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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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seinem Corps aus Siebenbürgen hinaus- und in die Wallachei hineingebetet?
Worin besteht also das "wahrhaft schändliche" Benehmen, das Haynau ihnen vor¬
wirft, und warum der Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Rebellen?

Die östreichische Regierung machte sonst in ihren politischen und Civilgesetzen
häusig einen Unterschied zwischen Juden und Christen, aber im Strafgesetze hat
sie es nie gethan und kein verbrechen wird nach östreichischen Gesetze an einem
Juden strenger bestraft als an einem Delinquenten anderer Konfession. Nun sind
die Juden auch bürgerlich und politisch den andern Confessionen gleichgestellt wor¬
den, wie kann sich denn ein General herausnehmen, ihnen solche i>rivil<!A>et oclinsit
i" <:>'lui"!l"it>"8 zu verleihen? Ist das nicht offenbar eine Verletzung der Ver¬
fassung vom 4. März, für die doch eben in Ungarn gekämpft wird?

Und wenn man es schon für nöthig erachtet hat, bei jüdischen ^Rebellen außer
der ordentlichen Strafe noch eine Geldbuße eintreten zu lassen, warum wird diese
nicht ans dem Vermögen des Verbrechers selbst eingebracht, sondern seiner viel¬
leicht sehr loyalen Gemeinde auferlegt? Die Strafe soll stets nur den Verbrecher
treffe". Jede Solidarität in der Beziehung ist ungerecht und am meiste" wenn
sie eine bloße Neligionsgenossenschast trifft.

Es läßt sich allenfalls noch vertheidigen, wenn man eine politische Körper¬
schaft, der eine materielle Macht zur Prävention und Repression zu Gebote steht,
für das Verhalten ihrer einzelnen Glieder verantwortlich macht, und z. B. einer
Stadigcmeinde eine Brandschatzung auferlegt, wenn auch uur aus einem Hause
auf die k. k. Truppen .geschossen wird. Denn hier kann man doch mit einiger
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es der Gesammtheit, wenn sie nnr ernstlich will,
möglich sei, solche Exzesse Einzelner zu verhindern. Aber völlig ungereimt ist es,
wenn man einer blos kirchliche" Corporation wie einer Judengemeinde, die doch
weder Organe, um ihre einzelnen Glieder zu bewachen, noch irgend welche Coer-
cionSmitrcl gegen sie hat, die Haltung sür Verbrechen aufbürdet, die einzelne
Gemeindeglieder, ja sogar in einer großen Entfernung von derselben begehen.
Wenn z. B. ein Preßburger Jude in Kaschau als Spion ertappt wird, muß die
Preßburger Judengemeinde dafür zwanzig tausend Gulden als Strafe zahlen, un¬
geachtet sie vou seiner Spivuerei weder wissen konnte, noch selbst, wenn sie es
gewußt hätte, im Stande war, ihn daran zu verhindern. Und wenn dann wie¬
der irgend ein nngarischgesinnter Christ ans seinem Fenster auf die östreichischen
Truppe" schießt und deshalb der Stadt Preßburg eine Contribution auferlegt
wird, so müssen die Juden auch ihren Theil dazu beitragen. Aber wohlgemerkt,
sie zahlen jedesmal aus einem andern Titel; das eine Mal als Preßburger
schlechtweg, das andere Mal als Preßburger Juden.

Und die Verordnung im Betreff der jüdischen Pässe, wie läßt sich die recht¬
fertigen? Glaubt man etwa, weil vielleicht hier oder dort ein Jude als ungari¬
scher Spion oder Emissär ergriffen wurde, wenn man nnr den Juden das Reisen


seinem Corps aus Siebenbürgen hinaus- und in die Wallachei hineingebetet?
Worin besteht also das „wahrhaft schändliche" Benehmen, das Haynau ihnen vor¬
wirft, und warum der Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Rebellen?

Die östreichische Regierung machte sonst in ihren politischen und Civilgesetzen
häusig einen Unterschied zwischen Juden und Christen, aber im Strafgesetze hat
sie es nie gethan und kein verbrechen wird nach östreichischen Gesetze an einem
Juden strenger bestraft als an einem Delinquenten anderer Konfession. Nun sind
die Juden auch bürgerlich und politisch den andern Confessionen gleichgestellt wor¬
den, wie kann sich denn ein General herausnehmen, ihnen solche i>rivil<!A>et oclinsit
i» <:>'lui»!l»it>»8 zu verleihen? Ist das nicht offenbar eine Verletzung der Ver¬
fassung vom 4. März, für die doch eben in Ungarn gekämpft wird?

Und wenn man es schon für nöthig erachtet hat, bei jüdischen ^Rebellen außer
der ordentlichen Strafe noch eine Geldbuße eintreten zu lassen, warum wird diese
nicht ans dem Vermögen des Verbrechers selbst eingebracht, sondern seiner viel¬
leicht sehr loyalen Gemeinde auferlegt? Die Strafe soll stets nur den Verbrecher
treffe». Jede Solidarität in der Beziehung ist ungerecht und am meiste» wenn
sie eine bloße Neligionsgenossenschast trifft.

Es läßt sich allenfalls noch vertheidigen, wenn man eine politische Körper¬
schaft, der eine materielle Macht zur Prävention und Repression zu Gebote steht,
für das Verhalten ihrer einzelnen Glieder verantwortlich macht, und z. B. einer
Stadigcmeinde eine Brandschatzung auferlegt, wenn auch uur aus einem Hause
auf die k. k. Truppen .geschossen wird. Denn hier kann man doch mit einiger
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es der Gesammtheit, wenn sie nnr ernstlich will,
möglich sei, solche Exzesse Einzelner zu verhindern. Aber völlig ungereimt ist es,
wenn man einer blos kirchliche» Corporation wie einer Judengemeinde, die doch
weder Organe, um ihre einzelnen Glieder zu bewachen, noch irgend welche Coer-
cionSmitrcl gegen sie hat, die Haltung sür Verbrechen aufbürdet, die einzelne
Gemeindeglieder, ja sogar in einer großen Entfernung von derselben begehen.
Wenn z. B. ein Preßburger Jude in Kaschau als Spion ertappt wird, muß die
Preßburger Judengemeinde dafür zwanzig tausend Gulden als Strafe zahlen, un¬
geachtet sie vou seiner Spivuerei weder wissen konnte, noch selbst, wenn sie es
gewußt hätte, im Stande war, ihn daran zu verhindern. Und wenn dann wie¬
der irgend ein nngarischgesinnter Christ ans seinem Fenster auf die östreichischen
Truppe» schießt und deshalb der Stadt Preßburg eine Contribution auferlegt
wird, so müssen die Juden auch ihren Theil dazu beitragen. Aber wohlgemerkt,
sie zahlen jedesmal aus einem andern Titel; das eine Mal als Preßburger
schlechtweg, das andere Mal als Preßburger Juden.

Und die Verordnung im Betreff der jüdischen Pässe, wie läßt sich die recht¬
fertigen? Glaubt man etwa, weil vielleicht hier oder dort ein Jude als ungari¬
scher Spion oder Emissär ergriffen wurde, wenn man nnr den Juden das Reisen


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[0272] seinem Corps aus Siebenbürgen hinaus- und in die Wallachei hineingebetet? Worin besteht also das „wahrhaft schändliche" Benehmen, das Haynau ihnen vor¬ wirft, und warum der Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Rebellen? Die östreichische Regierung machte sonst in ihren politischen und Civilgesetzen häusig einen Unterschied zwischen Juden und Christen, aber im Strafgesetze hat sie es nie gethan und kein verbrechen wird nach östreichischen Gesetze an einem Juden strenger bestraft als an einem Delinquenten anderer Konfession. Nun sind die Juden auch bürgerlich und politisch den andern Confessionen gleichgestellt wor¬ den, wie kann sich denn ein General herausnehmen, ihnen solche i>rivil<!A>et oclinsit i» <:>'lui»!l»it>»8 zu verleihen? Ist das nicht offenbar eine Verletzung der Ver¬ fassung vom 4. März, für die doch eben in Ungarn gekämpft wird? Und wenn man es schon für nöthig erachtet hat, bei jüdischen ^Rebellen außer der ordentlichen Strafe noch eine Geldbuße eintreten zu lassen, warum wird diese nicht ans dem Vermögen des Verbrechers selbst eingebracht, sondern seiner viel¬ leicht sehr loyalen Gemeinde auferlegt? Die Strafe soll stets nur den Verbrecher treffe». Jede Solidarität in der Beziehung ist ungerecht und am meiste» wenn sie eine bloße Neligionsgenossenschast trifft. Es läßt sich allenfalls noch vertheidigen, wenn man eine politische Körper¬ schaft, der eine materielle Macht zur Prävention und Repression zu Gebote steht, für das Verhalten ihrer einzelnen Glieder verantwortlich macht, und z. B. einer Stadigcmeinde eine Brandschatzung auferlegt, wenn auch uur aus einem Hause auf die k. k. Truppen .geschossen wird. Denn hier kann man doch mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es der Gesammtheit, wenn sie nnr ernstlich will, möglich sei, solche Exzesse Einzelner zu verhindern. Aber völlig ungereimt ist es, wenn man einer blos kirchliche» Corporation wie einer Judengemeinde, die doch weder Organe, um ihre einzelnen Glieder zu bewachen, noch irgend welche Coer- cionSmitrcl gegen sie hat, die Haltung sür Verbrechen aufbürdet, die einzelne Gemeindeglieder, ja sogar in einer großen Entfernung von derselben begehen. Wenn z. B. ein Preßburger Jude in Kaschau als Spion ertappt wird, muß die Preßburger Judengemeinde dafür zwanzig tausend Gulden als Strafe zahlen, un¬ geachtet sie vou seiner Spivuerei weder wissen konnte, noch selbst, wenn sie es gewußt hätte, im Stande war, ihn daran zu verhindern. Und wenn dann wie¬ der irgend ein nngarischgesinnter Christ ans seinem Fenster auf die östreichischen Truppe» schießt und deshalb der Stadt Preßburg eine Contribution auferlegt wird, so müssen die Juden auch ihren Theil dazu beitragen. Aber wohlgemerkt, sie zahlen jedesmal aus einem andern Titel; das eine Mal als Preßburger schlechtweg, das andere Mal als Preßburger Juden. Und die Verordnung im Betreff der jüdischen Pässe, wie läßt sich die recht¬ fertigen? Glaubt man etwa, weil vielleicht hier oder dort ein Jude als ungari¬ scher Spion oder Emissär ergriffen wurde, wenn man nnr den Juden das Reisen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/272>, abgerufen am 05.02.2025.