Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Russen, den designirter Helfer gegen die Ungarn gerichtet. -- Zu uns hat er so Wahrlich! Die Familienpolitik der Habsburger wird verhängnißvoll. Man wird die Behauptung richtig finden, daß sich die letzte Zeit über nur Die Abdankung des Kaisers Ferdinand war ein Familienakt. Seine Gut¬ Russen, den designirter Helfer gegen die Ungarn gerichtet. — Zu uns hat er so Wahrlich! Die Familienpolitik der Habsburger wird verhängnißvoll. Man wird die Behauptung richtig finden, daß sich die letzte Zeit über nur Die Abdankung des Kaisers Ferdinand war ein Familienakt. Seine Gut¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279057"/> <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> Russen, den designirter Helfer gegen die Ungarn gerichtet. — Zu uns hat er so<lb/> noch nie gesprochen. — Wohl gab es eine Zeit, wo zehn herzliche, hoffnungs¬<lb/> volle Worte von ihm, bei passender Gelegenheit gesagt und mit einem Händedruck<lb/> begleitet, noch ein inniges Zutrauen in Millionen Herzen angesteckt hätten, er hat<lb/> die Worte nicht gefunden, er war nicht gelehrt, sie gegen Andere, als seine Sol¬<lb/> daten im Munde zu führen. Armes Volk, armer Kaiser! — Wenn die Zeit kom¬<lb/> me» wird, wo Du, mein kaiserlicher Herr, es für vortheilhaft halten wirst, auch<lb/> Nichtexercirten kleine Aufmerksamkeiten zu beweisen, wie sie der Monarch zu geben<lb/> liebt, dann wird es bei Vielen unnütz sein, unnützlich für Dich und vielleicht auch<lb/> für uns.</p><lb/> <p xml:id="ID_59"> Wahrlich! Die Familienpolitik der Habsburger wird verhängnißvoll.</p><lb/> <p xml:id="ID_60"> Man wird die Behauptung richtig finden, daß sich die letzte Zeit über nur<lb/> die Interessen der Familie oder der Dynastie in dem Hause Habsburg herausge¬<lb/> stellt haben; keine Gestalt trat aus dem Fcunilieukreise mit hinreichender Selbst-<lb/> ständigkeit hervor, um ihren Eigenwillen nicht nur dem Volke, sondern auch den<lb/> übrigen Gliedern der Dynastie gegenüber zur Geltung zu bringen. Mau kam vielmehr<lb/> über die Vielherrschaft eines dauernden Familienrathes nicht hinaus, in welchem der<lb/> jeweilige Kaiser nur das Recht des Vorsitzes besaß. Während der König von Preußen<lb/> sich selbst gleich im Anfange, ein deutscher Agamemnon, an die Spitze der deutschen<lb/> Bewegung stellen wollte, weil er sie in seiner schwärmerischen Weise in ein Epos<lb/> zu verwandeln dachte, verhielt sich unter Kaiser Ferdinand die östreichische Dyna¬<lb/> stie nur ablehnend zu den verschiedenen nationalen Bewegungen in ihren Kron¬<lb/> ländern , ohne außer diesem beharrlichen Widerstände weitere positive Zwecke zu<lb/> verfolgen. Der revolutionäre Ungestüm sollte theils beschwichtigt, theils mit Ge¬<lb/> walt zum Schweigen gebracht werden, damit das Idyll von Altöstreich, welches<lb/> das Haus Habsburg vom Standpunkt der Familie allein gemüthlich finden konnte,<lb/> wenigstens annäherungsweise wieder hergestellt werde. Früher theilte das Volk die<lb/> idyllische Stimmung der Dynastie; die Familienfeste des Kaiserhauses, die Ge-<lb/> burth- und Namenstage der allerhöchsten Herrschaften wurden von der Menge mit¬<lb/> gefeiert, und wenn man die Fenster der Hofburg öffnete, so hörte man draußen<lb/> ni tausendstimmigem Chor die Volkshymne singen. Aber im März 1848 verlangte<lb/> umgekehrt die zum geschichtlichen Leben erwachte Menge, daß die kaiserliche Fa¬<lb/> milie die Volksfeste mitfeiere. Man that das Möglichste; der Kaiser hielt die<lb/> deutsche Fahne zum Fenster der Hofburg heraus, bewilligte eine Konstitution, Pre߬<lb/> freiheit, Rvbotfreihcit, sogar einen constituirenden Reichstag: als es ihm aber<lb/> gar zu arg wurde, zog er sich gänzlich zurück und sucht jetzt hinter dem Sanc-<lb/> tissimum, das der Fürst Hohenlohe bei der Frvhnleichnamsprocession voranträgt,<lb/> den Frieden, den diese Welt nicht geben kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_61" next="#ID_62"> Die Abdankung des Kaisers Ferdinand war ein Familienakt. Seine Gut¬<lb/> müthigkeit und Nachgiebigkeit vermochte nicht mehr die herben Stimmungen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Russen, den designirter Helfer gegen die Ungarn gerichtet. — Zu uns hat er so
noch nie gesprochen. — Wohl gab es eine Zeit, wo zehn herzliche, hoffnungs¬
volle Worte von ihm, bei passender Gelegenheit gesagt und mit einem Händedruck
begleitet, noch ein inniges Zutrauen in Millionen Herzen angesteckt hätten, er hat
die Worte nicht gefunden, er war nicht gelehrt, sie gegen Andere, als seine Sol¬
daten im Munde zu führen. Armes Volk, armer Kaiser! — Wenn die Zeit kom¬
me» wird, wo Du, mein kaiserlicher Herr, es für vortheilhaft halten wirst, auch
Nichtexercirten kleine Aufmerksamkeiten zu beweisen, wie sie der Monarch zu geben
liebt, dann wird es bei Vielen unnütz sein, unnützlich für Dich und vielleicht auch
für uns.
Wahrlich! Die Familienpolitik der Habsburger wird verhängnißvoll.
Man wird die Behauptung richtig finden, daß sich die letzte Zeit über nur
die Interessen der Familie oder der Dynastie in dem Hause Habsburg herausge¬
stellt haben; keine Gestalt trat aus dem Fcunilieukreise mit hinreichender Selbst-
ständigkeit hervor, um ihren Eigenwillen nicht nur dem Volke, sondern auch den
übrigen Gliedern der Dynastie gegenüber zur Geltung zu bringen. Mau kam vielmehr
über die Vielherrschaft eines dauernden Familienrathes nicht hinaus, in welchem der
jeweilige Kaiser nur das Recht des Vorsitzes besaß. Während der König von Preußen
sich selbst gleich im Anfange, ein deutscher Agamemnon, an die Spitze der deutschen
Bewegung stellen wollte, weil er sie in seiner schwärmerischen Weise in ein Epos
zu verwandeln dachte, verhielt sich unter Kaiser Ferdinand die östreichische Dyna¬
stie nur ablehnend zu den verschiedenen nationalen Bewegungen in ihren Kron¬
ländern , ohne außer diesem beharrlichen Widerstände weitere positive Zwecke zu
verfolgen. Der revolutionäre Ungestüm sollte theils beschwichtigt, theils mit Ge¬
walt zum Schweigen gebracht werden, damit das Idyll von Altöstreich, welches
das Haus Habsburg vom Standpunkt der Familie allein gemüthlich finden konnte,
wenigstens annäherungsweise wieder hergestellt werde. Früher theilte das Volk die
idyllische Stimmung der Dynastie; die Familienfeste des Kaiserhauses, die Ge-
burth- und Namenstage der allerhöchsten Herrschaften wurden von der Menge mit¬
gefeiert, und wenn man die Fenster der Hofburg öffnete, so hörte man draußen
ni tausendstimmigem Chor die Volkshymne singen. Aber im März 1848 verlangte
umgekehrt die zum geschichtlichen Leben erwachte Menge, daß die kaiserliche Fa¬
milie die Volksfeste mitfeiere. Man that das Möglichste; der Kaiser hielt die
deutsche Fahne zum Fenster der Hofburg heraus, bewilligte eine Konstitution, Pre߬
freiheit, Rvbotfreihcit, sogar einen constituirenden Reichstag: als es ihm aber
gar zu arg wurde, zog er sich gänzlich zurück und sucht jetzt hinter dem Sanc-
tissimum, das der Fürst Hohenlohe bei der Frvhnleichnamsprocession voranträgt,
den Frieden, den diese Welt nicht geben kann.
Die Abdankung des Kaisers Ferdinand war ein Familienakt. Seine Gut¬
müthigkeit und Nachgiebigkeit vermochte nicht mehr die herben Stimmungen der
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