Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.aber sind durchaus nicht schlimmer und nicht besser als die andern, nur daß sie Radetzky, von dem Ihr überhaupt manches lernen könntet, hat auch das besser Die politischen Hinrichtungen in Baden. Wer erinnert sich nicht an den Schrei des Entsetzens, der bei dem Wieder¬ aber sind durchaus nicht schlimmer und nicht besser als die andern, nur daß sie Radetzky, von dem Ihr überhaupt manches lernen könntet, hat auch das besser Die politischen Hinrichtungen in Baden. Wer erinnert sich nicht an den Schrei des Entsetzens, der bei dem Wieder¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279300"/> <p xml:id="ID_895" prev="#ID_894"> aber sind durchaus nicht schlimmer und nicht besser als die andern, nur daß sie<lb/> sich zur jndnchen Religion bekennen, d. h. sie glauben der Messias sei noch nicht<lb/> gekommen, essen kein Schweinfleisch aber desto mehr Zwiebeln. Was aber kümmert<lb/> Euch das? Ob die Leute, die Euck gegenüberstehen Juden oder Christen, Heiden<lb/> oder Tinten sind, ob sie an Gott oder an den Teufel glauben, das macht keinen<lb/> Unterschied. Für Euch sind sie Rebellen, und erwischt Ihr einen, so macht mit<lb/> ihm, was Ihr wollt, hängt ihn aus, verurtheilt ihn zu Schanzarbeit oder be¬<lb/> gnadigt ihn zu Pulver nud Blei; aber kümmert Euch nicht um seine Religion,<lb/> ftagr nicht einmal darnach, das braucht Ihr ja gar nicht zu wissen, Ihr seid ja<lb/> keine Missionäre, das fordert man ja nicht von Euch.</p><lb/> <p xml:id="ID_896"> Radetzky, von dem Ihr überhaupt manches lernen könntet, hat auch das besser<lb/> verstanden. Er ist wahrscheinlich auch kein besonderer Freund der Juden. Na¬<lb/> türlich, der alte Marschall war einmal ein junger Lieutnant, junge LieutnantS<lb/> pflegen Geld zu brauchen und Leute, die in der Jugend Geld gebraucht haben,<lb/> sind dann gewöhnlich im Alter nicht gut auf Juden zu sprechen. Aber habt<lb/> Ihr je solche Lieutnantsreminiscenzen aus seinen öffentlichen Acten als Ober¬<lb/> kommandant hervorschimmern sehen? Und in Italien gibt es ja auch Juden. In<lb/> Padua, Verona und Mantua gibt es Ghetti, in diesen Ghetti wohnen Juden,<lb/> und unter diesen Juden gibt es Wühler und Rebellen, ja einer war sogar eine<lb/> Zeit lang Mitglied der provisorischen Regierung von Venedig. Aber der Mar><lb/> schall nahm keine besondere Notiz davon, er schlug die Piemontesen, aber er ließ<lb/> die Mücken und die Juden. Hättet ihr es in Ungarn auch so gemacht, und statt<lb/> Euch so viel mit den Juden zu beschäftigen, lieber die römischen Katholiken Bem<lb/> und Dembinski geschlagen, so wäre Oestreich jetzt nicht von der Gnade eines über¬<lb/> müthigen und eigennützigen Nachbars abhängig, der Ruhm des Sieges würde<lb/> Euch gehören und nicht Euren russischen Kollegen, und für die armen Juden wäre<lb/> es ebenfalls besser.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die politischen Hinrichtungen in Baden.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_897" next="#ID_898"> Wer erinnert sich nicht an den Schrei des Entsetzens, der bei dem Wieder¬<lb/> hall von jenen Schüssen in der Brigittenau, in denen das siegreiche Oestreich seine<lb/> Rache ausübte, durch ganz Deutschland ging? Dieses ekelhafte und abscheuliche<lb/> Beispiel wiederholt sich jetzt in Baden, aber unter Umständen, die das Gehässige<lb/> eines solchen Verfahrens um das Tausendfache erhöhen. Damals hatte der Mord<lb/> an die Thüre geklopft, noch war das Blut von Lamberg, Latour, der Fürstin<lb/> Windischgrätz kaum getrocknet. Der Haß war jung, und darum in voller Hitze,<lb/> der Gegner stand noch scheinbar kräftig und gerüstet da. Man mußte Robert</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
aber sind durchaus nicht schlimmer und nicht besser als die andern, nur daß sie
sich zur jndnchen Religion bekennen, d. h. sie glauben der Messias sei noch nicht
gekommen, essen kein Schweinfleisch aber desto mehr Zwiebeln. Was aber kümmert
Euch das? Ob die Leute, die Euck gegenüberstehen Juden oder Christen, Heiden
oder Tinten sind, ob sie an Gott oder an den Teufel glauben, das macht keinen
Unterschied. Für Euch sind sie Rebellen, und erwischt Ihr einen, so macht mit
ihm, was Ihr wollt, hängt ihn aus, verurtheilt ihn zu Schanzarbeit oder be¬
gnadigt ihn zu Pulver nud Blei; aber kümmert Euch nicht um seine Religion,
ftagr nicht einmal darnach, das braucht Ihr ja gar nicht zu wissen, Ihr seid ja
keine Missionäre, das fordert man ja nicht von Euch.
Radetzky, von dem Ihr überhaupt manches lernen könntet, hat auch das besser
verstanden. Er ist wahrscheinlich auch kein besonderer Freund der Juden. Na¬
türlich, der alte Marschall war einmal ein junger Lieutnant, junge LieutnantS
pflegen Geld zu brauchen und Leute, die in der Jugend Geld gebraucht haben,
sind dann gewöhnlich im Alter nicht gut auf Juden zu sprechen. Aber habt
Ihr je solche Lieutnantsreminiscenzen aus seinen öffentlichen Acten als Ober¬
kommandant hervorschimmern sehen? Und in Italien gibt es ja auch Juden. In
Padua, Verona und Mantua gibt es Ghetti, in diesen Ghetti wohnen Juden,
und unter diesen Juden gibt es Wühler und Rebellen, ja einer war sogar eine
Zeit lang Mitglied der provisorischen Regierung von Venedig. Aber der Mar>
schall nahm keine besondere Notiz davon, er schlug die Piemontesen, aber er ließ
die Mücken und die Juden. Hättet ihr es in Ungarn auch so gemacht, und statt
Euch so viel mit den Juden zu beschäftigen, lieber die römischen Katholiken Bem
und Dembinski geschlagen, so wäre Oestreich jetzt nicht von der Gnade eines über¬
müthigen und eigennützigen Nachbars abhängig, der Ruhm des Sieges würde
Euch gehören und nicht Euren russischen Kollegen, und für die armen Juden wäre
es ebenfalls besser.
Die politischen Hinrichtungen in Baden.
Wer erinnert sich nicht an den Schrei des Entsetzens, der bei dem Wieder¬
hall von jenen Schüssen in der Brigittenau, in denen das siegreiche Oestreich seine
Rache ausübte, durch ganz Deutschland ging? Dieses ekelhafte und abscheuliche
Beispiel wiederholt sich jetzt in Baden, aber unter Umständen, die das Gehässige
eines solchen Verfahrens um das Tausendfache erhöhen. Damals hatte der Mord
an die Thüre geklopft, noch war das Blut von Lamberg, Latour, der Fürstin
Windischgrätz kaum getrocknet. Der Haß war jung, und darum in voller Hitze,
der Gegner stand noch scheinbar kräftig und gerüstet da. Man mußte Robert
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