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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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mand, selbst durch den galizischen Bauer, übertroffen wird, so sehr
man sich auch Mühe gegeben, ihn in die Tendenzen einer gewissen Partei mit hinein¬
zuziehen. Dies die wahre, aus der Stimmung abgeleitete Stellung des Grenzvolkes
zu den Provinzialistm."

Welche Ansichten werden hier über Volksvertretung ausgesprochen! Jeder¬
mann außer dem Mitarbeiter der "Presse"*) weiß, daß die Bevölkerung der Grenze
nur allein aus Grenzern, Handelsleuten und Verwaltnngsoffi-
zieren besteht. Es ist also natürlich, daß auf den Landtag und anfeinen etwai¬
gen Reichstag nur solche geschickt werden können. Wenn nun die "Presse" keinen
Austand nimmt, der Bevölkerung eines Landes sammt ihren Vertretern Unfähig¬
keit, Haß und Rachsucht zuzumuthen, weil sie nicht centralistisch gesinnt sind, wenn
sie die "Redlichkeit" nur in dem Eingehen auf ihre Platte findet, so läßt es sich
schwer erklären, wie sie das mit konstitutionellen Grundsätzen in Einklang bringen
kann. Wenn sie den "Intelligenteren," welche freilich dort durchweg föderalistisch
deuten, den Weg in die Kammer abschneiden möchte, wenn sie den Banalrath
desavouirt, weil er "unbegreifleicher Weise" nicht ihrer Meinung ist, wenn sie
unter Loyalität das Ausgeben seiner innersten Ueberzeugung für die vorgefaßte
Meinung der Regierung versteht, wenn sie einerseits den Grenzer dem galizischen
Bauer an Unverstand gleichstellt, und weiter unter mit durchschossenen Let¬
tern die trostreiche Versicherung gibt, daß die "Intelligenteren" mit echt galizi-
scher Bauerntreue von den Grenzern selbst im Falle einer Meinungsdifferenz. mit
der Negierung bekämpft werden können -- dann läßt es sich leicht ermessen, welche
Hoffnungen uns die konstitutionellen Ansichten der Presse in Aussicht stellen, be¬
sonders, wenn man die Thatsache vor Auge" hat, daß auch in einem Theile Böh¬
mens sowohl, als in Galizien, in Italien wie in Ungarn, in der Slovakai wie
in der Wojewodina die "Intelligenteren" föderalistisch gesinnt sind.

So spricht also die Repräsentantin der Centralisation von einem Lande, ohne
dessen vergossenes Blut das Haus Habsburg jetzt schon um eine Krone weniger be¬
säße. Eine solche Politik ist allerdings sehr praktisch, sie hat ihre Brauchbar¬
keit im Jahre 1846 in Galizien bewährt, aber sie ist nicht dauerhaft und vor Allem
nicht constitutionell. **)



**) Wir theilen diesen Artikel mit, weil er die Ansichten eines gebildeten Mannes aus
einer Gegend der östreichischen Monarchie darlegt, welche jetzt in eigenthümlicher Stellung zur
Regierung ist; wir machen aber zwei Bemerkungen dazu: erstens, daß die Politik der "Presse"
durch den Artikel nicht vollständig characterisirt wird, und daß es überhaupt nicht lohnt, ernst¬
haft viele Worte darüber zu machen. Die Journalistik Wiens ist jetzt nicht übermäßig zurech¬
nungsfähig, ob die "Presse" je in diesen Zustand kommen wird, müssen wir abwarten; --
zweitens aber stehen wir zwar in heftiger Opposition gegen die octroyirte Verfassung, weil
*) Die Presse hat es wiederholt geltend gemacht, daß die Redaktionen für jeden aufgenom¬
menen Artikel verantwortlich sind.

mand, selbst durch den galizischen Bauer, übertroffen wird, so sehr
man sich auch Mühe gegeben, ihn in die Tendenzen einer gewissen Partei mit hinein¬
zuziehen. Dies die wahre, aus der Stimmung abgeleitete Stellung des Grenzvolkes
zu den Provinzialistm."

Welche Ansichten werden hier über Volksvertretung ausgesprochen! Jeder¬
mann außer dem Mitarbeiter der „Presse"*) weiß, daß die Bevölkerung der Grenze
nur allein aus Grenzern, Handelsleuten und Verwaltnngsoffi-
zieren besteht. Es ist also natürlich, daß auf den Landtag und anfeinen etwai¬
gen Reichstag nur solche geschickt werden können. Wenn nun die „Presse" keinen
Austand nimmt, der Bevölkerung eines Landes sammt ihren Vertretern Unfähig¬
keit, Haß und Rachsucht zuzumuthen, weil sie nicht centralistisch gesinnt sind, wenn
sie die „Redlichkeit" nur in dem Eingehen auf ihre Platte findet, so läßt es sich
schwer erklären, wie sie das mit konstitutionellen Grundsätzen in Einklang bringen
kann. Wenn sie den „Intelligenteren," welche freilich dort durchweg föderalistisch
deuten, den Weg in die Kammer abschneiden möchte, wenn sie den Banalrath
desavouirt, weil er „unbegreifleicher Weise" nicht ihrer Meinung ist, wenn sie
unter Loyalität das Ausgeben seiner innersten Ueberzeugung für die vorgefaßte
Meinung der Regierung versteht, wenn sie einerseits den Grenzer dem galizischen
Bauer an Unverstand gleichstellt, und weiter unter mit durchschossenen Let¬
tern die trostreiche Versicherung gibt, daß die „Intelligenteren" mit echt galizi-
scher Bauerntreue von den Grenzern selbst im Falle einer Meinungsdifferenz. mit
der Negierung bekämpft werden können — dann läßt es sich leicht ermessen, welche
Hoffnungen uns die konstitutionellen Ansichten der Presse in Aussicht stellen, be¬
sonders, wenn man die Thatsache vor Auge» hat, daß auch in einem Theile Böh¬
mens sowohl, als in Galizien, in Italien wie in Ungarn, in der Slovakai wie
in der Wojewodina die „Intelligenteren" föderalistisch gesinnt sind.

So spricht also die Repräsentantin der Centralisation von einem Lande, ohne
dessen vergossenes Blut das Haus Habsburg jetzt schon um eine Krone weniger be¬
säße. Eine solche Politik ist allerdings sehr praktisch, sie hat ihre Brauchbar¬
keit im Jahre 1846 in Galizien bewährt, aber sie ist nicht dauerhaft und vor Allem
nicht constitutionell. **)



**) Wir theilen diesen Artikel mit, weil er die Ansichten eines gebildeten Mannes aus
einer Gegend der östreichischen Monarchie darlegt, welche jetzt in eigenthümlicher Stellung zur
Regierung ist; wir machen aber zwei Bemerkungen dazu: erstens, daß die Politik der „Presse"
durch den Artikel nicht vollständig characterisirt wird, und daß es überhaupt nicht lohnt, ernst¬
haft viele Worte darüber zu machen. Die Journalistik Wiens ist jetzt nicht übermäßig zurech¬
nungsfähig, ob die „Presse" je in diesen Zustand kommen wird, müssen wir abwarten; —
zweitens aber stehen wir zwar in heftiger Opposition gegen die octroyirte Verfassung, weil
*) Die Presse hat es wiederholt geltend gemacht, daß die Redaktionen für jeden aufgenom¬
menen Artikel verantwortlich sind.
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[0388] mand, selbst durch den galizischen Bauer, übertroffen wird, so sehr man sich auch Mühe gegeben, ihn in die Tendenzen einer gewissen Partei mit hinein¬ zuziehen. Dies die wahre, aus der Stimmung abgeleitete Stellung des Grenzvolkes zu den Provinzialistm." Welche Ansichten werden hier über Volksvertretung ausgesprochen! Jeder¬ mann außer dem Mitarbeiter der „Presse"*) weiß, daß die Bevölkerung der Grenze nur allein aus Grenzern, Handelsleuten und Verwaltnngsoffi- zieren besteht. Es ist also natürlich, daß auf den Landtag und anfeinen etwai¬ gen Reichstag nur solche geschickt werden können. Wenn nun die „Presse" keinen Austand nimmt, der Bevölkerung eines Landes sammt ihren Vertretern Unfähig¬ keit, Haß und Rachsucht zuzumuthen, weil sie nicht centralistisch gesinnt sind, wenn sie die „Redlichkeit" nur in dem Eingehen auf ihre Platte findet, so läßt es sich schwer erklären, wie sie das mit konstitutionellen Grundsätzen in Einklang bringen kann. Wenn sie den „Intelligenteren," welche freilich dort durchweg föderalistisch deuten, den Weg in die Kammer abschneiden möchte, wenn sie den Banalrath desavouirt, weil er „unbegreifleicher Weise" nicht ihrer Meinung ist, wenn sie unter Loyalität das Ausgeben seiner innersten Ueberzeugung für die vorgefaßte Meinung der Regierung versteht, wenn sie einerseits den Grenzer dem galizischen Bauer an Unverstand gleichstellt, und weiter unter mit durchschossenen Let¬ tern die trostreiche Versicherung gibt, daß die „Intelligenteren" mit echt galizi- scher Bauerntreue von den Grenzern selbst im Falle einer Meinungsdifferenz. mit der Negierung bekämpft werden können — dann läßt es sich leicht ermessen, welche Hoffnungen uns die konstitutionellen Ansichten der Presse in Aussicht stellen, be¬ sonders, wenn man die Thatsache vor Auge» hat, daß auch in einem Theile Böh¬ mens sowohl, als in Galizien, in Italien wie in Ungarn, in der Slovakai wie in der Wojewodina die „Intelligenteren" föderalistisch gesinnt sind. So spricht also die Repräsentantin der Centralisation von einem Lande, ohne dessen vergossenes Blut das Haus Habsburg jetzt schon um eine Krone weniger be¬ säße. Eine solche Politik ist allerdings sehr praktisch, sie hat ihre Brauchbar¬ keit im Jahre 1846 in Galizien bewährt, aber sie ist nicht dauerhaft und vor Allem nicht constitutionell. **) *) Die Presse hat es wiederholt geltend gemacht, daß die Redaktionen für jeden aufgenom¬ menen Artikel verantwortlich sind. **) Wir theilen diesen Artikel mit, weil er die Ansichten eines gebildeten Mannes aus einer Gegend der östreichischen Monarchie darlegt, welche jetzt in eigenthümlicher Stellung zur Regierung ist; wir machen aber zwei Bemerkungen dazu: erstens, daß die Politik der „Presse" durch den Artikel nicht vollständig characterisirt wird, und daß es überhaupt nicht lohnt, ernst¬ haft viele Worte darüber zu machen. Die Journalistik Wiens ist jetzt nicht übermäßig zurech¬ nungsfähig, ob die „Presse" je in diesen Zustand kommen wird, müssen wir abwarten; — zweitens aber stehen wir zwar in heftiger Opposition gegen die octroyirte Verfassung, weil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/388>, abgerufen am 05.02.2025.