichts ist gut und brauchbar, als was aus Jütland selbst, oder zur Noth doch
aus Dänemark stammt. Alle mächtigen Hebel der Civilisation sind sür dieses be-
klagenswerthe Land bis heute noch gar nicht vorhanden und große Ereignisse,
welche der ganzen Welt ein anderes Ansehen verliehen, sind an ihm und seinen
Bewohnern spurlos vorüber gegangen. Und doch ist nicht zu leugnen, daß die
letzteren einen gewissen Grad von Bildungsfähigkeit besitzen, der nur der Pflege
bedarf, um dermaleinst die schönsten Früchte zu bringen. Die Poesie ist dem Volte
nicht fremd. Es weiß von alten Sagen genug zu erzählen, von dem starken Kö¬
nig Gora Gammut, der von Norwegen aus in grauer Vorzeit dies Land eroberte,
von den Seezügen der Vorfahren und ihren Kämpfen mit den Kraken und Nor-
männern; es bevölkert Haiden und Lachen mit Geistern und Feen, und weiß
manches hübsche Lied in eintönig klagender, wehmüthiger Melodie zu singen.
Die Staatskunst des dänischen Regiments hat aber diese Keime nicht weiter her-
vorzulocken gewußt. Jütland war von jeher für Dänemark lange nicht so wichtig,
wie Schleswig-Holstein, und obgleich das erstere einige Producte nach Seeland
ausführt, so konnte es sich doch weder hinsichtlich der Staatseinkünfte, noch der
Ausfuhr der deu Jnscldänen nothwendigen Lebensbedürfnisse jemals mit der letz¬
teren Kornkammer Scandinaviens messen.

Das Land selbst ist nicht Schuld an der Versunkenheit und Barbarei seiner
Bewohner; es bietet vielmehr Gelegenheit genug zur Eröffnung eines großartigen
Handelsverkehrs, zur Ausbildung einer geregelten Industrie, zum Aufschwung einer


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und in den Straßen der Faröer, wo die Eidergans in Schwärmen von Millionen
flattert und die Robbe sich auf den Klippen sonnt, ist ihr eigentliches Fahrwasser;
selten schiffen sie nach Süden oder Osten. Die Küstenbewohner leben bei Weitem
besser als die Bauern im Innern, sie haben Fische vollauf und kennen recht wohl
den englischen Rum und die französischen Weine. Wenn auch keineswegs reinli¬
cher, sind sie doch größtentheils gesunder und kräftiger wie jene, und abschreckende
Häßlichkeit ist unter ihnen seltener.

Die Bildung der gelaunten Nation steht auf einer sehr tiefen Stufe, das
Unterrichtswesen ist außerordentlich vernachlässigt, und kläglich sieht es mit den
Kenntnissen der Schullehrer und selbst der Pfarrer ans. Die ersteren werden
heutzutage noch, wie früher in Deutschland, aus Invaliden und unfähig gewor¬
denen, niederen Staatsdienern gewählt; letztere kennen von der Welt wenig mehr,
als ihren Sprengel und halten Kopenhagen für die größte und mächtigste Stadt deS
Erdenrunds, Dänemark für ein Reich, welchem eigentlich das übrige Europa, das
in ihrem Kopf sehr klein ist, tributpflichtig sein sollte. Es ist die jüdische Bar¬
barei die Folge, aber auch wieder die Ursache, der fast chinesischen Abgeschlossenheit
des Landes, welches mit der civilisirten Außenwelt weder durch Handel einigen
Verkehr unterhält, noch durch Reisende und Literatur von ihr Kunde erhält. Da¬
her kommt auch der tief eingewurzelte, fast tückische Haß gegen alles Fremde.
Nichts ist gut und brauchbar, als was aus Jütland selbst, oder zur Noth doch
aus Dänemark stammt. Alle mächtigen Hebel der Civilisation sind sür dieses be-
klagenswerthe Land bis heute noch gar nicht vorhanden und große Ereignisse,
welche der ganzen Welt ein anderes Ansehen verliehen, sind an ihm und seinen
Bewohnern spurlos vorüber gegangen. Und doch ist nicht zu leugnen, daß die
letzteren einen gewissen Grad von Bildungsfähigkeit besitzen, der nur der Pflege
bedarf, um dermaleinst die schönsten Früchte zu bringen. Die Poesie ist dem Volte
nicht fremd. Es weiß von alten Sagen genug zu erzählen, von dem starken Kö¬
nig Gora Gammut, der von Norwegen aus in grauer Vorzeit dies Land eroberte,
von den Seezügen der Vorfahren und ihren Kämpfen mit den Kraken und Nor-
männern; es bevölkert Haiden und Lachen mit Geistern und Feen, und weiß
manches hübsche Lied in eintönig klagender, wehmüthiger Melodie zu singen.
Die Staatskunst des dänischen Regiments hat aber diese Keime nicht weiter her-
vorzulocken gewußt. Jütland war von jeher für Dänemark lange nicht so wichtig,
wie Schleswig-Holstein, und obgleich das erstere einige Producte nach Seeland
ausführt, so konnte es sich doch weder hinsichtlich der Staatseinkünfte, noch der
Ausfuhr der deu Jnscldänen nothwendigen Lebensbedürfnisse jemals mit der letz¬
teren Kornkammer Scandinaviens messen.

Das Land selbst ist nicht Schuld an der Versunkenheit und Barbarei seiner
Bewohner; es bietet vielmehr Gelegenheit genug zur Eröffnung eines großartigen
Handelsverkehrs, zur Ausbildung einer geregelten Industrie, zum Aufschwung einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/435>, abgerufen am 05.02.2025.