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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Die Loyalität des erzbischöflichen ConfistorimnS
zu Prag.

Aus den Linien einer Hand zu wahrsagen, ist ein Aberglaube; zwischen den
Zeilen einer Handschrift zu lesen, ist auch eine Art Wahrsagerei, die aber schon
weit mehr für sich hat. Ich will jedoch uicht einmal von diesem Recht der auf¬
geklärten Wahrsagerei Gebrauch machen, indem ich ans dem Actenstück, das ich
hier mittheile, nichts weiter herauslese, als was unmittelbar darin gesagt ist.

In voriger Woche war in unsern Blattern ein Erlaß des Ministeriums des
Innern an das erzbischöfliche Conststorinm von Prag zu lesen: "Dem hochw.
erzbischöfl. Ordinariate sind die Bestrebungen der Umsturzpartei bekannt, die un¬
tern Volksschichten, insbesondere das Landvolk und die Fabrikbevölkerung in
republikanisch socialistischen Sinne") zu bearbeiten und sie für ihre
Zwecke zu gewinnen u. f. w. u. s. w. Darauf folgt die Bitte: den untergeordneten
Seelsorgern zur heiligen Pflicht zu macheu, daß sie das Volk vor den Verfüh¬
rungen dieser Partei warnen, und ihm insbesondere, vom religiösen Standpunkte
aus, das strafwürdige und Verderben bringende dieser Umtriebe darstellen."

Diesen Ministerialerlaß theilt nun das Conststorinm in einem Circular vom
>>. Juni dem Diözesauclerus mit, und richtet dann an denselben folgende höchst
charakteristische Ansprache: "Hieraus wird ersichtlich, wie sehr der hohen Regie¬
rung daran liegt, die so böswillig verletzte gesetzliche Ordnung ansteche zu erhalten
und zu deren Wiederherstellung die Unterstützung des katholischen Clerus um so
mehr in Anspruch zu nehmen, je verderblicher die Bestrebungen einer gesetzlosen
Umsturzpartei sich in ihren Wirkungen bereits zu zeigen beginnen, deren Po¬
litik Anarchie, deren Religion gräßlicher Unglaube und deren
Moral Kommunismus ist. Es ist nun die heilige Aufgabe des Priesters,
diesen Verführern besonders des gutmüthigen Landvolks muthig mit den Waffen
des Wortes Gottes durch Belehrung und Warnung entgegen zu treten, und man
beschwört den hochwürdigen Seelsorge-Clerus, ja keine Gelegenheit, deren
sich im geistlichen Amte so viele darbieten, unbenutzt vorübergehn zu lassen, um
das liebe Landvolk über die diabolischen Absichten dieser Verführer über¬
zeugend aufzuklären, und auf die schrecklichen Folgen aufmerksam zu machen, wozu
derlei Umtriebe führen und welche schon jetzt theilweise schmerzlich empfunden wer¬
den. Zugleich werden die hochw. Seelsorger dringend ersucht, über das Resultat
ihrer diesfälligen Bemühungen zu berichten, und alle l 4 Tage ein getreues,



-") Republikaner und Socialisten ist die amtliche, allerdings etwas gewagte Bezeichnung
Aller, welche mit der octroyirten Reichsverfassung des Kaiserstaats nicht zufrieden sind.
Die Loyalität des erzbischöflichen ConfistorimnS
zu Prag.

Aus den Linien einer Hand zu wahrsagen, ist ein Aberglaube; zwischen den
Zeilen einer Handschrift zu lesen, ist auch eine Art Wahrsagerei, die aber schon
weit mehr für sich hat. Ich will jedoch uicht einmal von diesem Recht der auf¬
geklärten Wahrsagerei Gebrauch machen, indem ich ans dem Actenstück, das ich
hier mittheile, nichts weiter herauslese, als was unmittelbar darin gesagt ist.

In voriger Woche war in unsern Blattern ein Erlaß des Ministeriums des
Innern an das erzbischöfliche Conststorinm von Prag zu lesen: „Dem hochw.
erzbischöfl. Ordinariate sind die Bestrebungen der Umsturzpartei bekannt, die un¬
tern Volksschichten, insbesondere das Landvolk und die Fabrikbevölkerung in
republikanisch socialistischen Sinne") zu bearbeiten und sie für ihre
Zwecke zu gewinnen u. f. w. u. s. w. Darauf folgt die Bitte: den untergeordneten
Seelsorgern zur heiligen Pflicht zu macheu, daß sie das Volk vor den Verfüh¬
rungen dieser Partei warnen, und ihm insbesondere, vom religiösen Standpunkte
aus, das strafwürdige und Verderben bringende dieser Umtriebe darstellen."

Diesen Ministerialerlaß theilt nun das Conststorinm in einem Circular vom
>>. Juni dem Diözesauclerus mit, und richtet dann an denselben folgende höchst
charakteristische Ansprache: „Hieraus wird ersichtlich, wie sehr der hohen Regie¬
rung daran liegt, die so böswillig verletzte gesetzliche Ordnung ansteche zu erhalten
und zu deren Wiederherstellung die Unterstützung des katholischen Clerus um so
mehr in Anspruch zu nehmen, je verderblicher die Bestrebungen einer gesetzlosen
Umsturzpartei sich in ihren Wirkungen bereits zu zeigen beginnen, deren Po¬
litik Anarchie, deren Religion gräßlicher Unglaube und deren
Moral Kommunismus ist. Es ist nun die heilige Aufgabe des Priesters,
diesen Verführern besonders des gutmüthigen Landvolks muthig mit den Waffen
des Wortes Gottes durch Belehrung und Warnung entgegen zu treten, und man
beschwört den hochwürdigen Seelsorge-Clerus, ja keine Gelegenheit, deren
sich im geistlichen Amte so viele darbieten, unbenutzt vorübergehn zu lassen, um
das liebe Landvolk über die diabolischen Absichten dieser Verführer über¬
zeugend aufzuklären, und auf die schrecklichen Folgen aufmerksam zu machen, wozu
derlei Umtriebe führen und welche schon jetzt theilweise schmerzlich empfunden wer¬
den. Zugleich werden die hochw. Seelsorger dringend ersucht, über das Resultat
ihrer diesfälligen Bemühungen zu berichten, und alle l 4 Tage ein getreues,



-») Republikaner und Socialisten ist die amtliche, allerdings etwas gewagte Bezeichnung
Aller, welche mit der octroyirten Reichsverfassung des Kaiserstaats nicht zufrieden sind.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/42>, abgerufen am 05.02.2025.