Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Tell, der Jungfrau. Ausgezeichnet ist dagegen dieser zweite Theil im Wallenstein Unsren modernen Dichtern pflegt die. Katastrophe, der Schluß des Stückes, Tell, der Jungfrau. Ausgezeichnet ist dagegen dieser zweite Theil im Wallenstein Unsren modernen Dichtern pflegt die. Katastrophe, der Schluß des Stückes, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279054"/> <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> Tell, der Jungfrau. Ausgezeichnet ist dagegen dieser zweite Theil im Wallenstein<lb/> und im Prinzen von Homburg. Beide Stücke siud in dieser Beziehung Muster<lb/> für unsre jungen Dichter, ohne vielen Scenenwechsel concentriren sie die reagiren-<lb/> den Elemente in höchst wirksamer Steigerung. Der Abfall der Truppen von<lb/> Wallenstein, bis zur Abreise des Max, und wieder Natalie, Dörffling, Kottwitz,<lb/> die Offiziere und der Prinz von Homburg selbst im Zimmer des Kurfürsten, sind<lb/> vortreffliche Verbindungen von Effekten. Wenn es erlaubt ist, für diesen schwie¬<lb/> rigen Theil des Dramas eine allgemeine Vorschrift zu geben, so muß es diese sein:<lb/> Man vermeide so viel als möglich den Scenenwechsel, versuche die einzelnen Theile<lb/> des Kampfes gegen den Helden in möglichst wenig Personen darzustellen und die<lb/> Momente, in welchen die Einzelnen derselben thätig sind, entweder zu einem<lb/> Ganzen zusammenzubinden, wie im Homburg durch die Person des Kurfürsten ge¬<lb/> schieht, oder schnell und ununterbrochen in einer fortdauernden Steigerung bis zur<lb/> wirksamsten aufeinander folgen zu lassen. Es läßt sich voraussagen, daß dies bei<lb/> vielen großen Stoffen unmöglich sein wird, und in diesem Fall muß man jedem<lb/> Dichter, der nicht mit souveräner Kraft seinen Stoff beherrscht (und wir haben<lb/> keinen solchen in Deutschland), den Nath geben, dergleichen Stoffe ganz fallen zu<lb/> lassen. Natürlich ist ein solcher guter Nath ohne Erfolg.</p><lb/> <p xml:id="ID_50" next="#ID_51"> Unsren modernen Dichtern pflegt die. Katastrophe, der Schluß des Stückes,<lb/> große Schwierigkeit zu machen. Das ist kein gutes Zeiche». Wohl gehört ein<lb/> richtiger Takt dazu, die Versöhnung zu finden, welche dem Gefühl des Schauenden<lb/> nicht widerstrebt und doch die Nothwendigkeiten des Stückes alle umschließt; Roh-<lb/> heit des Dichters und weiche Sentimentalität verletzen natürlich grade da am meisten,<lb/> wo die Grundstimmung des ganzen Bühnenwerks ihre Rechtfertigung und Bestä¬<lb/> tigung finden soll. Aber die Katastrophe enthält doch nur die Konsequenzen der<lb/> Handlung und der Charaktere; wer beide fest in der Seele trägt, einen detaillirtcu<lb/> Plan durchempfunden hat und die dramatische Fähigkeit hat innerhalb der Eigen¬<lb/> thümlichkeit der dargestellten Charaktere zu empfinden, dem kann von dem Ende<lb/> seines Dramas nur sehr wenig zweifelhaft sein. Ja, da der ganze Bau auf das<lb/> Ende losarbeitet, mag ein kräftiges Talent eher in die entgegengesetzte Gefahr<lb/> kommen: das Ende zu früh auszuarbeiten und fertig im Kopf oder aus dem Pa¬<lb/> pier zu tragen, wodurch das Ende mit den Nuancen, welche während der späteren<lb/> Arbeit die vorhergehenden Theile bekommen, hier und da in Opposition kommen<lb/> kann. Man empfindet so etwas im Prinzen von Homburg, wo das dem Anfang<lb/> entsprechende, allerdings wirksame Ende, welches offenbar dem Dichter sehr sest<lb/> in der Phantasie saß, mit dem schönen klaren Ton und der breiten Ausführung<lb/> des 4ten und 5den Aktes durchaus uicht stimmt. Aehnlich im Egmont, wo man<lb/> den Schluß auch für eher geschrieben halten muß, als die letzte Scene Klärchens,<lb/> zu der er so wenig paßt, daß er einen gradezu peinlichen Eindruck macht. Das<lb/> kam aber daher: der Charakter Klärchens war dem Dichter bei der Eintheilung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Tell, der Jungfrau. Ausgezeichnet ist dagegen dieser zweite Theil im Wallenstein
und im Prinzen von Homburg. Beide Stücke siud in dieser Beziehung Muster
für unsre jungen Dichter, ohne vielen Scenenwechsel concentriren sie die reagiren-
den Elemente in höchst wirksamer Steigerung. Der Abfall der Truppen von
Wallenstein, bis zur Abreise des Max, und wieder Natalie, Dörffling, Kottwitz,
die Offiziere und der Prinz von Homburg selbst im Zimmer des Kurfürsten, sind
vortreffliche Verbindungen von Effekten. Wenn es erlaubt ist, für diesen schwie¬
rigen Theil des Dramas eine allgemeine Vorschrift zu geben, so muß es diese sein:
Man vermeide so viel als möglich den Scenenwechsel, versuche die einzelnen Theile
des Kampfes gegen den Helden in möglichst wenig Personen darzustellen und die
Momente, in welchen die Einzelnen derselben thätig sind, entweder zu einem
Ganzen zusammenzubinden, wie im Homburg durch die Person des Kurfürsten ge¬
schieht, oder schnell und ununterbrochen in einer fortdauernden Steigerung bis zur
wirksamsten aufeinander folgen zu lassen. Es läßt sich voraussagen, daß dies bei
vielen großen Stoffen unmöglich sein wird, und in diesem Fall muß man jedem
Dichter, der nicht mit souveräner Kraft seinen Stoff beherrscht (und wir haben
keinen solchen in Deutschland), den Nath geben, dergleichen Stoffe ganz fallen zu
lassen. Natürlich ist ein solcher guter Nath ohne Erfolg.
Unsren modernen Dichtern pflegt die. Katastrophe, der Schluß des Stückes,
große Schwierigkeit zu machen. Das ist kein gutes Zeiche». Wohl gehört ein
richtiger Takt dazu, die Versöhnung zu finden, welche dem Gefühl des Schauenden
nicht widerstrebt und doch die Nothwendigkeiten des Stückes alle umschließt; Roh-
heit des Dichters und weiche Sentimentalität verletzen natürlich grade da am meisten,
wo die Grundstimmung des ganzen Bühnenwerks ihre Rechtfertigung und Bestä¬
tigung finden soll. Aber die Katastrophe enthält doch nur die Konsequenzen der
Handlung und der Charaktere; wer beide fest in der Seele trägt, einen detaillirtcu
Plan durchempfunden hat und die dramatische Fähigkeit hat innerhalb der Eigen¬
thümlichkeit der dargestellten Charaktere zu empfinden, dem kann von dem Ende
seines Dramas nur sehr wenig zweifelhaft sein. Ja, da der ganze Bau auf das
Ende losarbeitet, mag ein kräftiges Talent eher in die entgegengesetzte Gefahr
kommen: das Ende zu früh auszuarbeiten und fertig im Kopf oder aus dem Pa¬
pier zu tragen, wodurch das Ende mit den Nuancen, welche während der späteren
Arbeit die vorhergehenden Theile bekommen, hier und da in Opposition kommen
kann. Man empfindet so etwas im Prinzen von Homburg, wo das dem Anfang
entsprechende, allerdings wirksame Ende, welches offenbar dem Dichter sehr sest
in der Phantasie saß, mit dem schönen klaren Ton und der breiten Ausführung
des 4ten und 5den Aktes durchaus uicht stimmt. Aehnlich im Egmont, wo man
den Schluß auch für eher geschrieben halten muß, als die letzte Scene Klärchens,
zu der er so wenig paßt, daß er einen gradezu peinlichen Eindruck macht. Das
kam aber daher: der Charakter Klärchens war dem Dichter bei der Eintheilung
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