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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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werde. Er stellte es übrigens auf das bestimmteste in Abrede, daß man auf eine Ab¬
setzung der bestehenden Behörden ausgegangen sei. Die Commission war damit
nicht befriedigt. Sie erklärte sich zwar damit einverstanden, daß man Civita
Vechia, allenfalls mit Gewalt, besetzt habe, weiter aber hätte man nicht gehen,
man hätte die Ereignisse abwarten, und nur zur Abwehr einer fremden, reactionä-
ren Intervention die Expedition fortsetzen sollen. Da also "die weitere Richtung,
welche der Expedition gegeben war, ihrem ursprünglichen Zweck nicht entsprach,"
so beschloß die Versammlung, mit 338 : 241 Se., die Regierung aufzufordern,
unverzüglich Maßregeln zu treffen, damit die Expedition nicht länger ihren ur¬
sprünglichen Zweck entfremdet würde. (7. Mai).

Das Mißtrauensvotum war so bestimmt als möglich, allein es verlor an Ge¬
wicht, wenn man in Erwägung zog, daß die Nationalversammlung nicht mehr der
Ausdruck Frankreichs war. Die Wahl des Präsidenten hatte gezeigt, wie wenig
die "honette" Republik im Volke Wurzel geschlagen habe. Die Zeit der Consti¬
tuante war abgelaufen, auf den 13. Mai standen die Wahlen bevor, und es
konnte wenig Zweifel darüber sein, in welchem Sinn dieselben ausfallen würden.

Dennoch durfte sich das Ministerium gegen ein so energisches Votum der bis¬
her anerkannten Volksvertretung nicht in directe Opposition setzen; es hatte nichts zu
thun, als zu temporisiren. Der Conseilsprästdcut machte (9. Mai) die Anzeige,
daß man einen bekannten Liberalen, Hrn. von Lessep s, nach Rom beordert habe,
um die Sache in's Gleiche zu bringen. In der schriftlichen Instruction, die dem¬
selben ertheilt wurde, war folgendes enthalten. "Was im Anfang der Expedition
vorgefallen ist, scheint geeignet, eine Frage zu compliciren, die zuerst sehr einfach
aussah. Die Regierung hat sich deshalb veranlaßt gesehen, zur Seite des militäri¬
schen Chefs einen diplomatischen Agenten zu stellen, der sich ausschließlich mit den
Unterhandlungen und Beziehungen zu deu Behörden und dein Volk von Rom zu
beschäftigen habe. Unser Zweck ist der doppelte: den Kirchenstaat von der Anar¬
chie zu befreien, und zu hindern, daß die Wiederherstellung einer regelmäßigen
Gewalt durch eine blinde Reaction entstellt werde. Das letztere wird um so leich¬
ter, je schneller unsere Intervention andern, minder gemäßigten zuvorkommt. In
der Bemühung, dieses Resultat zu erreichen, haben Sie zweierlei zu vermeiden:
alles, was die jetzige" Gewalthaber glauben lassen kann, daß wir sie für eine
regelmäßige Regierung ansehn; nud alles, was bei den Unterhandlungen mit den¬
selben die Empfindlichkeit des heiligen Stuhls verletzen kann." Nähere Jnstruc-
tionen wurden nicht ertheilt, weil man über das Factische nicht die gehörigen
Aufschlüsse habe; doch wurde LcssepS empfohlen, in allen Schritten mit dem com-
mandirenden General und den Bevollmächtigten beim Papst und bei Neapel, Hrn. v.
Harcourt und v. Nayntval sich im Einverständniß zu halten. Der Präsident der Re¬
publik fügte noch die Bemerkung hinzu, daß mau es um jeden Preis verhüten
müsse, die östreichische und neapolitanische Intervention mit der französischen ge-


werde. Er stellte es übrigens auf das bestimmteste in Abrede, daß man auf eine Ab¬
setzung der bestehenden Behörden ausgegangen sei. Die Commission war damit
nicht befriedigt. Sie erklärte sich zwar damit einverstanden, daß man Civita
Vechia, allenfalls mit Gewalt, besetzt habe, weiter aber hätte man nicht gehen,
man hätte die Ereignisse abwarten, und nur zur Abwehr einer fremden, reactionä-
ren Intervention die Expedition fortsetzen sollen. Da also „die weitere Richtung,
welche der Expedition gegeben war, ihrem ursprünglichen Zweck nicht entsprach,"
so beschloß die Versammlung, mit 338 : 241 Se., die Regierung aufzufordern,
unverzüglich Maßregeln zu treffen, damit die Expedition nicht länger ihren ur¬
sprünglichen Zweck entfremdet würde. (7. Mai).

Das Mißtrauensvotum war so bestimmt als möglich, allein es verlor an Ge¬
wicht, wenn man in Erwägung zog, daß die Nationalversammlung nicht mehr der
Ausdruck Frankreichs war. Die Wahl des Präsidenten hatte gezeigt, wie wenig
die „honette" Republik im Volke Wurzel geschlagen habe. Die Zeit der Consti¬
tuante war abgelaufen, auf den 13. Mai standen die Wahlen bevor, und es
konnte wenig Zweifel darüber sein, in welchem Sinn dieselben ausfallen würden.

Dennoch durfte sich das Ministerium gegen ein so energisches Votum der bis¬
her anerkannten Volksvertretung nicht in directe Opposition setzen; es hatte nichts zu
thun, als zu temporisiren. Der Conseilsprästdcut machte (9. Mai) die Anzeige,
daß man einen bekannten Liberalen, Hrn. von Lessep s, nach Rom beordert habe,
um die Sache in's Gleiche zu bringen. In der schriftlichen Instruction, die dem¬
selben ertheilt wurde, war folgendes enthalten. „Was im Anfang der Expedition
vorgefallen ist, scheint geeignet, eine Frage zu compliciren, die zuerst sehr einfach
aussah. Die Regierung hat sich deshalb veranlaßt gesehen, zur Seite des militäri¬
schen Chefs einen diplomatischen Agenten zu stellen, der sich ausschließlich mit den
Unterhandlungen und Beziehungen zu deu Behörden und dein Volk von Rom zu
beschäftigen habe. Unser Zweck ist der doppelte: den Kirchenstaat von der Anar¬
chie zu befreien, und zu hindern, daß die Wiederherstellung einer regelmäßigen
Gewalt durch eine blinde Reaction entstellt werde. Das letztere wird um so leich¬
ter, je schneller unsere Intervention andern, minder gemäßigten zuvorkommt. In
der Bemühung, dieses Resultat zu erreichen, haben Sie zweierlei zu vermeiden:
alles, was die jetzige» Gewalthaber glauben lassen kann, daß wir sie für eine
regelmäßige Regierung ansehn; nud alles, was bei den Unterhandlungen mit den¬
selben die Empfindlichkeit des heiligen Stuhls verletzen kann." Nähere Jnstruc-
tionen wurden nicht ertheilt, weil man über das Factische nicht die gehörigen
Aufschlüsse habe; doch wurde LcssepS empfohlen, in allen Schritten mit dem com-
mandirenden General und den Bevollmächtigten beim Papst und bei Neapel, Hrn. v.
Harcourt und v. Nayntval sich im Einverständniß zu halten. Der Präsident der Re¬
publik fügte noch die Bemerkung hinzu, daß mau es um jeden Preis verhüten
müsse, die östreichische und neapolitanische Intervention mit der französischen ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/340>, abgerufen am 05.02.2025.