Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Vielleicht die Csikase?"

"Von diesen hab' ich gehört. Sollen gute Reiter sein."

"Reiter? -- Teufel sind alle, mal aller comte. Ihr Kaiser macht mei¬
nen jungen Herrn eben auf den schönen Nacken unsers v!" -V vis aufmerksam.
Indessen kann ich Ihnen dieses Volk in Eile schildern. --

Wir aber wollen die Schilderung des Fürsten Schwarzenberg hier nicht wie¬
dergeben. Die war, aus diplomatischen Gründen, so abenteuerlich und über¬
trieben, als dMirte er sie einem nltrademokratischen Redacteur für sein Feuilleton
in die Feder. Der Csitvs soll hier aus historischen Rücksichten einfach so ge¬
schildert werden, wie er ist.

Der Csittts ist ein Mensch, dem bei der Geburt zufällig ein Fohlen zwischen
die Beine gerathen ist. Auf dem Rücken dieses Fodiens bleibt der Knabe instinkt¬
mäßig sitzen, und wird auf demselben groß, wie andere Menschenkinder in der
Wiege. O sehen Sie mich doch uicht so ungläubig an! - Dem Sohne Na¬
poleons siel bei seiner Geburt die Königskrone von Rom auf den Kopf, und doch
ist er groß und schlank geworden. Möchten Sie als zärtlicher Vater Ihrem Kinde
bei der Geburt nicht viel lieber ein Pferd zwischen die Beine, als eine Krone auf
deu Kopf drücken? --

Der junge Esiküs fühlt sich in seiner Wiege bald heimisch. Ob er Ammen- oder
Pferdemilch genießt, darüber sind die Naturforscher" noch uicht einig. So weit meine
Untersuchungen ans diesem Gebiete reichen, nährt er sich gleich nach der Geburt von
Speck und Brot. Aus dem kleinen Jungen wird allmälig ein großer Noßhirt.
Er tritt, um sich seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, in die Dienste eines Edel¬
manns oder der Regierung, welche in Ungarn ausgedehnte wilde Pferdegestüte
besitzt. Diese nehmen einen Raum von vielen Q-uadrat-ucilen ein, größtentheils
ebene Flächen mit Wald, Sumpf, Haide- und Moorgrund. Daselbst streifen
große Heerden frei herum, vermehren sich und freuen sich ihres Daseins. Nichts¬
destoweniger ist es ein weit verbreiteter Irrthum, daß diese Pferde wie Rudel
Wölfe im Gebirge sich selbst und der Natur ohne weitere Aufsicht überlassen sind.
Gänzlich wilde Pferde findet man, was Europa anbetrifft, heut zu Tage blos
in Beßarabien. Das sogenannte wilde Gestüt in Ungarn dagegen gleicht zumeist
unsern Thiergärten, in denen das Wild gehegt und überwacht wird. Den Rehen
und Hirschen läßt man gerne die Illusion, als befanden sie sich im Genusse der
uugemcssensten Freiheit, und der Jäger gibt sich, wenn er auf den Anstand geht,
gerne derselben Täuschung hiu. Oder wollen Sie einen politischen Vergleich?
Dann denken Sie sich einen gut eingerichteten freien Staat, gleichviel ob Republik
oder Monarchie. --

Der Csik.'>s hat das schwierige Amt, auf die Heerden ein wachsames Auge
zu haben. Er kennt ihre Stärke, ihre Standorte, er kennt das Alter eines jeden
Fodiens und weiß, wenn es zur Zähmung tauglich und ans der Heerde heraus-


4"

„Vielleicht die Csikase?"

„Von diesen hab' ich gehört. Sollen gute Reiter sein."

„Reiter? — Teufel sind alle, mal aller comte. Ihr Kaiser macht mei¬
nen jungen Herrn eben auf den schönen Nacken unsers v!« -V vis aufmerksam.
Indessen kann ich Ihnen dieses Volk in Eile schildern. —

Wir aber wollen die Schilderung des Fürsten Schwarzenberg hier nicht wie¬
dergeben. Die war, aus diplomatischen Gründen, so abenteuerlich und über¬
trieben, als dMirte er sie einem nltrademokratischen Redacteur für sein Feuilleton
in die Feder. Der Csitvs soll hier aus historischen Rücksichten einfach so ge¬
schildert werden, wie er ist.

Der Csittts ist ein Mensch, dem bei der Geburt zufällig ein Fohlen zwischen
die Beine gerathen ist. Auf dem Rücken dieses Fodiens bleibt der Knabe instinkt¬
mäßig sitzen, und wird auf demselben groß, wie andere Menschenkinder in der
Wiege. O sehen Sie mich doch uicht so ungläubig an! - Dem Sohne Na¬
poleons siel bei seiner Geburt die Königskrone von Rom auf den Kopf, und doch
ist er groß und schlank geworden. Möchten Sie als zärtlicher Vater Ihrem Kinde
bei der Geburt nicht viel lieber ein Pferd zwischen die Beine, als eine Krone auf
deu Kopf drücken? —

Der junge Esiküs fühlt sich in seiner Wiege bald heimisch. Ob er Ammen- oder
Pferdemilch genießt, darüber sind die Naturforscher» noch uicht einig. So weit meine
Untersuchungen ans diesem Gebiete reichen, nährt er sich gleich nach der Geburt von
Speck und Brot. Aus dem kleinen Jungen wird allmälig ein großer Noßhirt.
Er tritt, um sich seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, in die Dienste eines Edel¬
manns oder der Regierung, welche in Ungarn ausgedehnte wilde Pferdegestüte
besitzt. Diese nehmen einen Raum von vielen Q-uadrat-ucilen ein, größtentheils
ebene Flächen mit Wald, Sumpf, Haide- und Moorgrund. Daselbst streifen
große Heerden frei herum, vermehren sich und freuen sich ihres Daseins. Nichts¬
destoweniger ist es ein weit verbreiteter Irrthum, daß diese Pferde wie Rudel
Wölfe im Gebirge sich selbst und der Natur ohne weitere Aufsicht überlassen sind.
Gänzlich wilde Pferde findet man, was Europa anbetrifft, heut zu Tage blos
in Beßarabien. Das sogenannte wilde Gestüt in Ungarn dagegen gleicht zumeist
unsern Thiergärten, in denen das Wild gehegt und überwacht wird. Den Rehen
und Hirschen läßt man gerne die Illusion, als befanden sie sich im Genusse der
uugemcssensten Freiheit, und der Jäger gibt sich, wenn er auf den Anstand geht,
gerne derselben Täuschung hiu. Oder wollen Sie einen politischen Vergleich?
Dann denken Sie sich einen gut eingerichteten freien Staat, gleichviel ob Republik
oder Monarchie. —

Der Csik.'>s hat das schwierige Amt, auf die Heerden ein wachsames Auge
zu haben. Er kennt ihre Stärke, ihre Standorte, er kennt das Alter eines jeden
Fodiens und weiß, wenn es zur Zähmung tauglich und ans der Heerde heraus-


4"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279061"/>
            <p xml:id="ID_78"> &#x201E;Vielleicht die Csikase?"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_79"> &#x201E;Von diesen hab' ich gehört. Sollen gute Reiter sein."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_80"> &#x201E;Reiter? &#x2014; Teufel sind alle, mal aller comte. Ihr Kaiser macht mei¬<lb/>
nen jungen Herrn eben auf den schönen Nacken unsers v!« -V vis aufmerksam.<lb/>
Indessen kann ich Ihnen dieses Volk in Eile schildern. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_81"> Wir aber wollen die Schilderung des Fürsten Schwarzenberg hier nicht wie¬<lb/>
dergeben. Die war, aus diplomatischen Gründen, so abenteuerlich und über¬<lb/>
trieben, als dMirte er sie einem nltrademokratischen Redacteur für sein Feuilleton<lb/>
in die Feder. Der Csitvs soll hier aus historischen Rücksichten einfach so ge¬<lb/>
schildert werden, wie er ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_82"> Der Csittts ist ein Mensch, dem bei der Geburt zufällig ein Fohlen zwischen<lb/>
die Beine gerathen ist. Auf dem Rücken dieses Fodiens bleibt der Knabe instinkt¬<lb/>
mäßig sitzen, und wird auf demselben groß, wie andere Menschenkinder in der<lb/>
Wiege. O sehen Sie mich doch uicht so ungläubig an! - Dem Sohne Na¬<lb/>
poleons siel bei seiner Geburt die Königskrone von Rom auf den Kopf, und doch<lb/>
ist er groß und schlank geworden. Möchten Sie als zärtlicher Vater Ihrem Kinde<lb/>
bei der Geburt nicht viel lieber ein Pferd zwischen die Beine, als eine Krone auf<lb/>
deu Kopf drücken? &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_83"> Der junge Esiküs fühlt sich in seiner Wiege bald heimisch. Ob er Ammen- oder<lb/>
Pferdemilch genießt, darüber sind die Naturforscher» noch uicht einig. So weit meine<lb/>
Untersuchungen ans diesem Gebiete reichen, nährt er sich gleich nach der Geburt von<lb/>
Speck und Brot. Aus dem kleinen Jungen wird allmälig ein großer Noßhirt.<lb/>
Er tritt, um sich seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, in die Dienste eines Edel¬<lb/>
manns oder der Regierung, welche in Ungarn ausgedehnte wilde Pferdegestüte<lb/>
besitzt. Diese nehmen einen Raum von vielen Q-uadrat-ucilen ein, größtentheils<lb/>
ebene Flächen mit Wald, Sumpf, Haide- und Moorgrund. Daselbst streifen<lb/>
große Heerden frei herum, vermehren sich und freuen sich ihres Daseins. Nichts¬<lb/>
destoweniger ist es ein weit verbreiteter Irrthum, daß diese Pferde wie Rudel<lb/>
Wölfe im Gebirge sich selbst und der Natur ohne weitere Aufsicht überlassen sind.<lb/>
Gänzlich wilde Pferde findet man, was Europa anbetrifft, heut zu Tage blos<lb/>
in Beßarabien. Das sogenannte wilde Gestüt in Ungarn dagegen gleicht zumeist<lb/>
unsern Thiergärten, in denen das Wild gehegt und überwacht wird. Den Rehen<lb/>
und Hirschen läßt man gerne die Illusion, als befanden sie sich im Genusse der<lb/>
uugemcssensten Freiheit, und der Jäger gibt sich, wenn er auf den Anstand geht,<lb/>
gerne derselben Täuschung hiu. Oder wollen Sie einen politischen Vergleich?<lb/>
Dann denken Sie sich einen gut eingerichteten freien Staat, gleichviel ob Republik<lb/>
oder Monarchie. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_84" next="#ID_85"> Der Csik.'&gt;s hat das schwierige Amt, auf die Heerden ein wachsames Auge<lb/>
zu haben. Er kennt ihre Stärke, ihre Standorte, er kennt das Alter eines jeden<lb/>
Fodiens und weiß, wenn es zur Zähmung tauglich und ans der Heerde heraus-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 4"</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] „Vielleicht die Csikase?" „Von diesen hab' ich gehört. Sollen gute Reiter sein." „Reiter? — Teufel sind alle, mal aller comte. Ihr Kaiser macht mei¬ nen jungen Herrn eben auf den schönen Nacken unsers v!« -V vis aufmerksam. Indessen kann ich Ihnen dieses Volk in Eile schildern. — Wir aber wollen die Schilderung des Fürsten Schwarzenberg hier nicht wie¬ dergeben. Die war, aus diplomatischen Gründen, so abenteuerlich und über¬ trieben, als dMirte er sie einem nltrademokratischen Redacteur für sein Feuilleton in die Feder. Der Csitvs soll hier aus historischen Rücksichten einfach so ge¬ schildert werden, wie er ist. Der Csittts ist ein Mensch, dem bei der Geburt zufällig ein Fohlen zwischen die Beine gerathen ist. Auf dem Rücken dieses Fodiens bleibt der Knabe instinkt¬ mäßig sitzen, und wird auf demselben groß, wie andere Menschenkinder in der Wiege. O sehen Sie mich doch uicht so ungläubig an! - Dem Sohne Na¬ poleons siel bei seiner Geburt die Königskrone von Rom auf den Kopf, und doch ist er groß und schlank geworden. Möchten Sie als zärtlicher Vater Ihrem Kinde bei der Geburt nicht viel lieber ein Pferd zwischen die Beine, als eine Krone auf deu Kopf drücken? — Der junge Esiküs fühlt sich in seiner Wiege bald heimisch. Ob er Ammen- oder Pferdemilch genießt, darüber sind die Naturforscher» noch uicht einig. So weit meine Untersuchungen ans diesem Gebiete reichen, nährt er sich gleich nach der Geburt von Speck und Brot. Aus dem kleinen Jungen wird allmälig ein großer Noßhirt. Er tritt, um sich seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, in die Dienste eines Edel¬ manns oder der Regierung, welche in Ungarn ausgedehnte wilde Pferdegestüte besitzt. Diese nehmen einen Raum von vielen Q-uadrat-ucilen ein, größtentheils ebene Flächen mit Wald, Sumpf, Haide- und Moorgrund. Daselbst streifen große Heerden frei herum, vermehren sich und freuen sich ihres Daseins. Nichts¬ destoweniger ist es ein weit verbreiteter Irrthum, daß diese Pferde wie Rudel Wölfe im Gebirge sich selbst und der Natur ohne weitere Aufsicht überlassen sind. Gänzlich wilde Pferde findet man, was Europa anbetrifft, heut zu Tage blos in Beßarabien. Das sogenannte wilde Gestüt in Ungarn dagegen gleicht zumeist unsern Thiergärten, in denen das Wild gehegt und überwacht wird. Den Rehen und Hirschen läßt man gerne die Illusion, als befanden sie sich im Genusse der uugemcssensten Freiheit, und der Jäger gibt sich, wenn er auf den Anstand geht, gerne derselben Täuschung hiu. Oder wollen Sie einen politischen Vergleich? Dann denken Sie sich einen gut eingerichteten freien Staat, gleichviel ob Republik oder Monarchie. — Der Csik.'>s hat das schwierige Amt, auf die Heerden ein wachsames Auge zu haben. Er kennt ihre Stärke, ihre Standorte, er kennt das Alter eines jeden Fodiens und weiß, wenn es zur Zähmung tauglich und ans der Heerde heraus- 4"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/35>, abgerufen am 05.02.2025.