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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Metier, ein pittoreskes Gemälde aber für jeden Maler. In Reih' und Glied er¬
blickte man neben einander den feinen Attila (Schnürenrock) des Edelmanns und
die grobe Jacke des Bauern, den deutschen schwarzen Frack und den schlechten Pelz
des Hirten. Jetzt sind im ungarischen Heere alle Waffengattungen vertreten, von
der Artillerie, deren Vortrefflichkeit selbst die östreichischen Generäle anerkennen
mußten, bis zu den Feldjägern, die den Vorpostendienst versehen. Die Geschütze
werden größtentheils von jungen Leuten aus den besten Häusern des Landes be¬
dient, welche die Theorie der Artilleriemanövers leichter faßten als unsere deut¬
schen und böhmischen Bauernjungen; ihre leichte Reiterei ist bekanntermaßen der
Kaiserlichen weit überlegen; zu den Jägern gingen meist geübte Schützen, wobei
schwerlich darauf Rücksicht genommen wurde, ob ihre Büchse früher nicht auch in
remdem Revier geknallt hatte; die Houvedsbataillvns der Infanterie standen der
ganzen rüstigen Burschenschaft des Landes offen, und die Polen waren bald fertig,
nnter sich einige Lancicrregimenter zu bilden.

"Viel Artillerie und noch mehr Reiterei, großmüthiger, allmächtiger Czar!" so
betete der Kaiser von Oestreich, als er nach den ersten Begrüßungsfvrmcln in
Warschau mit dem Kaiser von Rußland in ein Seitenkabinet ging. "Viel, sehr
viel Reiter, o Herr!" flehte der "ritterliche" Kaiser im Theater, auf der Parade,
beim Thee, kurz zu jeder Zeit und an jedem Orte. Gras Grünne flehte in
demselben Tone zu Orlow, und Schwarzenberg zu Medem. Die Unterhaltung
wurde durch das monotone Gewinsel der östreichischen Gäste nachgerade so lang¬
weilig, daß Medem in einem Anfall liebenswürdiger Bosheit den Wiener Mini¬
sterpräsidenten einmal am Ohrläppchen zupfte, und den großen Diplomaten im
<>cui>i>-<? "K>s Kos.'XM" nannte. Schwarzenberg benutzte die freundliche Stimmung
des russische" Botschafters und wurde expansiv.

"Wahrhaftig, mo" et><!>! Sie verkennen unsere Lage, oder Sie wären ma¬
liziös genng, mir als Autwort auf mein wiederholtes Anklopfen die 28 Sieges-
bnlletins des Fürsten Windischgrätz in schwarzgelben Moir"- eingebunden zuzuschicken.
Als wenn ich Ihnen erst sagen müßte, daß Alles erlogen war, daß wir nicht
Eine Schlacht gegen die Ungarn gewonnen haben, daß Melden seine künstlerischen
Schlachtenberichte blos für die Wiener Epiciers geschrieben hat, die dem allerhöch¬
ste" Hof sonst kein Loth Pfeffer mehr geborgt hätten. O diese Ungarn! Und
unsere schöne Armee! Ich habe sie am Glacis defiliren sehen, bevor sie der im-
lwcil nach Pesth führte -- jeder Mann ein Held! Nun clioi-, Sie können viel
aber nie zu viel für uns, für die Ruhe, für die Gesellschaft thun. Glau¬
ben Sie mir, dieser Kossuth hat den Satan in seinem Dienst. Was sag' ich den
Satan? Eine halbe Million Satanasse. Keimen Sie die Kanasze?

"Nein." --

"Die Gulyasc?"

"Eben so wenig." --


Metier, ein pittoreskes Gemälde aber für jeden Maler. In Reih' und Glied er¬
blickte man neben einander den feinen Attila (Schnürenrock) des Edelmanns und
die grobe Jacke des Bauern, den deutschen schwarzen Frack und den schlechten Pelz
des Hirten. Jetzt sind im ungarischen Heere alle Waffengattungen vertreten, von
der Artillerie, deren Vortrefflichkeit selbst die östreichischen Generäle anerkennen
mußten, bis zu den Feldjägern, die den Vorpostendienst versehen. Die Geschütze
werden größtentheils von jungen Leuten aus den besten Häusern des Landes be¬
dient, welche die Theorie der Artilleriemanövers leichter faßten als unsere deut¬
schen und böhmischen Bauernjungen; ihre leichte Reiterei ist bekanntermaßen der
Kaiserlichen weit überlegen; zu den Jägern gingen meist geübte Schützen, wobei
schwerlich darauf Rücksicht genommen wurde, ob ihre Büchse früher nicht auch in
remdem Revier geknallt hatte; die Houvedsbataillvns der Infanterie standen der
ganzen rüstigen Burschenschaft des Landes offen, und die Polen waren bald fertig,
nnter sich einige Lancicrregimenter zu bilden.

„Viel Artillerie und noch mehr Reiterei, großmüthiger, allmächtiger Czar!" so
betete der Kaiser von Oestreich, als er nach den ersten Begrüßungsfvrmcln in
Warschau mit dem Kaiser von Rußland in ein Seitenkabinet ging. „Viel, sehr
viel Reiter, o Herr!" flehte der „ritterliche" Kaiser im Theater, auf der Parade,
beim Thee, kurz zu jeder Zeit und an jedem Orte. Gras Grünne flehte in
demselben Tone zu Orlow, und Schwarzenberg zu Medem. Die Unterhaltung
wurde durch das monotone Gewinsel der östreichischen Gäste nachgerade so lang¬
weilig, daß Medem in einem Anfall liebenswürdiger Bosheit den Wiener Mini¬
sterpräsidenten einmal am Ohrläppchen zupfte, und den großen Diplomaten im
<>cui>i>-<? «K>s Kos.'XM« nannte. Schwarzenberg benutzte die freundliche Stimmung
des russische» Botschafters und wurde expansiv.

„Wahrhaftig, mo» et><!>! Sie verkennen unsere Lage, oder Sie wären ma¬
liziös genng, mir als Autwort auf mein wiederholtes Anklopfen die 28 Sieges-
bnlletins des Fürsten Windischgrätz in schwarzgelben Moir«- eingebunden zuzuschicken.
Als wenn ich Ihnen erst sagen müßte, daß Alles erlogen war, daß wir nicht
Eine Schlacht gegen die Ungarn gewonnen haben, daß Melden seine künstlerischen
Schlachtenberichte blos für die Wiener Epiciers geschrieben hat, die dem allerhöch¬
ste» Hof sonst kein Loth Pfeffer mehr geborgt hätten. O diese Ungarn! Und
unsere schöne Armee! Ich habe sie am Glacis defiliren sehen, bevor sie der im-
lwcil nach Pesth führte — jeder Mann ein Held! Nun clioi-, Sie können viel
aber nie zu viel für uns, für die Ruhe, für die Gesellschaft thun. Glau¬
ben Sie mir, dieser Kossuth hat den Satan in seinem Dienst. Was sag' ich den
Satan? Eine halbe Million Satanasse. Keimen Sie die Kanasze?

„Nein." —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/34>, abgerufen am 05.02.2025.