Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.ist; hier blicken Jahrhunderte ans ein Plätzchen nieder, wo vor Alters, wie die Sie sind nachdenklich geworden und scheinen von den Marokkanern nicht Aber es gibt in dieser schönen, alten Königsstadt des Rätselhaften noch mehr ist; hier blicken Jahrhunderte ans ein Plätzchen nieder, wo vor Alters, wie die Sie sind nachdenklich geworden und scheinen von den Marokkanern nicht Aber es gibt in dieser schönen, alten Königsstadt des Rätselhaften noch mehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279260"/> <p xml:id="ID_751" prev="#ID_750"> ist; hier blicken Jahrhunderte ans ein Plätzchen nieder, wo vor Alters, wie die<lb/> Sage geht, die böhmischen Anhänger Wilkes's mit den Gliedern der ehrwürdigen<lb/> Rathsherrn von Prag gar unsanft verfuhren und ihnen eine Lustfahrt vom Fenster<lb/> aufs harte Pflaster verordneten. — Ist's etwa deshalb da oben so ruhig und<lb/> leer, weil das Collegium damals so schauerlich endete? Das erinnert an den<lb/> Kaufmann, der sich nicht ins Bett legen wollte, weil sein Vater, Großvater und<lb/> Urgroßvater im Bette gestorben waren. — Aber Thatsache ist, daß ursere Ge¬<lb/> meinderäthe nicht geneigt sind, sich nach römischem Muster mit langen Bärten auf<lb/> kurulischen Sessel hinzusetzen und abzuwarten, bis der rauhe Brennus käme, sie<lb/> am Barte zu zerren oder beliebig zu färben. Sie bleiben deshalb lieber daheim,<lb/> wo es keine Zischer gibt und keine Referenten, die Alles der Welt erzählen; wo<lb/> man mit der Glocke dem Diener gebietet, Ordnungsrufe den kleinen Schreiern er¬<lb/> theilt und ein Jeder Präsident des Hanfes ist. Auf diese Art geht die Grund¬<lb/> lage des freien Staates, die freie Gemeinde, schlafen; es löst sich somit wieder<lb/> ein Räthsel der Freiheit und die Errungenschaften gehen auf Reisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_752"> Sie sind nachdenklich geworden und scheinen von den Marokkanern nicht<lb/> loskommen zu können. Ob's auch in der Stadt solche Sectirer gebe? — Se¬<lb/> hen Sie dort dieses Männlein mit dem bürgerlichen Sommerrock und militärischen<lb/> Czako, mit dem stolzen Gange, martialem Philistergesicht, der patronenlosen Pa¬<lb/> trontasche und dem jungfräulichen Gewehre; das Männlein, welches dort heroisch<lb/> auf und abgeht und wie ein Pendel hin und herschweift, um militärisch salutiren<lb/> zu können, sonst aber kaum weiß, weshalb er gerade aus diesem Posten dem<lb/> Vaterlande seine Dienste zu weihen habe, dieses Männlein ist ein Marokkaner.<lb/> Sie rufen mir vor dieser unschädlichen, guten Natur ganz entsetzt zu: „Ein Kom¬<lb/> munist ohne Gott und Namen, der mit dem Teufel und Abderrhaman in Verbin¬<lb/> dung steht!" — Aber so erinnern Sie sich doch auch an die guten Seiten dieser<lb/> Secte, die kein Pulver riechen und kein Blut sehen kann. Ja, unsere braven<lb/> Marokkaner haben diese ritterliche Tugend im vorjährigen Juniwirrwarr durch die<lb/> glänzendsten Proben bewährt und auch gegen den Kaiser nicht gekämpft. Drum<lb/> werden sie auch höhern Orts sehr geliebt und ihnen trotz des Belagerungszustandes<lb/> die jungfräulichen Gewehre gelassen zu Paraden und Leichenbegängnissen, und weil<lb/> sie auch so bescheiden waren, hübsch zu folgen und sich heimgeigen zu lassen, wird<lb/> ihnen ein schönes, neues Tempelchen gebaut für ihr Geld und ihre Artigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_753" next="#ID_754"> Aber es gibt in dieser schönen, alten Königsstadt des Rätselhaften noch mehr<lb/> und des Geheimnißvollen. — Welche Thätigkeit herrscht auf der Brnska, dem<lb/> Laurenziberze und im Zeughause? — Wie wird dort gemauert und gegraben,<lb/> geschanzt und gezimmert? Welche Schießscharten und nie geahnte Pallisaden fan¬<lb/> gen dort an, sich so breit zu machen, wo der muntere Kahn hinschwebt, aus den<lb/> Wellen der Moldau, wo der fröhliche Schwimmer den Strom durchfurcht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
ist; hier blicken Jahrhunderte ans ein Plätzchen nieder, wo vor Alters, wie die
Sage geht, die böhmischen Anhänger Wilkes's mit den Gliedern der ehrwürdigen
Rathsherrn von Prag gar unsanft verfuhren und ihnen eine Lustfahrt vom Fenster
aufs harte Pflaster verordneten. — Ist's etwa deshalb da oben so ruhig und
leer, weil das Collegium damals so schauerlich endete? Das erinnert an den
Kaufmann, der sich nicht ins Bett legen wollte, weil sein Vater, Großvater und
Urgroßvater im Bette gestorben waren. — Aber Thatsache ist, daß ursere Ge¬
meinderäthe nicht geneigt sind, sich nach römischem Muster mit langen Bärten auf
kurulischen Sessel hinzusetzen und abzuwarten, bis der rauhe Brennus käme, sie
am Barte zu zerren oder beliebig zu färben. Sie bleiben deshalb lieber daheim,
wo es keine Zischer gibt und keine Referenten, die Alles der Welt erzählen; wo
man mit der Glocke dem Diener gebietet, Ordnungsrufe den kleinen Schreiern er¬
theilt und ein Jeder Präsident des Hanfes ist. Auf diese Art geht die Grund¬
lage des freien Staates, die freie Gemeinde, schlafen; es löst sich somit wieder
ein Räthsel der Freiheit und die Errungenschaften gehen auf Reisen.
Sie sind nachdenklich geworden und scheinen von den Marokkanern nicht
loskommen zu können. Ob's auch in der Stadt solche Sectirer gebe? — Se¬
hen Sie dort dieses Männlein mit dem bürgerlichen Sommerrock und militärischen
Czako, mit dem stolzen Gange, martialem Philistergesicht, der patronenlosen Pa¬
trontasche und dem jungfräulichen Gewehre; das Männlein, welches dort heroisch
auf und abgeht und wie ein Pendel hin und herschweift, um militärisch salutiren
zu können, sonst aber kaum weiß, weshalb er gerade aus diesem Posten dem
Vaterlande seine Dienste zu weihen habe, dieses Männlein ist ein Marokkaner.
Sie rufen mir vor dieser unschädlichen, guten Natur ganz entsetzt zu: „Ein Kom¬
munist ohne Gott und Namen, der mit dem Teufel und Abderrhaman in Verbin¬
dung steht!" — Aber so erinnern Sie sich doch auch an die guten Seiten dieser
Secte, die kein Pulver riechen und kein Blut sehen kann. Ja, unsere braven
Marokkaner haben diese ritterliche Tugend im vorjährigen Juniwirrwarr durch die
glänzendsten Proben bewährt und auch gegen den Kaiser nicht gekämpft. Drum
werden sie auch höhern Orts sehr geliebt und ihnen trotz des Belagerungszustandes
die jungfräulichen Gewehre gelassen zu Paraden und Leichenbegängnissen, und weil
sie auch so bescheiden waren, hübsch zu folgen und sich heimgeigen zu lassen, wird
ihnen ein schönes, neues Tempelchen gebaut für ihr Geld und ihre Artigkeit.
Aber es gibt in dieser schönen, alten Königsstadt des Rätselhaften noch mehr
und des Geheimnißvollen. — Welche Thätigkeit herrscht auf der Brnska, dem
Laurenziberze und im Zeughause? — Wie wird dort gemauert und gegraben,
geschanzt und gezimmert? Welche Schießscharten und nie geahnte Pallisaden fan¬
gen dort an, sich so breit zu machen, wo der muntere Kahn hinschwebt, aus den
Wellen der Moldau, wo der fröhliche Schwimmer den Strom durchfurcht.
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