Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.schen Husaren vorführte. Das poetische Naturleben dieser Menschenklasse, ihre Die Kaiuisze sind Schweinehirten. Ein unpoetischcs, schmutziges Hand¬ Im schattigen Walde, da läßt sich's noch leben. Die Eiche entfaltet sich auf Dieser aber ist an das Unerträgliche gewöhnt. Er ißt seinen Speck und schen Husaren vorführte. Das poetische Naturleben dieser Menschenklasse, ihre Die Kaiuisze sind Schweinehirten. Ein unpoetischcs, schmutziges Hand¬ Im schattigen Walde, da läßt sich's noch leben. Die Eiche entfaltet sich auf Dieser aber ist an das Unerträgliche gewöhnt. Er ißt seinen Speck und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279065"/> <p xml:id="ID_96" prev="#ID_95"> schen Husaren vorführte. Das poetische Naturleben dieser Menschenklasse, ihre<lb/> Jagd- und Liebesabenteuer, ihr Leben im Dorf und auf der Haide bieten Stoff<lb/> in Fülle zu interessanten Beschreibungen, doch es gilt hier die Eigenthüm¬<lb/> lichkeiten Ungarns hervorzuheben, wodurch es Kossuth möglich wurde, Armeen<lb/> aus der Erde zu stampfen. Den Csikäs und seine Metamorphose zum Krieger<lb/> haben wir kennen gelernt, wahrscheinlich hat er nun schon Gelegenheit gehabt,<lb/> sich mit dem Kosaken im Zweikampf zu messen; die folgenden Zeilen seien den<lb/> Kan-iszen und Gnlyuscn gewidmet.</p><lb/> <p xml:id="ID_97"> Die Kaiuisze sind Schweinehirten. Ein unpoetischcs, schmutziges Hand¬<lb/> werk, doppelt beschwerlich und unsauber in Ungarn. Aus Serbien, wo die<lb/> Schweine noch im halbwilden Zustande leben, wandern jährlich große Heerden<lb/> nach Ungarn. Dort mästen sie sich in den ungeheueren Eichenwäldern und wer¬<lb/> de» in die großen Städte, nach Wien und noch weiter zu Markte gebracht. In<lb/> die Leitung dieser Heerden theilt sich der Kcnuisz (deren mehrere bei jedem Triebe<lb/> sein müssen), der Hund und der Esel. Letzterer ist bei der Heerde der Erste;<lb/> er macht mit einer großen Glocke am Halse den Leithammel und trägt den Pro¬<lb/> viant des Treibers auf dem Rücken. Die Hunde von schöner, kräftiger Race<lb/> die sogenannten weißen ungarischen Wolfshunde --- umkreisen unaufhörlich deu<lb/> Trieb und halten ihn zusammen. Will der Kan.isz Rast machen, so gibt er den<lb/> Hunden ein Zeichen und diese hängen sich dann an die Ohren des Esels, daß<lb/> er nicht weiter kann und mit seine» unbequemen Ohrgehängen und seinem Schmerzens-<lb/> angesichte dasteht — ein wahres Bild des Jammers.</p><lb/> <p xml:id="ID_98"> Im schattigen Walde, da läßt sich's noch leben. Die Eiche entfaltet sich auf<lb/> ungarischen Boden reicher und üppiger als an irgend einem Punkte Deutschlands.<lb/> Die Thiere finden Futter in Ueberfluß und fressen sich gewöhnlich so voll, daß<lb/> sie nicht an's Herumschwärmen denken. Hund und Herr können sich daher mit<lb/> mehr Ruhe am Stillleben der Natur ergötzen. Jämmerlich aber ist das Lebes des<lb/> Kanusz, wenn er zu Ende des Sommers seine Heerde zu Markte treiben muß.<lb/> Von Debrezin oder auch von der serbischen Grenze muß er dann die mühseligste<lb/> aller Luftreisen machen, die je ein wißbegieriger Reisender unternahm. Das geht<lb/> über die endlosen Haiden in Regen, Sturm und Sonnenhitze langsam hinter der<lb/> Heerde her, die ihm die glühenden Staubwolken in's Gesicht treibt. Hin und<lb/> wieder hat sich ein Schwein so vollgestopft, daß es uicht von der Stelle kaun,<lb/> das bleibt daun ohne Weiteres am Wege liegen und die ganze Caravane muß<lb/> einen halben Tag oder noch länger rasten, bis es dem Vielfraß möglich wird, auf¬<lb/> zustehen, und gelingt es ihm endlich, so beginnt oft die Nachbarin dasselbe Spiel.<lb/> Wahrlich, ein mühseligeres Geschäft gibt es auf der ganzen Welt nicht, als das<lb/> eines solchen Schweinehirten.</p><lb/> <p xml:id="ID_99" next="#ID_100"> Dieser aber ist an das Unerträgliche gewöhnt. Er ißt seinen Speck und<lb/> raucht feine Pfeife in der Sonnenhitze wie in der Winterkälte gleich behaglich,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
schen Husaren vorführte. Das poetische Naturleben dieser Menschenklasse, ihre
Jagd- und Liebesabenteuer, ihr Leben im Dorf und auf der Haide bieten Stoff
in Fülle zu interessanten Beschreibungen, doch es gilt hier die Eigenthüm¬
lichkeiten Ungarns hervorzuheben, wodurch es Kossuth möglich wurde, Armeen
aus der Erde zu stampfen. Den Csikäs und seine Metamorphose zum Krieger
haben wir kennen gelernt, wahrscheinlich hat er nun schon Gelegenheit gehabt,
sich mit dem Kosaken im Zweikampf zu messen; die folgenden Zeilen seien den
Kan-iszen und Gnlyuscn gewidmet.
Die Kaiuisze sind Schweinehirten. Ein unpoetischcs, schmutziges Hand¬
werk, doppelt beschwerlich und unsauber in Ungarn. Aus Serbien, wo die
Schweine noch im halbwilden Zustande leben, wandern jährlich große Heerden
nach Ungarn. Dort mästen sie sich in den ungeheueren Eichenwäldern und wer¬
de» in die großen Städte, nach Wien und noch weiter zu Markte gebracht. In
die Leitung dieser Heerden theilt sich der Kcnuisz (deren mehrere bei jedem Triebe
sein müssen), der Hund und der Esel. Letzterer ist bei der Heerde der Erste;
er macht mit einer großen Glocke am Halse den Leithammel und trägt den Pro¬
viant des Treibers auf dem Rücken. Die Hunde von schöner, kräftiger Race
die sogenannten weißen ungarischen Wolfshunde --- umkreisen unaufhörlich deu
Trieb und halten ihn zusammen. Will der Kan.isz Rast machen, so gibt er den
Hunden ein Zeichen und diese hängen sich dann an die Ohren des Esels, daß
er nicht weiter kann und mit seine» unbequemen Ohrgehängen und seinem Schmerzens-
angesichte dasteht — ein wahres Bild des Jammers.
Im schattigen Walde, da läßt sich's noch leben. Die Eiche entfaltet sich auf
ungarischen Boden reicher und üppiger als an irgend einem Punkte Deutschlands.
Die Thiere finden Futter in Ueberfluß und fressen sich gewöhnlich so voll, daß
sie nicht an's Herumschwärmen denken. Hund und Herr können sich daher mit
mehr Ruhe am Stillleben der Natur ergötzen. Jämmerlich aber ist das Lebes des
Kanusz, wenn er zu Ende des Sommers seine Heerde zu Markte treiben muß.
Von Debrezin oder auch von der serbischen Grenze muß er dann die mühseligste
aller Luftreisen machen, die je ein wißbegieriger Reisender unternahm. Das geht
über die endlosen Haiden in Regen, Sturm und Sonnenhitze langsam hinter der
Heerde her, die ihm die glühenden Staubwolken in's Gesicht treibt. Hin und
wieder hat sich ein Schwein so vollgestopft, daß es uicht von der Stelle kaun,
das bleibt daun ohne Weiteres am Wege liegen und die ganze Caravane muß
einen halben Tag oder noch länger rasten, bis es dem Vielfraß möglich wird, auf¬
zustehen, und gelingt es ihm endlich, so beginnt oft die Nachbarin dasselbe Spiel.
Wahrlich, ein mühseligeres Geschäft gibt es auf der ganzen Welt nicht, als das
eines solchen Schweinehirten.
Dieser aber ist an das Unerträgliche gewöhnt. Er ißt seinen Speck und
raucht feine Pfeife in der Sonnenhitze wie in der Winterkälte gleich behaglich,
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