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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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ter Hoffnung einschließt. Wohl hat das Slaventhum dem modernen europäischen
Absolutismus die ersten und wichtigsten Dienste geleistet, aber mit der Einheit
anderer Nationen hat es auch seine geträumte Einigung zu Grabe getragen und
die slavischen Nationalcongresse fallen derselben Parze anheim, wie die verhaßten
Parlamente von Frankfurt und Debreczin. Nun wähnt der Bourgeois den Frie¬
den befestigt, das Vertrauen hergestellt, die Nuhe und Ordnung in Flor und die
Opposition mit der Wurzel ausgerottet, denn die Völker sind gedemüthigt, die
Magyaren bezwungen und alle republikanischen und föderalistischen Träume in ein
Nichts zerflossen; sieh! da erhebt sich wie ein letztes Fünkchen, das am Zunder
sich verspätet, das Land der Zivio's und ritterlichen Panduren, macht seine Oppo¬
sition ruft i'öftren, und der Bürgerausschuß vou Prag sagt als feierlichen Epilog
der Freiheit ein patriotisches Amen darauf.

Wir und die Slaven sind an einer bedeutungsvollen Crisis angelangt; wir
wissen es beiderseits; die Ordnung hat gesiegt, aber das Volk hat ver¬
loren. Und während wir die Nothwendigkeit einsehen lernen, daß die materiellen
Interessen der Gesellschaft im Interesse des monarchischen Princips über alle andern
in dieser Periode den Sieg davon tragen mußten, während wir mit blutendem
Herzen eine heldenmüthige Nation glorreichen Andenkens fallen sehen, welcher wir
leider anch den Sieg nicht wünschen konnten: so erinnern wir uns unwillkürlich
an die Opposition der Slaven und der Czechen, die in das Getriebe unserer Zeit
nachhaltig mit eingegriffen und zu diesem allgemeinen Ausgange das Meiste bei¬
getragen haben.

Wenn ich jetzt zurückdenke an die schönen Märztage des verflossenen Jahres,
wo die europäischen Nationen ihre Wiedergeburt zu feiern träumten, und an die
ersten Ausflüsse eines Freiheilsjubcls, der Alles zu verjüngen schien; wie ward
selbst ich Deutscher freudig bewegt durch die lebenskräftigen Erscheinungen des
durch Jahrhunderte verpuppten Nationalsinns, der damals befreit wie mit Schmet¬
terlingsflügeln die Blume des Czechenthums umschwärmte, und Honig aus ihrem
Kelche sog. Wohl ist es begeisternd, dieses Bewußtsein einer historischen Nation, wie
es auf den Einzelnen wirkt, ihn veredelnd und erhebend. Es ist etwas Großes,
wenn die Seele eines ganzen Volkes zum Menschen spricht, sein Geist umfaßt in
solchen Augenblicken Jahrtausende. Herrlicher, als sie je bestand, empfindet
der Enkel die Welt seiner Vorfahren, sie idealisirt sich ihm zu reiner Schön¬
heit; und alle idealen Gefühle, Vaterlandsliebe, Patriotismus hängen sich an
das heilige Ideal, das der Einzelne von seinem Stamm im Herzen trägt. Jeder
Zoll Heimath wird ihm eine Welt, jedes Blatt, das im Winde lispelt, jede Ranke,
jede Welle, jedes Sandkorn, Alles, was zur Heimath gehört, ist ihm theuer;
jedes Wort, von seinen gefeierten Landsleuten gesprochen, reiht er der glorreichen
Geschichte seines Volks an, und jeder vergossene Tropfen Blut gibt der vaterlän¬
dischen Erde neue Weihe und gesellt in seinem Gedächtnisse neue Helden zu den


ter Hoffnung einschließt. Wohl hat das Slaventhum dem modernen europäischen
Absolutismus die ersten und wichtigsten Dienste geleistet, aber mit der Einheit
anderer Nationen hat es auch seine geträumte Einigung zu Grabe getragen und
die slavischen Nationalcongresse fallen derselben Parze anheim, wie die verhaßten
Parlamente von Frankfurt und Debreczin. Nun wähnt der Bourgeois den Frie¬
den befestigt, das Vertrauen hergestellt, die Nuhe und Ordnung in Flor und die
Opposition mit der Wurzel ausgerottet, denn die Völker sind gedemüthigt, die
Magyaren bezwungen und alle republikanischen und föderalistischen Träume in ein
Nichts zerflossen; sieh! da erhebt sich wie ein letztes Fünkchen, das am Zunder
sich verspätet, das Land der Zivio's und ritterlichen Panduren, macht seine Oppo¬
sition ruft i'öftren, und der Bürgerausschuß vou Prag sagt als feierlichen Epilog
der Freiheit ein patriotisches Amen darauf.

Wir und die Slaven sind an einer bedeutungsvollen Crisis angelangt; wir
wissen es beiderseits; die Ordnung hat gesiegt, aber das Volk hat ver¬
loren. Und während wir die Nothwendigkeit einsehen lernen, daß die materiellen
Interessen der Gesellschaft im Interesse des monarchischen Princips über alle andern
in dieser Periode den Sieg davon tragen mußten, während wir mit blutendem
Herzen eine heldenmüthige Nation glorreichen Andenkens fallen sehen, welcher wir
leider anch den Sieg nicht wünschen konnten: so erinnern wir uns unwillkürlich
an die Opposition der Slaven und der Czechen, die in das Getriebe unserer Zeit
nachhaltig mit eingegriffen und zu diesem allgemeinen Ausgange das Meiste bei¬
getragen haben.

Wenn ich jetzt zurückdenke an die schönen Märztage des verflossenen Jahres,
wo die europäischen Nationen ihre Wiedergeburt zu feiern träumten, und an die
ersten Ausflüsse eines Freiheilsjubcls, der Alles zu verjüngen schien; wie ward
selbst ich Deutscher freudig bewegt durch die lebenskräftigen Erscheinungen des
durch Jahrhunderte verpuppten Nationalsinns, der damals befreit wie mit Schmet¬
terlingsflügeln die Blume des Czechenthums umschwärmte, und Honig aus ihrem
Kelche sog. Wohl ist es begeisternd, dieses Bewußtsein einer historischen Nation, wie
es auf den Einzelnen wirkt, ihn veredelnd und erhebend. Es ist etwas Großes,
wenn die Seele eines ganzen Volkes zum Menschen spricht, sein Geist umfaßt in
solchen Augenblicken Jahrtausende. Herrlicher, als sie je bestand, empfindet
der Enkel die Welt seiner Vorfahren, sie idealisirt sich ihm zu reiner Schön¬
heit; und alle idealen Gefühle, Vaterlandsliebe, Patriotismus hängen sich an
das heilige Ideal, das der Einzelne von seinem Stamm im Herzen trägt. Jeder
Zoll Heimath wird ihm eine Welt, jedes Blatt, das im Winde lispelt, jede Ranke,
jede Welle, jedes Sandkorn, Alles, was zur Heimath gehört, ist ihm theuer;
jedes Wort, von seinen gefeierten Landsleuten gesprochen, reiht er der glorreichen
Geschichte seines Volks an, und jeder vergossene Tropfen Blut gibt der vaterlän¬
dischen Erde neue Weihe und gesellt in seinem Gedächtnisse neue Helden zu den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/376>, abgerufen am 05.02.2025.