Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ohnmächtig zusammen, ein Bild des Todes. Doch in demselben Augenblicke steht
auch das verfolgende Doppelthier still und starr wie aus Stein gegossen. Eine
Sekunde -- und der Csiküs hat sich vom Rücken seines Pferdes auf den Boden
geworfen und indem er den Leib nach rückwärts beugt, um die Schlinge straff
zu erhalten, saßt er die Schnur abwechselnd mit der rechten und linken Hand
immer kürzer und kürzer und windet sich an derselben immer näher und näher
dem keuchenden Pferde, und stellt sich endlich mit beiden Beinen quer über das
dahingeworfene Thier. Jetzt erst läßt er die Schlinge sachte nach, um deu Geguer
zu Athem kommen zu lassen, und kaum fühlt das Thier wieder Lebensluft durch
seine Lungen rieseln, so springt es auf und fort geht es im rasenden Lauf, als
könnte es dem Feinde noch entrinnen. Der aber ist schon Bein von seinem Beine
und Fleisch von seinem Fleische, der sitzt ihm festgewachsen auf dem Nacken und
läßt ihm seine Kraft nach Belieben fühlen, je nachdem er die Schnur mehr oder
weniger straff anspannt. Zum zweiten Mal sinkt das todtgehctzte Roß zu Boden
und rafft sich wieder ans und stürzt wieder zusammen, bis es seine Glieder vor
Mattigkeit nicht mehr rühren kann. Das zahme Pferd des CsMs ist mittlerweile
ins Dorf zurückgerauut, oder folgt seinem Herrn treu wie ein Hund. Das er¬
beutete wilde Roß ist aber uach wenigen Stunden mürbe genug, um sich lenken
zu lassen und nach Hause geführt zu. werden. Hier wird erst für seine weitere
Ausbildung gesorgt, es verliert seine Zvttelhaare und den scheuen Blick, wird
fügsam und sanft, lernt den Reiter und den Sattel tragen, k"rz -- gelangt von
dem Zustande, in welchem es am sechsten Schöpfungstage in die Welt gesetzt
wurde, ans je>'e Bildungsstufe, welche es nach den Borstellnugen der Menschen
in der Gesellschaft einzunehmen berufen ist.

Daß eine solche Pferdejagd nicht ohne Gefahr ist, wird ans der flüchtigen
Beschreibung derselbe" leicht ersichtlich. Sie erfordert unendlich viel Ausdauer
und Gewandheit, einen Niesenarm und einen Riesenleib, einen nicht gewöhnlichen
Muth und die außerordentlichste Nciterümst. Aber je größer die Gefahr, desto
lockender der Sieg. Ein kühner Csitäs ist respektirt ans der Hatte, wie ein tüch¬
tiger Gemsenjäger im Gebirge. Und dann wird er ja auch bezahlt für seiue
Mühe -- jährlich ein Hemd, ein Paar lmicne Hosen, freie Kost und Wohnung,
um Fäßchen Wem obendrein und zwei Gulden, sage zwei Gulden Wiener
Währung jährliche Löhnung baar ans die Hand. Das ist keine Kleinigkeit!'.
Dabei verdient er sich hin und wieder etwas im Dorfe beim Pferdehandel, er¬
beutet sich ein Stück Geld vou einem Pferdediebe, deu er erwischt und todtge-
schlagen hat, oder wenn ihm das uicht gelingt, stiehlt er selber ein Pferd und
verkauf'es - ob, der Maun ist zum Betteln nicht geboren.

Ich habe in deutschen Zeitungen gelesen, daß an 40,000 solcher Csikuse im
"nganschcu Heere dienen. Dem muß ich anf's Entschiedenste widerspreche". Die
Zahl ist jedenfalls übertrieben. Aber daß ein paar Tausend solcher verwegener


ohnmächtig zusammen, ein Bild des Todes. Doch in demselben Augenblicke steht
auch das verfolgende Doppelthier still und starr wie aus Stein gegossen. Eine
Sekunde — und der Csiküs hat sich vom Rücken seines Pferdes auf den Boden
geworfen und indem er den Leib nach rückwärts beugt, um die Schlinge straff
zu erhalten, saßt er die Schnur abwechselnd mit der rechten und linken Hand
immer kürzer und kürzer und windet sich an derselben immer näher und näher
dem keuchenden Pferde, und stellt sich endlich mit beiden Beinen quer über das
dahingeworfene Thier. Jetzt erst läßt er die Schlinge sachte nach, um deu Geguer
zu Athem kommen zu lassen, und kaum fühlt das Thier wieder Lebensluft durch
seine Lungen rieseln, so springt es auf und fort geht es im rasenden Lauf, als
könnte es dem Feinde noch entrinnen. Der aber ist schon Bein von seinem Beine
und Fleisch von seinem Fleische, der sitzt ihm festgewachsen auf dem Nacken und
läßt ihm seine Kraft nach Belieben fühlen, je nachdem er die Schnur mehr oder
weniger straff anspannt. Zum zweiten Mal sinkt das todtgehctzte Roß zu Boden
und rafft sich wieder ans und stürzt wieder zusammen, bis es seine Glieder vor
Mattigkeit nicht mehr rühren kann. Das zahme Pferd des CsMs ist mittlerweile
ins Dorf zurückgerauut, oder folgt seinem Herrn treu wie ein Hund. Das er¬
beutete wilde Roß ist aber uach wenigen Stunden mürbe genug, um sich lenken
zu lassen und nach Hause geführt zu. werden. Hier wird erst für seine weitere
Ausbildung gesorgt, es verliert seine Zvttelhaare und den scheuen Blick, wird
fügsam und sanft, lernt den Reiter und den Sattel tragen, k»rz — gelangt von
dem Zustande, in welchem es am sechsten Schöpfungstage in die Welt gesetzt
wurde, ans je>'e Bildungsstufe, welche es nach den Borstellnugen der Menschen
in der Gesellschaft einzunehmen berufen ist.

Daß eine solche Pferdejagd nicht ohne Gefahr ist, wird ans der flüchtigen
Beschreibung derselbe» leicht ersichtlich. Sie erfordert unendlich viel Ausdauer
und Gewandheit, einen Niesenarm und einen Riesenleib, einen nicht gewöhnlichen
Muth und die außerordentlichste Nciterümst. Aber je größer die Gefahr, desto
lockender der Sieg. Ein kühner Csitäs ist respektirt ans der Hatte, wie ein tüch¬
tiger Gemsenjäger im Gebirge. Und dann wird er ja auch bezahlt für seiue
Mühe — jährlich ein Hemd, ein Paar lmicne Hosen, freie Kost und Wohnung,
um Fäßchen Wem obendrein und zwei Gulden, sage zwei Gulden Wiener
Währung jährliche Löhnung baar ans die Hand. Das ist keine Kleinigkeit!'.
Dabei verdient er sich hin und wieder etwas im Dorfe beim Pferdehandel, er¬
beutet sich ein Stück Geld vou einem Pferdediebe, deu er erwischt und todtge-
schlagen hat, oder wenn ihm das uicht gelingt, stiehlt er selber ein Pferd und
verkauf'es - ob, der Maun ist zum Betteln nicht geboren.

Ich habe in deutschen Zeitungen gelesen, daß an 40,000 solcher Csikuse im
»nganschcu Heere dienen. Dem muß ich anf's Entschiedenste widerspreche». Die
Zahl ist jedenfalls übertrieben. Aber daß ein paar Tausend solcher verwegener


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279063"/>
            <p xml:id="ID_89" prev="#ID_88"> ohnmächtig zusammen, ein Bild des Todes. Doch in demselben Augenblicke steht<lb/>
auch das verfolgende Doppelthier still und starr wie aus Stein gegossen. Eine<lb/>
Sekunde &#x2014; und der Csiküs hat sich vom Rücken seines Pferdes auf den Boden<lb/>
geworfen und indem er den Leib nach rückwärts beugt, um die Schlinge straff<lb/>
zu erhalten, saßt er die Schnur abwechselnd mit der rechten und linken Hand<lb/>
immer kürzer und kürzer und windet sich an derselben immer näher und näher<lb/>
dem keuchenden Pferde, und stellt sich endlich mit beiden Beinen quer über das<lb/>
dahingeworfene Thier. Jetzt erst läßt er die Schlinge sachte nach, um deu Geguer<lb/>
zu Athem kommen zu lassen, und kaum fühlt das Thier wieder Lebensluft durch<lb/>
seine Lungen rieseln, so springt es auf und fort geht es im rasenden Lauf, als<lb/>
könnte es dem Feinde noch entrinnen. Der aber ist schon Bein von seinem Beine<lb/>
und Fleisch von seinem Fleische, der sitzt ihm festgewachsen auf dem Nacken und<lb/>
läßt ihm seine Kraft nach Belieben fühlen, je nachdem er die Schnur mehr oder<lb/>
weniger straff anspannt. Zum zweiten Mal sinkt das todtgehctzte Roß zu Boden<lb/>
und rafft sich wieder ans und stürzt wieder zusammen, bis es seine Glieder vor<lb/>
Mattigkeit nicht mehr rühren kann. Das zahme Pferd des CsMs ist mittlerweile<lb/>
ins Dorf zurückgerauut, oder folgt seinem Herrn treu wie ein Hund. Das er¬<lb/>
beutete wilde Roß ist aber uach wenigen Stunden mürbe genug, um sich lenken<lb/>
zu lassen und nach Hause geführt zu. werden. Hier wird erst für seine weitere<lb/>
Ausbildung gesorgt, es verliert seine Zvttelhaare und den scheuen Blick, wird<lb/>
fügsam und sanft, lernt den Reiter und den Sattel tragen, k»rz &#x2014; gelangt von<lb/>
dem Zustande, in welchem es am sechsten Schöpfungstage in die Welt gesetzt<lb/>
wurde, ans je&gt;'e Bildungsstufe, welche es nach den Borstellnugen der Menschen<lb/>
in der Gesellschaft einzunehmen berufen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_90"> Daß eine solche Pferdejagd nicht ohne Gefahr ist, wird ans der flüchtigen<lb/>
Beschreibung derselbe» leicht ersichtlich. Sie erfordert unendlich viel Ausdauer<lb/>
und Gewandheit, einen Niesenarm und einen Riesenleib, einen nicht gewöhnlichen<lb/>
Muth und die außerordentlichste Nciterümst. Aber je größer die Gefahr, desto<lb/>
lockender der Sieg. Ein kühner Csitäs ist respektirt ans der Hatte, wie ein tüch¬<lb/>
tiger Gemsenjäger im Gebirge. Und dann wird er ja auch bezahlt für seiue<lb/>
Mühe &#x2014; jährlich ein Hemd, ein Paar lmicne Hosen, freie Kost und Wohnung,<lb/>
um Fäßchen Wem obendrein und zwei Gulden, sage zwei Gulden Wiener<lb/>
Währung jährliche Löhnung baar ans die Hand. Das ist keine Kleinigkeit!'.<lb/>
Dabei verdient er sich hin und wieder etwas im Dorfe beim Pferdehandel, er¬<lb/>
beutet sich ein Stück Geld vou einem Pferdediebe, deu er erwischt und todtge-<lb/>
schlagen hat, oder wenn ihm das uicht gelingt, stiehlt er selber ein Pferd und<lb/>
verkauf'es - ob, der Maun ist zum Betteln nicht geboren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_91" next="#ID_92"> Ich habe in deutschen Zeitungen gelesen, daß an 40,000 solcher Csikuse im<lb/>
»nganschcu Heere dienen. Dem muß ich anf's Entschiedenste widerspreche». Die<lb/>
Zahl ist jedenfalls übertrieben. Aber daß ein paar Tausend solcher verwegener</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] ohnmächtig zusammen, ein Bild des Todes. Doch in demselben Augenblicke steht auch das verfolgende Doppelthier still und starr wie aus Stein gegossen. Eine Sekunde — und der Csiküs hat sich vom Rücken seines Pferdes auf den Boden geworfen und indem er den Leib nach rückwärts beugt, um die Schlinge straff zu erhalten, saßt er die Schnur abwechselnd mit der rechten und linken Hand immer kürzer und kürzer und windet sich an derselben immer näher und näher dem keuchenden Pferde, und stellt sich endlich mit beiden Beinen quer über das dahingeworfene Thier. Jetzt erst läßt er die Schlinge sachte nach, um deu Geguer zu Athem kommen zu lassen, und kaum fühlt das Thier wieder Lebensluft durch seine Lungen rieseln, so springt es auf und fort geht es im rasenden Lauf, als könnte es dem Feinde noch entrinnen. Der aber ist schon Bein von seinem Beine und Fleisch von seinem Fleische, der sitzt ihm festgewachsen auf dem Nacken und läßt ihm seine Kraft nach Belieben fühlen, je nachdem er die Schnur mehr oder weniger straff anspannt. Zum zweiten Mal sinkt das todtgehctzte Roß zu Boden und rafft sich wieder ans und stürzt wieder zusammen, bis es seine Glieder vor Mattigkeit nicht mehr rühren kann. Das zahme Pferd des CsMs ist mittlerweile ins Dorf zurückgerauut, oder folgt seinem Herrn treu wie ein Hund. Das er¬ beutete wilde Roß ist aber uach wenigen Stunden mürbe genug, um sich lenken zu lassen und nach Hause geführt zu. werden. Hier wird erst für seine weitere Ausbildung gesorgt, es verliert seine Zvttelhaare und den scheuen Blick, wird fügsam und sanft, lernt den Reiter und den Sattel tragen, k»rz — gelangt von dem Zustande, in welchem es am sechsten Schöpfungstage in die Welt gesetzt wurde, ans je>'e Bildungsstufe, welche es nach den Borstellnugen der Menschen in der Gesellschaft einzunehmen berufen ist. Daß eine solche Pferdejagd nicht ohne Gefahr ist, wird ans der flüchtigen Beschreibung derselbe» leicht ersichtlich. Sie erfordert unendlich viel Ausdauer und Gewandheit, einen Niesenarm und einen Riesenleib, einen nicht gewöhnlichen Muth und die außerordentlichste Nciterümst. Aber je größer die Gefahr, desto lockender der Sieg. Ein kühner Csitäs ist respektirt ans der Hatte, wie ein tüch¬ tiger Gemsenjäger im Gebirge. Und dann wird er ja auch bezahlt für seiue Mühe — jährlich ein Hemd, ein Paar lmicne Hosen, freie Kost und Wohnung, um Fäßchen Wem obendrein und zwei Gulden, sage zwei Gulden Wiener Währung jährliche Löhnung baar ans die Hand. Das ist keine Kleinigkeit!'. Dabei verdient er sich hin und wieder etwas im Dorfe beim Pferdehandel, er¬ beutet sich ein Stück Geld vou einem Pferdediebe, deu er erwischt und todtge- schlagen hat, oder wenn ihm das uicht gelingt, stiehlt er selber ein Pferd und verkauf'es - ob, der Maun ist zum Betteln nicht geboren. Ich habe in deutschen Zeitungen gelesen, daß an 40,000 solcher Csikuse im »nganschcu Heere dienen. Dem muß ich anf's Entschiedenste widerspreche». Die Zahl ist jedenfalls übertrieben. Aber daß ein paar Tausend solcher verwegener

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/37
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/37>, abgerufen am 05.02.2025.