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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Sudeleien, wie das vorliegende Stück, an denen man nichts lernen kann, über¬
haupt abzugeben, und so fällt die Beurtheilung derselben der Winkeljonrnalistik
anheim. Das Publikum verliert znlejzt alles Bewußtsein des, Unterschieds, und
stellt am Ende Gutzkoiv, die Birch, Langenschwarz u. s. w. auf gleiche Höhe.
Darum hat die Kritik die Pflicht, von Zeit zu Zeit es auszusprechen, daß der
Abstand zwischen Gutzkow und unserm Poeten noch immer ziemlich so groß ist als
der zwischen Schiller und Gutzkow. Dieser Pflicht wollen wir uns hiermit ent¬
ledigen.

Zweitens. Es handelt sich hier um eine literarische Gaunerei, die zu ergötz¬
lich ist , um nicht einmal angeführt zu werden.

In einem Theaterblatt vom 27. August 1847 lesen wir folgendes.

"Ein deutscher Shakesspeare! Einer, uns soeben zugehenden Nachricht
zufolge, sollen sich schon vor längerer Zeit (einem Jahre) bei einer, (,-no liiclwlii-ii)
stattgefundenen Auction mehrere Paquete deutscher Schriften und Papiere, und darun¬
ter etwa fünfzehn dramatische Originalpiccen, die meisten mit dem
Jahre 1684 bezeichnet, vorgefunden haben. Einige davon sind vermodert, und
fast unleserlich, die andern sämmtlich noch in brauchbarem Zustande. Der Ver¬
fasser nannte sich Zw eng sahn. Die nunmehr eigends dieserhalb niedergesetzte
Commission hat über dessen näheres Leben, Stand oder Verhältnisse nichts erfor¬
schen können, es sei denn, daß er zu Oedermühl, (das wir aber vergebens
auf der Karte suche") geboren ward. Jedoch leben einige arme Nachkommen dessel¬
ben, zu deren Vortheil die Commission jene Werke versenden will. Ueber den
classischen dramatischen Werth ist bei Allen, die sie prüften, nur eine Stimme, und
selbst Engländer von Bedeutung -- (wir nennen blos James Hatton und Ro¬
bert Bildiugson) sollen manche, ihnen daraus überschte Stellen weit über Shakeö-
speare erhoben und den Verfasser geradezu für einen deutsche" ShakeSspeare er¬
klärt haben!--Das wäre denn doch endlich ein Mal ein wissenschaftlicher
Fund von Bedeutung."

Gleich darauf folgt: (8. October)

"Zweite Nachricht über Zwerghahn. Französische Arroganz.
Ueber den "deutschen Shakespeare," Carl Zwerghahn enthalten nun auch
französische Blätter Notizen. Das Vorhandensein der Manuscripte wird constatirt,
aber eines dieser Journale wundert sich, "wie man vor dem Resultate der in's
Werk getretenen Nachforschungen den Verfasser einen deutschen Shakespeare habe
Nennen können, indem es ja nicht erwiesen sei, ob Carl Zwerghahn nicht ein
Franzose gewesen, und jedenfalls, ob er nicht, (ii"um loro-leis -unici) blos ans
französischen Manuskripten übersetzt habe!!!" -- Weiter ist wohl nie
ein arroganter, französischer Journalist gegangen. Die Deutschen sind aber durch
ihre Uebersetzuugswuth aus dem Französischen selbst Schuld an derlei Anmaßungen
des Auslandes. Die kleine, noch lebende Anverwandte, in nächster und direkter


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Sudeleien, wie das vorliegende Stück, an denen man nichts lernen kann, über¬
haupt abzugeben, und so fällt die Beurtheilung derselben der Winkeljonrnalistik
anheim. Das Publikum verliert znlejzt alles Bewußtsein des, Unterschieds, und
stellt am Ende Gutzkoiv, die Birch, Langenschwarz u. s. w. auf gleiche Höhe.
Darum hat die Kritik die Pflicht, von Zeit zu Zeit es auszusprechen, daß der
Abstand zwischen Gutzkow und unserm Poeten noch immer ziemlich so groß ist als
der zwischen Schiller und Gutzkow. Dieser Pflicht wollen wir uns hiermit ent¬
ledigen.

Zweitens. Es handelt sich hier um eine literarische Gaunerei, die zu ergötz¬
lich ist , um nicht einmal angeführt zu werden.

In einem Theaterblatt vom 27. August 1847 lesen wir folgendes.

„Ein deutscher Shakesspeare! Einer, uns soeben zugehenden Nachricht
zufolge, sollen sich schon vor längerer Zeit (einem Jahre) bei einer, (,-no liiclwlii-ii)
stattgefundenen Auction mehrere Paquete deutscher Schriften und Papiere, und darun¬
ter etwa fünfzehn dramatische Originalpiccen, die meisten mit dem
Jahre 1684 bezeichnet, vorgefunden haben. Einige davon sind vermodert, und
fast unleserlich, die andern sämmtlich noch in brauchbarem Zustande. Der Ver¬
fasser nannte sich Zw eng sahn. Die nunmehr eigends dieserhalb niedergesetzte
Commission hat über dessen näheres Leben, Stand oder Verhältnisse nichts erfor¬
schen können, es sei denn, daß er zu Oedermühl, (das wir aber vergebens
auf der Karte suche») geboren ward. Jedoch leben einige arme Nachkommen dessel¬
ben, zu deren Vortheil die Commission jene Werke versenden will. Ueber den
classischen dramatischen Werth ist bei Allen, die sie prüften, nur eine Stimme, und
selbst Engländer von Bedeutung — (wir nennen blos James Hatton und Ro¬
bert Bildiugson) sollen manche, ihnen daraus überschte Stellen weit über Shakeö-
speare erhoben und den Verfasser geradezu für einen deutsche» ShakeSspeare er¬
klärt haben!--Das wäre denn doch endlich ein Mal ein wissenschaftlicher
Fund von Bedeutung."

Gleich darauf folgt: (8. October)

„Zweite Nachricht über Zwerghahn. Französische Arroganz.
Ueber den „deutschen Shakespeare," Carl Zwerghahn enthalten nun auch
französische Blätter Notizen. Das Vorhandensein der Manuscripte wird constatirt,
aber eines dieser Journale wundert sich, „wie man vor dem Resultate der in's
Werk getretenen Nachforschungen den Verfasser einen deutschen Shakespeare habe
Nennen können, indem es ja nicht erwiesen sei, ob Carl Zwerghahn nicht ein
Franzose gewesen, und jedenfalls, ob er nicht, (ii«um loro-leis -unici) blos ans
französischen Manuskripten übersetzt habe!!!" — Weiter ist wohl nie
ein arroganter, französischer Journalist gegangen. Die Deutschen sind aber durch
ihre Uebersetzuugswuth aus dem Französischen selbst Schuld an derlei Anmaßungen
des Auslandes. Die kleine, noch lebende Anverwandte, in nächster und direkter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/427>, abgerufen am 05.02.2025.