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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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summte die Nachricht: zwei Compagnien Pesther und etwa dreißig Husaren liegen
im Dorfe, in der Hauptwache trinken und spielen sie. -- Vor der Thür der
Wache macht der hcrangeschlichene Hause halt, und mit Erstaunen sieht unser
Freund eine serbische Nothkappe vor der Thür Schultern, es war diesmal Stephan
Jzabaran. Ein behagliches Grinsen des Burschen wurde in dem Lichtschein sicht¬
bar, der durch das Fenster fiel; zu seinen Füßen lag der Rumpf des ungarischen
Postens. Er hatte einen Scherz nach seiner Art gemacht, allen; hatte er sich in
das Dorf geschlichen und durch einen Wurf mit dem Messer, Kehle und Leben
des Mobilgardisten zerschnitten. Das Bajonnetgewehr des Todten hielt er den Her¬
anziehenden entgegen.

Für einen sentimentalen Mann war der Augenblick grauenhaft. Vor der
Thür der Tod mit geschwungenem Messer und drin in der Stube der fröhliche
Lärm der Unglücklichen, über welchen das Verhängnis; schwebte. Man hörte deut¬
lich das Schnarchen der Schlafenden, mau hörte wie die Trümpfe kräftig auf
den Tisch geworfen wurden und wie das Geld der Spieler rollte. -- Der Bul-
jnbassa stieß mit mächtigem Tritt die Thür aus und stand mit hochgezücktem
Handzar plötzlich vor dem Spieltisch. Starr vor Schrecken blieben zwei der
Spieler sitzen, einer sprang entsetzt auf und schrie: .s"i istonem, ki-lox - vinitor!
riß den Spieltisch um, Geld und Karten rollten am Boden; er, der Rufende,
aber sank vom Handzar des Buljubassa auf den Tod getroffen mitten unter sie
auf die Diele. Die Serben füllten die Stube, das Gemetzel begann. schlaf¬
trunken, halb im Taumel, fallen die Meisten ohne Gegenwehr. Plötzlich fleht
unser Freund einen Flintenlauf gegen sich blinken, zwei Fuß von seiner Brust
droht die Mündung, da springt schnell wie der Blitz eine dunkle Gestalt, ihn deckend,
zwischen ihn und das Gewehr; ein Schlag, ein Schuß, das Gewehr und der
Schütze liegen ihm zur Seite und der Mann vor ihm hält die Hand an die ge¬
troffene Schulter. Bvgislaw springt vor und sieht seinem Retter ins Gesicht, es
ist Wille, der Haiduck.

Unterdeß dauerte das Gemetzel an den Wänden fort. Wie toll stürzten
sich die Serben auf die jungen Magyaren und erwürgten die Entsetzten, wie der
Wolf die jungen Ziegen. -- Endlich schlug einer der Ungarn mit starkem Kolben¬
hieb an die Hängelampe, welche von der Stubendecke die blutige Scene erleuchtet
hatte, das Licht schwankte und flackerte. -- Und merkwürdig! sogleich wurde es
still in der Wachtstube. -- Zischend ertrank die Flamme des Dochts in dem über¬
strömenden Oel, eine dichte Finsterniß fiel auf das Zimmer, Keiner sah den
Andern. Keiner sprach, Keiner regte sich. Denn Keiner kann zustoßen, der Waf¬
fenbruder könnte den Waffenbruder erschlagen, Freund neben Feind stehn sie dicht
neben einander, starr und regungslos, und Jeden überrieselt ein Schauer von
Sorge, Jeder muß fürchten bei der ersten feindlichen Bewegung den Stahl
seines Nachbars zwischen den Rippen zu fühlen, vielleicht den Stahl seines Bru-


summte die Nachricht: zwei Compagnien Pesther und etwa dreißig Husaren liegen
im Dorfe, in der Hauptwache trinken und spielen sie. — Vor der Thür der
Wache macht der hcrangeschlichene Hause halt, und mit Erstaunen sieht unser
Freund eine serbische Nothkappe vor der Thür Schultern, es war diesmal Stephan
Jzabaran. Ein behagliches Grinsen des Burschen wurde in dem Lichtschein sicht¬
bar, der durch das Fenster fiel; zu seinen Füßen lag der Rumpf des ungarischen
Postens. Er hatte einen Scherz nach seiner Art gemacht, allen; hatte er sich in
das Dorf geschlichen und durch einen Wurf mit dem Messer, Kehle und Leben
des Mobilgardisten zerschnitten. Das Bajonnetgewehr des Todten hielt er den Her¬
anziehenden entgegen.

Für einen sentimentalen Mann war der Augenblick grauenhaft. Vor der
Thür der Tod mit geschwungenem Messer und drin in der Stube der fröhliche
Lärm der Unglücklichen, über welchen das Verhängnis; schwebte. Man hörte deut¬
lich das Schnarchen der Schlafenden, mau hörte wie die Trümpfe kräftig auf
den Tisch geworfen wurden und wie das Geld der Spieler rollte. — Der Bul-
jnbassa stieß mit mächtigem Tritt die Thür aus und stand mit hochgezücktem
Handzar plötzlich vor dem Spieltisch. Starr vor Schrecken blieben zwei der
Spieler sitzen, einer sprang entsetzt auf und schrie: .s«i istonem, ki-lox - vinitor!
riß den Spieltisch um, Geld und Karten rollten am Boden; er, der Rufende,
aber sank vom Handzar des Buljubassa auf den Tod getroffen mitten unter sie
auf die Diele. Die Serben füllten die Stube, das Gemetzel begann. schlaf¬
trunken, halb im Taumel, fallen die Meisten ohne Gegenwehr. Plötzlich fleht
unser Freund einen Flintenlauf gegen sich blinken, zwei Fuß von seiner Brust
droht die Mündung, da springt schnell wie der Blitz eine dunkle Gestalt, ihn deckend,
zwischen ihn und das Gewehr; ein Schlag, ein Schuß, das Gewehr und der
Schütze liegen ihm zur Seite und der Mann vor ihm hält die Hand an die ge¬
troffene Schulter. Bvgislaw springt vor und sieht seinem Retter ins Gesicht, es
ist Wille, der Haiduck.

Unterdeß dauerte das Gemetzel an den Wänden fort. Wie toll stürzten
sich die Serben auf die jungen Magyaren und erwürgten die Entsetzten, wie der
Wolf die jungen Ziegen. — Endlich schlug einer der Ungarn mit starkem Kolben¬
hieb an die Hängelampe, welche von der Stubendecke die blutige Scene erleuchtet
hatte, das Licht schwankte und flackerte. — Und merkwürdig! sogleich wurde es
still in der Wachtstube. — Zischend ertrank die Flamme des Dochts in dem über¬
strömenden Oel, eine dichte Finsterniß fiel auf das Zimmer, Keiner sah den
Andern. Keiner sprach, Keiner regte sich. Denn Keiner kann zustoßen, der Waf¬
fenbruder könnte den Waffenbruder erschlagen, Freund neben Feind stehn sie dicht
neben einander, starr und regungslos, und Jeden überrieselt ein Schauer von
Sorge, Jeder muß fürchten bei der ersten feindlichen Bewegung den Stahl
seines Nachbars zwischen den Rippen zu fühlen, vielleicht den Stahl seines Bru-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/394>, abgerufen am 05.02.2025.