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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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"Ich kam bis zur Felsenwand des Nopal in dem Nvmanjagebirge (bei Sara¬
jevo). Meine Glieder erstarrten und dennoch überfloß mich ein starker Schweiß,
mein Kopf drehte sich, ich konnte mich nicht auf den Füßen halten und siel von
der Straße hinein in den tiefen Schnee. Der scharfe schneidende Morgenwind
brachte mich wieder zu mir, ich riß mir den Rock auf, den Schweiß zu kühlen.
Da kam ein Mann des Wegs daher, orientalischen Glaubens, welcher mit seinem
Weibe auf drei Saumkleppern Getreide nach dem M,irkt von Sarajevo gebracht
hatte und jetzt die leeren Pferde führend heimkehrte. Die guten Leute sahen mich,
erkannten mich als Fremden und frugen woher ich sei, wo ich gewesen und wohin
ich gehe. -- Manu und Weib sahen einander eine Weile gutmüthig an und er
sprach: Nun, Weib, was thun wir mit ihm? El, sprach sie, wirf ihn quer
über's Pferd und nimm ihn mit bis über das Nomaujagebirge, das wird ihm
sehr helfen. Bereitwillig sprang der Manu vom Pferde, trug mich aus die Straße,
schüttelte den Schnee von meinen Kleidern und Haaren und sprach: Milicza,
mein Liebchen, reiche mir die Flasche aus dem Q-uersack, damit sich der Mensch ein
wenig erhole. Sie reichte die Flasche heraus und gab mir dreimal Branntwein
zu trinken, darauf hoben sie mich auf das Pferd und ich kam glücklich über das
Gebirge. -- Mein Wohlthäter hob mich vom Pferde, führte mich in den Han
(die Schenke) und empfahl mich dem Daga-Spahia. Der Daga-Spahia brachte
mich in sein Kaffeezimmer, ich legte mich dort auf den Teppich. Sein Hodza
(Geistlicher) trat theilnehmend zu mir. -- Türkische Kaufleute kamen zum Nachen
quartier und da sie meinen kläglichen Zustand erkannten, drangen sie in mich, doch
etwas zu essen, sie würden für mich bezahlen. Ich hörte, wie sie unter einander
flüsterten, das müsse man thun, es sei ein großes Sevat (gutes Werk), einem
Fremden in der Krankheit beizustehn. -- Ich lag ohne mich rühren zu können
und konnte ihnen kaum ein Zeichen geben, daß ich nichts wolle, nichts brauche.
Da trat der Hodza wieder zu mir, sagte zwei bis dreimal: Bete zu Gott, Ge¬
vatter, bete nach deinem Gesetz! Ich konnte ihm nicht einmal zu verstehen geben,
daß ich dies nicht im Stande sei, er mochte das aber selbst einsehn, nahm den
Koran und begann über mir Gebete zu sprechen. Während er betete, brachte der
Odadzia (Kellner) das Nachtmahl auf das Speisebrett, die türkischen Kaufleute
lagerten sich herum, ohne sich weiter um uns zu kümmern, nur hörte ich sie beim
Essen öfter das Bedauern aussprechen, daß ich Aermster in fremdem Lande krank
geworden sei und wahrscheinlich nicht davon kommen werde. Nach dem Nachtessen
erzählten sie einander Sagen und Märchen. -- Mit dem ersten Hahnenschrei er¬
wachte ich, zeitig standen auch meine Türken auf, tranken Kaffee und sagten dem
Kellner: koche ihm zwei Tassen Kaffee mit Zucker, wir werden sie bezahlen. --

"Ich kam nach Sarajevo zum Stadtthor. Die türkischen Wachen visitirten
mich genau und führte" mich zum Pascha, zu Mustafa-Pascha Bahia, genannt
Chrn --Chrnakovic. Dieser frug mich, wer ich sei, welches Gewerbes und woher?


„Ich kam bis zur Felsenwand des Nopal in dem Nvmanjagebirge (bei Sara¬
jevo). Meine Glieder erstarrten und dennoch überfloß mich ein starker Schweiß,
mein Kopf drehte sich, ich konnte mich nicht auf den Füßen halten und siel von
der Straße hinein in den tiefen Schnee. Der scharfe schneidende Morgenwind
brachte mich wieder zu mir, ich riß mir den Rock auf, den Schweiß zu kühlen.
Da kam ein Mann des Wegs daher, orientalischen Glaubens, welcher mit seinem
Weibe auf drei Saumkleppern Getreide nach dem M,irkt von Sarajevo gebracht
hatte und jetzt die leeren Pferde führend heimkehrte. Die guten Leute sahen mich,
erkannten mich als Fremden und frugen woher ich sei, wo ich gewesen und wohin
ich gehe. — Manu und Weib sahen einander eine Weile gutmüthig an und er
sprach: Nun, Weib, was thun wir mit ihm? El, sprach sie, wirf ihn quer
über's Pferd und nimm ihn mit bis über das Nomaujagebirge, das wird ihm
sehr helfen. Bereitwillig sprang der Manu vom Pferde, trug mich aus die Straße,
schüttelte den Schnee von meinen Kleidern und Haaren und sprach: Milicza,
mein Liebchen, reiche mir die Flasche aus dem Q-uersack, damit sich der Mensch ein
wenig erhole. Sie reichte die Flasche heraus und gab mir dreimal Branntwein
zu trinken, darauf hoben sie mich auf das Pferd und ich kam glücklich über das
Gebirge. — Mein Wohlthäter hob mich vom Pferde, führte mich in den Han
(die Schenke) und empfahl mich dem Daga-Spahia. Der Daga-Spahia brachte
mich in sein Kaffeezimmer, ich legte mich dort auf den Teppich. Sein Hodza
(Geistlicher) trat theilnehmend zu mir. — Türkische Kaufleute kamen zum Nachen
quartier und da sie meinen kläglichen Zustand erkannten, drangen sie in mich, doch
etwas zu essen, sie würden für mich bezahlen. Ich hörte, wie sie unter einander
flüsterten, das müsse man thun, es sei ein großes Sevat (gutes Werk), einem
Fremden in der Krankheit beizustehn. — Ich lag ohne mich rühren zu können
und konnte ihnen kaum ein Zeichen geben, daß ich nichts wolle, nichts brauche.
Da trat der Hodza wieder zu mir, sagte zwei bis dreimal: Bete zu Gott, Ge¬
vatter, bete nach deinem Gesetz! Ich konnte ihm nicht einmal zu verstehen geben,
daß ich dies nicht im Stande sei, er mochte das aber selbst einsehn, nahm den
Koran und begann über mir Gebete zu sprechen. Während er betete, brachte der
Odadzia (Kellner) das Nachtmahl auf das Speisebrett, die türkischen Kaufleute
lagerten sich herum, ohne sich weiter um uns zu kümmern, nur hörte ich sie beim
Essen öfter das Bedauern aussprechen, daß ich Aermster in fremdem Lande krank
geworden sei und wahrscheinlich nicht davon kommen werde. Nach dem Nachtessen
erzählten sie einander Sagen und Märchen. — Mit dem ersten Hahnenschrei er¬
wachte ich, zeitig standen auch meine Türken auf, tranken Kaffee und sagten dem
Kellner: koche ihm zwei Tassen Kaffee mit Zucker, wir werden sie bezahlen. —

„Ich kam nach Sarajevo zum Stadtthor. Die türkischen Wachen visitirten
mich genau und führte» mich zum Pascha, zu Mustafa-Pascha Bahia, genannt
Chrn --Chrnakovic. Dieser frug mich, wer ich sei, welches Gewerbes und woher?


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[0287] „Ich kam bis zur Felsenwand des Nopal in dem Nvmanjagebirge (bei Sara¬ jevo). Meine Glieder erstarrten und dennoch überfloß mich ein starker Schweiß, mein Kopf drehte sich, ich konnte mich nicht auf den Füßen halten und siel von der Straße hinein in den tiefen Schnee. Der scharfe schneidende Morgenwind brachte mich wieder zu mir, ich riß mir den Rock auf, den Schweiß zu kühlen. Da kam ein Mann des Wegs daher, orientalischen Glaubens, welcher mit seinem Weibe auf drei Saumkleppern Getreide nach dem M,irkt von Sarajevo gebracht hatte und jetzt die leeren Pferde führend heimkehrte. Die guten Leute sahen mich, erkannten mich als Fremden und frugen woher ich sei, wo ich gewesen und wohin ich gehe. — Manu und Weib sahen einander eine Weile gutmüthig an und er sprach: Nun, Weib, was thun wir mit ihm? El, sprach sie, wirf ihn quer über's Pferd und nimm ihn mit bis über das Nomaujagebirge, das wird ihm sehr helfen. Bereitwillig sprang der Manu vom Pferde, trug mich aus die Straße, schüttelte den Schnee von meinen Kleidern und Haaren und sprach: Milicza, mein Liebchen, reiche mir die Flasche aus dem Q-uersack, damit sich der Mensch ein wenig erhole. Sie reichte die Flasche heraus und gab mir dreimal Branntwein zu trinken, darauf hoben sie mich auf das Pferd und ich kam glücklich über das Gebirge. — Mein Wohlthäter hob mich vom Pferde, führte mich in den Han (die Schenke) und empfahl mich dem Daga-Spahia. Der Daga-Spahia brachte mich in sein Kaffeezimmer, ich legte mich dort auf den Teppich. Sein Hodza (Geistlicher) trat theilnehmend zu mir. — Türkische Kaufleute kamen zum Nachen quartier und da sie meinen kläglichen Zustand erkannten, drangen sie in mich, doch etwas zu essen, sie würden für mich bezahlen. Ich hörte, wie sie unter einander flüsterten, das müsse man thun, es sei ein großes Sevat (gutes Werk), einem Fremden in der Krankheit beizustehn. — Ich lag ohne mich rühren zu können und konnte ihnen kaum ein Zeichen geben, daß ich nichts wolle, nichts brauche. Da trat der Hodza wieder zu mir, sagte zwei bis dreimal: Bete zu Gott, Ge¬ vatter, bete nach deinem Gesetz! Ich konnte ihm nicht einmal zu verstehen geben, daß ich dies nicht im Stande sei, er mochte das aber selbst einsehn, nahm den Koran und begann über mir Gebete zu sprechen. Während er betete, brachte der Odadzia (Kellner) das Nachtmahl auf das Speisebrett, die türkischen Kaufleute lagerten sich herum, ohne sich weiter um uns zu kümmern, nur hörte ich sie beim Essen öfter das Bedauern aussprechen, daß ich Aermster in fremdem Lande krank geworden sei und wahrscheinlich nicht davon kommen werde. Nach dem Nachtessen erzählten sie einander Sagen und Märchen. — Mit dem ersten Hahnenschrei er¬ wachte ich, zeitig standen auch meine Türken auf, tranken Kaffee und sagten dem Kellner: koche ihm zwei Tassen Kaffee mit Zucker, wir werden sie bezahlen. — „Ich kam nach Sarajevo zum Stadtthor. Die türkischen Wachen visitirten mich genau und führte» mich zum Pascha, zu Mustafa-Pascha Bahia, genannt Chrn --Chrnakovic. Dieser frug mich, wer ich sei, welches Gewerbes und woher?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/287>, abgerufen am 11.02.2025.