Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.das der alten Deutschen, er hat keinen Groll gegen reiche Ritter, nicht das Gefühl Sie, mißtrauen dem fremden Militär in Tirol -- es sind dies bekanntlich das der alten Deutschen, er hat keinen Groll gegen reiche Ritter, nicht das Gefühl Sie, mißtrauen dem fremden Militär in Tirol — es sind dies bekanntlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279416"/> <p xml:id="ID_1310" prev="#ID_1309"> das der alten Deutschen, er hat keinen Groll gegen reiche Ritter, nicht das Gefühl<lb/> seiner politischen Kleinheit zu überwinden, wie es in Böhmen, Mähren und in den¬<lb/> jenigen Theilen Oestreichs auf den Landleuten liegt. Mehr als irgendwo, wird<lb/> hier der Ruf „des guten deutscheu Wortes" hochgehalten, die Söhne der Berge<lb/> nehmen daher eben so rasch und fest Jemanden beim Worte, als sie selbst den<lb/> Wortbruch tief und dauernd empfinden. Wir haben viele Versprechen allerhöchster<lb/> Personen „im Drange der Umstände" ad -»et» gelegt, wir klagen, aber wir be¬<lb/> scheiden uns; der Tiroler bringt die bittere Wahrheit, daß so vieles Lüge war,<lb/> noch nicht hinunter, so viel auch Mittel aufgeboten werden, um ihm das Schlucken<lb/> zu erleichtern. Man kann diese einfachen Politiker in allen Wirthshäusern, auf<lb/> den einsamen Almen und Sennen raisonniren hören; an dem Wortbruche, wie sie<lb/> es nennen, nagen sie sehr eifrig; sie tragen meist im dumpfen Bewußtsein Hin - und<lb/> Wiederrede mit sich herum nud kramen ihre Wünsche dem willigen Ohr unablässig<lb/> aus. Eines ist ihnen doch klar geworden, daß sie die Freiheit nicht erlaugt ha¬<lb/> ben ; daß ihr Tirol gar nicht gefragt wird, was man auch Oben beschließe. Sie<lb/> wollen alle mitreden durch ihre Männer, welche man nach Innsbruck rufen müsse,<lb/> sonst werde ihre Geduld nicht mehr lange ausreichen. Kaiser Ferdinand erfahre<lb/> das schon jetzt, und der junge Kaiser könne dies gar leicht empfinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1311" next="#ID_1312"> Sie, mißtrauen dem fremden Militär in Tirol — es sind dies bekanntlich<lb/> lauter einige, freie und ganze Oestreicher — obwohl sie es mitsammt der Fran¬<lb/> zensreste zu erdrücken im Stande wären. In der Nähe steht diese Sprache nicht<lb/> ganz prahlerisch aus; ihre Berge und engen Pässe stehen noch, die Geschichte ist<lb/> nicht vergessen und endlich schießen die Leute gern und sehr gut. „Und im Noth¬<lb/> falle wählen wir uns einen andern Kaiser" rief ein alter Mann und ich habe<lb/> dabei bemerkt, daß die Leute weder unter der Herrschaft ihres rothen Rabenstandes<lb/> waren, noch auch sich ängstlich umblickten, ob etwa ein Unberufener das kühne<lb/> Wort gehört. — Sie wollen allerdings einen Kaiser behalten, wie sie ihr Wälsch-<lb/> tirol behalten wollen, aber sie sind sehr mißtrauisch geworden, betrachten sich als<lb/> eine Einheit, die weit ab liegt von den übrigen Provinzen; sie bereiten sich in<lb/> Innsbruck nachdrücklich zu sprechen. — Unterdessen bauen sie den Tabak auf eigene<lb/> Faust an, indem sie alte vergessene Rechte wieder in Anspruch nehmen. In sol¬<lb/> cher Stimmung greift jeder Sterbliche etwas weiter, als sein Recht und seine<lb/> Absicht war, halb aus Plumpheit, halb aus trotzigem Selbstgefühl. Alles dies ist<lb/> im Munde des Einzelnen, treuherziges Geschwätz, das nicht viel zu bedeuten hätte.<lb/> Aber es wird ein lauter Ruf, sobald irgend eine Veranlassung — etwa ein Pro-<lb/> vinziallandtag die einzelnen Stimmen vereinigt und privilegirt. Eins steht dem<lb/> Volk fest, sie wollen von Innsbruck abhängen, nicht von Wien, von ihrer eigenen<lb/> Negierung nicht von kaiserlichen Beamten; sie sind Föderalisten. Die Stützen<lb/> des Thrones: Geistlichkeit, Gutsbesitzer und Beamte werden mir Recht geben<lb/> müssen, wenn ich behaupte, es steht mit ihnen nicht ganz so fest, als sie es our-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
das der alten Deutschen, er hat keinen Groll gegen reiche Ritter, nicht das Gefühl
seiner politischen Kleinheit zu überwinden, wie es in Böhmen, Mähren und in den¬
jenigen Theilen Oestreichs auf den Landleuten liegt. Mehr als irgendwo, wird
hier der Ruf „des guten deutscheu Wortes" hochgehalten, die Söhne der Berge
nehmen daher eben so rasch und fest Jemanden beim Worte, als sie selbst den
Wortbruch tief und dauernd empfinden. Wir haben viele Versprechen allerhöchster
Personen „im Drange der Umstände" ad -»et» gelegt, wir klagen, aber wir be¬
scheiden uns; der Tiroler bringt die bittere Wahrheit, daß so vieles Lüge war,
noch nicht hinunter, so viel auch Mittel aufgeboten werden, um ihm das Schlucken
zu erleichtern. Man kann diese einfachen Politiker in allen Wirthshäusern, auf
den einsamen Almen und Sennen raisonniren hören; an dem Wortbruche, wie sie
es nennen, nagen sie sehr eifrig; sie tragen meist im dumpfen Bewußtsein Hin - und
Wiederrede mit sich herum nud kramen ihre Wünsche dem willigen Ohr unablässig
aus. Eines ist ihnen doch klar geworden, daß sie die Freiheit nicht erlaugt ha¬
ben ; daß ihr Tirol gar nicht gefragt wird, was man auch Oben beschließe. Sie
wollen alle mitreden durch ihre Männer, welche man nach Innsbruck rufen müsse,
sonst werde ihre Geduld nicht mehr lange ausreichen. Kaiser Ferdinand erfahre
das schon jetzt, und der junge Kaiser könne dies gar leicht empfinden.
Sie, mißtrauen dem fremden Militär in Tirol — es sind dies bekanntlich
lauter einige, freie und ganze Oestreicher — obwohl sie es mitsammt der Fran¬
zensreste zu erdrücken im Stande wären. In der Nähe steht diese Sprache nicht
ganz prahlerisch aus; ihre Berge und engen Pässe stehen noch, die Geschichte ist
nicht vergessen und endlich schießen die Leute gern und sehr gut. „Und im Noth¬
falle wählen wir uns einen andern Kaiser" rief ein alter Mann und ich habe
dabei bemerkt, daß die Leute weder unter der Herrschaft ihres rothen Rabenstandes
waren, noch auch sich ängstlich umblickten, ob etwa ein Unberufener das kühne
Wort gehört. — Sie wollen allerdings einen Kaiser behalten, wie sie ihr Wälsch-
tirol behalten wollen, aber sie sind sehr mißtrauisch geworden, betrachten sich als
eine Einheit, die weit ab liegt von den übrigen Provinzen; sie bereiten sich in
Innsbruck nachdrücklich zu sprechen. — Unterdessen bauen sie den Tabak auf eigene
Faust an, indem sie alte vergessene Rechte wieder in Anspruch nehmen. In sol¬
cher Stimmung greift jeder Sterbliche etwas weiter, als sein Recht und seine
Absicht war, halb aus Plumpheit, halb aus trotzigem Selbstgefühl. Alles dies ist
im Munde des Einzelnen, treuherziges Geschwätz, das nicht viel zu bedeuten hätte.
Aber es wird ein lauter Ruf, sobald irgend eine Veranlassung — etwa ein Pro-
vinziallandtag die einzelnen Stimmen vereinigt und privilegirt. Eins steht dem
Volk fest, sie wollen von Innsbruck abhängen, nicht von Wien, von ihrer eigenen
Negierung nicht von kaiserlichen Beamten; sie sind Föderalisten. Die Stützen
des Thrones: Geistlichkeit, Gutsbesitzer und Beamte werden mir Recht geben
müssen, wenn ich behaupte, es steht mit ihnen nicht ganz so fest, als sie es our-
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