Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.überhoben, die dem republikanischen Streben der meisten seiner Parteigenossen Dieses Ereigniß war nicht ein geringes Moment, ihm in seiner Stellung zu Aber in der Versammlung selbst machte sich schon die Reaction geltend. Sie ging Als daher das revolutionäre Vorparlament Anstand nahm, sich für permanent überhoben, die dem republikanischen Streben der meisten seiner Parteigenossen Dieses Ereigniß war nicht ein geringes Moment, ihm in seiner Stellung zu Aber in der Versammlung selbst machte sich schon die Reaction geltend. Sie ging Als daher das revolutionäre Vorparlament Anstand nahm, sich für permanent <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279436"/> <p xml:id="ID_1380" prev="#ID_1379"> überhoben, die dem republikanischen Streben der meisten seiner Parteigenossen<lb/> immer einen gehässigen Anstrich gaben, hatte er das Glück, durch ein wohlfeiles<lb/> Martyrium einen Namen für ganz Deutschland zu erwerben. Die preußische Ne¬<lb/> gierung trieb ihn aus Berlin, gerade in einer Zeit, wo das nationale Bewußtsein<lb/> in der jungen Lyrik erstarkt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1381"> Dieses Ereigniß war nicht ein geringes Moment, ihm in seiner Stellung zu<lb/> der „am weitesten vorgeschrittenen Partei" dasjenige Gewicht zu geben, welches<lb/> die Würde eines Führers erheischt. Zudem war er reiner Republikaner; es kam<lb/> ihm nur darauf an, daß die Welt frei würde, das Detail war ihm gleichgültig,<lb/> darum hat er sich um socialistische Theorien nicht bekümmert. Von denen, die ihm<lb/> zunächst standen, war Itzstein zu alt und zu vorsichtig, Struve zu verschroben, die<lb/> Uebrigen zu unbedeutend und meist mit einem gelinden Anstrich von Gemeinheit.<lb/> Er war also im Vorparlament der anerkannte Chef der äußersten Linken. Die<lb/> Jugend umschwärmte ihn und brachte ihm Fackelzüge, und die allgemeine Stim¬<lb/> mung in Deutschland war der Art, daß er wohl hoffen konnte, aus dem freiwil¬<lb/> ligen Zusammentritt „anerkannter Volksmänner" werde der Convent hervorgehen,<lb/> der durch einen raschen Entschluß in Deutschland den Zustand allgemeiner Gleich¬<lb/> heit unmittelbar herbeiführte, was in der französischen Revolution jahrelange An¬<lb/> strengungen und Aufopferungen nöthig gemacht hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1382"> Aber in der Versammlung selbst machte sich schon die Reaction geltend. Sie ging<lb/> nicht ganz in die revolutionäre Leidenschaft auf, und gab der Entfaltung der fried¬<lb/> lichen politischen Partei freien Spielraum. „Jede Revolution, sagt Hecker, welche<lb/> vom Gebiet der That (des unmittelbaren, schrankenlosen Wollens) hinübergleitet<lb/> auf den Boden der Discussion (des verständigen Plans), zehrt sich ans und wird<lb/> von derjenigen Macht, welche durch die Revolution gestürzt werden sollte (und das<lb/> sind die bestehenden sittlichen Verhältnisse überhaupt), ausgebeutet und zu Grunde<lb/> gerichtet."</p><lb/> <p xml:id="ID_1383"> Als daher das revolutionäre Vorparlament Anstand nahm, sich für permanent<lb/> zu erklären und die Negierung Deutschlands ohne Weiteres in die Hände zu neh¬<lb/> men, als es sogar Anknüpfungspunkte mit dem Organ der bisher anerkannten<lb/> gesetzlichen Gewalt suchte, gab es seine ursprüngliche Gewalt auf, und Hecker ver¬<lb/> ließ eine Versammlung, die nicht mehr die souveräne Revolution vertrat. Er er¬<lb/> richtete neben dem Füufzigerausschuß eine zweite revolutionäre Behörde, die noth¬<lb/> wendig mit jenem in Conflict kommen mußte. Die Kinder der Revolution desa-<lb/> vouüten einander, der entschiedene Fortschritt wurde auf den Weg der rohen Ge¬<lb/> walt gedrängt. Hecker war nun ein Hochverräther, selbst in den Augen derjenigen<lb/> Partei, die kraft der Volkssouveränität das bisher giltige Recht über den Hau¬<lb/> fen zu werfen gedachte. Denn er bewaffnete die Minorität gegen die Mojorität;<lb/> daß freilich die Paulskirche die Mehrheit des Volkes hinter sich habe, beruhte<lb/> vorläufig auch nur auf ihrer einfachen Versicherung.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
überhoben, die dem republikanischen Streben der meisten seiner Parteigenossen
immer einen gehässigen Anstrich gaben, hatte er das Glück, durch ein wohlfeiles
Martyrium einen Namen für ganz Deutschland zu erwerben. Die preußische Ne¬
gierung trieb ihn aus Berlin, gerade in einer Zeit, wo das nationale Bewußtsein
in der jungen Lyrik erstarkt war.
Dieses Ereigniß war nicht ein geringes Moment, ihm in seiner Stellung zu
der „am weitesten vorgeschrittenen Partei" dasjenige Gewicht zu geben, welches
die Würde eines Führers erheischt. Zudem war er reiner Republikaner; es kam
ihm nur darauf an, daß die Welt frei würde, das Detail war ihm gleichgültig,
darum hat er sich um socialistische Theorien nicht bekümmert. Von denen, die ihm
zunächst standen, war Itzstein zu alt und zu vorsichtig, Struve zu verschroben, die
Uebrigen zu unbedeutend und meist mit einem gelinden Anstrich von Gemeinheit.
Er war also im Vorparlament der anerkannte Chef der äußersten Linken. Die
Jugend umschwärmte ihn und brachte ihm Fackelzüge, und die allgemeine Stim¬
mung in Deutschland war der Art, daß er wohl hoffen konnte, aus dem freiwil¬
ligen Zusammentritt „anerkannter Volksmänner" werde der Convent hervorgehen,
der durch einen raschen Entschluß in Deutschland den Zustand allgemeiner Gleich¬
heit unmittelbar herbeiführte, was in der französischen Revolution jahrelange An¬
strengungen und Aufopferungen nöthig gemacht hatten.
Aber in der Versammlung selbst machte sich schon die Reaction geltend. Sie ging
nicht ganz in die revolutionäre Leidenschaft auf, und gab der Entfaltung der fried¬
lichen politischen Partei freien Spielraum. „Jede Revolution, sagt Hecker, welche
vom Gebiet der That (des unmittelbaren, schrankenlosen Wollens) hinübergleitet
auf den Boden der Discussion (des verständigen Plans), zehrt sich ans und wird
von derjenigen Macht, welche durch die Revolution gestürzt werden sollte (und das
sind die bestehenden sittlichen Verhältnisse überhaupt), ausgebeutet und zu Grunde
gerichtet."
Als daher das revolutionäre Vorparlament Anstand nahm, sich für permanent
zu erklären und die Negierung Deutschlands ohne Weiteres in die Hände zu neh¬
men, als es sogar Anknüpfungspunkte mit dem Organ der bisher anerkannten
gesetzlichen Gewalt suchte, gab es seine ursprüngliche Gewalt auf, und Hecker ver¬
ließ eine Versammlung, die nicht mehr die souveräne Revolution vertrat. Er er¬
richtete neben dem Füufzigerausschuß eine zweite revolutionäre Behörde, die noth¬
wendig mit jenem in Conflict kommen mußte. Die Kinder der Revolution desa-
vouüten einander, der entschiedene Fortschritt wurde auf den Weg der rohen Ge¬
walt gedrängt. Hecker war nun ein Hochverräther, selbst in den Augen derjenigen
Partei, die kraft der Volkssouveränität das bisher giltige Recht über den Hau¬
fen zu werfen gedachte. Denn er bewaffnete die Minorität gegen die Mojorität;
daß freilich die Paulskirche die Mehrheit des Volkes hinter sich habe, beruhte
vorläufig auch nur auf ihrer einfachen Versicherung.
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