Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.BlumS Tödtung verdammen, aber es lag doch etwas kühnes in dieser dreisten Ich will nicht daran denken, daß einem siegreichen Prinzen, an dessen Namen Als General Hirschfeld in seiner ersten Proklamation allen Preußen, die an Denn um einen Krieg handelt es sich hier, und das sollte man in Berlin, Es ist das in einer Zeit geschehen, wo seit anderthalb Jahren die Rechts- 35*
BlumS Tödtung verdammen, aber es lag doch etwas kühnes in dieser dreisten Ich will nicht daran denken, daß einem siegreichen Prinzen, an dessen Namen Als General Hirschfeld in seiner ersten Proklamation allen Preußen, die an Denn um einen Krieg handelt es sich hier, und das sollte man in Berlin, Es ist das in einer Zeit geschehen, wo seit anderthalb Jahren die Rechts- 35*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279301"/> <p xml:id="ID_898" prev="#ID_897"> BlumS Tödtung verdammen, aber es lag doch etwas kühnes in dieser dreisten<lb/> Herausforderung, die der kaiserliche General einem noch immer bedeutenden poli¬<lb/> tischen Körper in's Gesicht warf. Jetzt aber, da die Demokratie vollkommen be¬<lb/> siegt ist, da kein Feind mehr aufrecht steht, dem mau triumphirend das Haupt<lb/> des Verbündeten entgegenstrecken könnte, was soll die Erneuerung dieser Gräuel?<lb/> Was ist denn in Baden so arges geschehen, das den Haß auf's Neue auf diese<lb/> Höhe treiben könnte? Wird man denn ewig an dem Aberglauben kleben, daß nur<lb/> vergossenes Blut das Geschick versöhnt, oder ist es der späte Ausbruch eines<lb/> kleinlichen, langen verhaltenen Grolls?</p><lb/> <p xml:id="ID_899"> Ich will nicht daran denken, daß einem siegreichen Prinzen, an dessen Namen<lb/> sich einst die Zuneigung und das Vertrauen der Nation knüpfen soll, das schöne<lb/> Recht der Gnade wohl angestanden hätte; ich will nicht auf die Frage eingehn,<lb/> ob die Tödtung des Verbrechers überhaupt ein Recht der Gesellschaft sei. Ich be¬<lb/> rufe mich nur auf das Rechtsgefühl, wie es an diesem bestimmten Fall sich ent¬<lb/> wickeln muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_900"> Als General Hirschfeld in seiner ersten Proklamation allen Preußen, die an<lb/> der badischen Jnsurrection Theil genommen, den Tod drohte, dachte wohl<lb/> Niemand daran, daß eine so schreckliche Verheißung in Erfüllung gehn könne.<lb/> Denn in viel höherm Grade hätte in diesem Fall der Großherzog von Baden<lb/> Veranlassung gehabt, zwei Drittel seiner sämmtlichen Unterthanen über die Klinge<lb/> springen zu lassen. Und doch ist das Unglaubliche geschehe», das erste Opfer der<lb/> neuen Burbarei ist nur darum gefallen, weil er, obgleich Preuße, gegen Preußen<lb/> gefochten hat. Eine abscheuliche Theorie, die den Krieg zu einem Gemetzel herabsetzt!</p><lb/> <p xml:id="ID_901"> Denn um einen Krieg handelt es sich hier, und das sollte man in Berlin,<lb/> wo man sich noch vor einem Jahr veranlaßt sah, mit der siegreichen Jnsurrection<lb/> zu pacisciren, am wenigsten verkennen. Es ist hier von keinem Verrath die Rede<lb/> gewesen, sondern eine Partei in Deutschland, die sich in ihrem Recht gekränkt<lb/> glaubte, die wenigstens der Angabe nach für ein im größten Theil des Vaterlan¬<lb/> des anerkanntes Recht eintrat, ist von ihren Gegnern im offenen Kampfe besiegt<lb/> worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_902" next="#ID_903"> Es ist das in einer Zeit geschehen, wo seit anderthalb Jahren die Rechts-<lb/> begriffe sich so auf den Kops gestellt haben, daß keiner von sich rühmen kann,<lb/> in keinem Augenblick vou dem allgemeinen Schwindel ergriffen zu sein. Solche<lb/> Uebergangszeiten werde» nicht dadurch gesühnt, daß man nach einem beliebigen alten<lb/> Codex sei»e Macht an dem besiegten Gegner ausübt, und so denselben für eine<lb/> andere Wendung der Dinge zu ähnlichen Unthaten auffordert, sondern indem man<lb/> den Schleier der Vergessenheit über das Vergangene breitet. Was man unter<lb/> Amnestie im weiteren Sinn versteht, ist nicht Gnade, nicht das willkürliche subjek¬<lb/> tive Belieben des Herrn, der einen armen Schelm laufen läßt, während er ihn<lb/> eben so gut hängen könnte, sondern die feierliche Anerkennung, daß die vergalt-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 35*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
BlumS Tödtung verdammen, aber es lag doch etwas kühnes in dieser dreisten
Herausforderung, die der kaiserliche General einem noch immer bedeutenden poli¬
tischen Körper in's Gesicht warf. Jetzt aber, da die Demokratie vollkommen be¬
siegt ist, da kein Feind mehr aufrecht steht, dem mau triumphirend das Haupt
des Verbündeten entgegenstrecken könnte, was soll die Erneuerung dieser Gräuel?
Was ist denn in Baden so arges geschehen, das den Haß auf's Neue auf diese
Höhe treiben könnte? Wird man denn ewig an dem Aberglauben kleben, daß nur
vergossenes Blut das Geschick versöhnt, oder ist es der späte Ausbruch eines
kleinlichen, langen verhaltenen Grolls?
Ich will nicht daran denken, daß einem siegreichen Prinzen, an dessen Namen
sich einst die Zuneigung und das Vertrauen der Nation knüpfen soll, das schöne
Recht der Gnade wohl angestanden hätte; ich will nicht auf die Frage eingehn,
ob die Tödtung des Verbrechers überhaupt ein Recht der Gesellschaft sei. Ich be¬
rufe mich nur auf das Rechtsgefühl, wie es an diesem bestimmten Fall sich ent¬
wickeln muß.
Als General Hirschfeld in seiner ersten Proklamation allen Preußen, die an
der badischen Jnsurrection Theil genommen, den Tod drohte, dachte wohl
Niemand daran, daß eine so schreckliche Verheißung in Erfüllung gehn könne.
Denn in viel höherm Grade hätte in diesem Fall der Großherzog von Baden
Veranlassung gehabt, zwei Drittel seiner sämmtlichen Unterthanen über die Klinge
springen zu lassen. Und doch ist das Unglaubliche geschehe», das erste Opfer der
neuen Burbarei ist nur darum gefallen, weil er, obgleich Preuße, gegen Preußen
gefochten hat. Eine abscheuliche Theorie, die den Krieg zu einem Gemetzel herabsetzt!
Denn um einen Krieg handelt es sich hier, und das sollte man in Berlin,
wo man sich noch vor einem Jahr veranlaßt sah, mit der siegreichen Jnsurrection
zu pacisciren, am wenigsten verkennen. Es ist hier von keinem Verrath die Rede
gewesen, sondern eine Partei in Deutschland, die sich in ihrem Recht gekränkt
glaubte, die wenigstens der Angabe nach für ein im größten Theil des Vaterlan¬
des anerkanntes Recht eintrat, ist von ihren Gegnern im offenen Kampfe besiegt
worden.
Es ist das in einer Zeit geschehen, wo seit anderthalb Jahren die Rechts-
begriffe sich so auf den Kops gestellt haben, daß keiner von sich rühmen kann,
in keinem Augenblick vou dem allgemeinen Schwindel ergriffen zu sein. Solche
Uebergangszeiten werde» nicht dadurch gesühnt, daß man nach einem beliebigen alten
Codex sei»e Macht an dem besiegten Gegner ausübt, und so denselben für eine
andere Wendung der Dinge zu ähnlichen Unthaten auffordert, sondern indem man
den Schleier der Vergessenheit über das Vergangene breitet. Was man unter
Amnestie im weiteren Sinn versteht, ist nicht Gnade, nicht das willkürliche subjek¬
tive Belieben des Herrn, der einen armen Schelm laufen läßt, während er ihn
eben so gut hängen könnte, sondern die feierliche Anerkennung, daß die vergalt-
35*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |