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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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sinniger und härter, als eine Schlacht- und Mahlsteuer, welche die ersten Be¬
dürfnisse des Menschenlebens vertheuert? und doch ist diese Steuer in der Praxis
eine der bequemsten, welche wir haben, und wird für Communalzwecke auch
in der Zukunft Preußens nicht entbehrt werden können. Was ist seltsamer als
eine Stempelsteuer von 52 Karteublättern erhoben, mit denen der Mensch in müßi¬
gen Stunden spielt, und wie auffallend ist es, den Gebrauch ungestempelter
Spielblätter für ein Verbrechen zu erklären! Und doch besteht diese Steuer und
die Gewohnheit hat das Publikum vollständig damit versöhnt. -- Ferner aber
ist das Princip einer verhältnißmäßig stärkern Besteuerung der Wohlhabende" seit
alter Zeit fast bei allen Staaten in Geltung, bei allen Luxussteuern, bei allen
Erbschafts - und Kausstempelu, deren Prozente mit der Höhe der Summen wach¬
sen, und bei Communalbesteuerungen hat der Grundsatz der progressive" Besteue¬
rung von je praktische Anwendung erfahren. Selbst bei der Klassensteuer ist diese
Steigerung von den untersten Klassen an, welche ungefähr mit 1 pEt. ihres
Einkommens angezogen werden, in allmäliger Steigerung bis zu 2 und 2^ pCt. der
Revenue" vorhanden. Was hindert nun in unserm Fall zu sagen, der normale
Prozentsatz für das jährliche Einkommen beträgt 5 pCt., aus Billigkeitsgrüuden aber,
und um das Leben der Aermeren nicht zu sehr zu belasten, soll für diese eine
Ermäßigung bis zu 3 pCt. stattfinden, welche sich für die untern Schichten des
Volkes, welche durch die Klassensteuer geschätzt werden, sogar bis zu 1 pCt. er¬
mäßigt.

In der Theorie ist gegen die progressive Besteuerung nichts Entscheidendes
zu sagen, und wenn das Ministerium dieselbe durchzuführen im Stande ist, so
wollen wir ihm ehrlich danken. Es möge uns aber verziehen werden, wenn sich
in unsere Bewunderung der ministeriellen Energie einige gute Laune mischt. Der
Grund nämlich, aus welchem das Ministerium die Einkommensteuer grade jetzt
und mit solcher Progrcssivscala einrichtet, ist ein ächter Torygrnnd. Auch hier
kann man sehn, wie die Extreme sich berühren.

Das neue octroyirte Wahlgesetz für Preußen ist bei den jetzigen Steuerver-
hältnissen, grade herausgesagt, ein Unsinn, das hat das Ministerium vielleicht
schon gewußt, als das Gesetz erlassen wurde, jedenfalls ist ihm Gelegenheit ge¬
worden, während der Wahlen allerlei Erfahrungen darüber einzusammeln. Die
Voraussetzung und Konsequenz des Wahlgesetzes ist eine directe Steuer, welche
durch den ganzen Staat geht. Wenn das Wahlgesetz den aristokratischen Grundsatz
ausspricht, daß der Einfluß des einzelnen Staatsbürgers aus die Wahlen wachsen
müsse mit der Größe der Steuer", welche er dem Staat zahlt, so ist es nur ein
nothwendiger Act der Konsequenz und Gewissenhaftigkeit des Ministeriums, auch
die Steuern so einzurichten, daß der am meisten Vermögende ant meisten zahle


GmiMm. in. 1849. 29

sinniger und härter, als eine Schlacht- und Mahlsteuer, welche die ersten Be¬
dürfnisse des Menschenlebens vertheuert? und doch ist diese Steuer in der Praxis
eine der bequemsten, welche wir haben, und wird für Communalzwecke auch
in der Zukunft Preußens nicht entbehrt werden können. Was ist seltsamer als
eine Stempelsteuer von 52 Karteublättern erhoben, mit denen der Mensch in müßi¬
gen Stunden spielt, und wie auffallend ist es, den Gebrauch ungestempelter
Spielblätter für ein Verbrechen zu erklären! Und doch besteht diese Steuer und
die Gewohnheit hat das Publikum vollständig damit versöhnt. — Ferner aber
ist das Princip einer verhältnißmäßig stärkern Besteuerung der Wohlhabende» seit
alter Zeit fast bei allen Staaten in Geltung, bei allen Luxussteuern, bei allen
Erbschafts - und Kausstempelu, deren Prozente mit der Höhe der Summen wach¬
sen, und bei Communalbesteuerungen hat der Grundsatz der progressive» Besteue¬
rung von je praktische Anwendung erfahren. Selbst bei der Klassensteuer ist diese
Steigerung von den untersten Klassen an, welche ungefähr mit 1 pEt. ihres
Einkommens angezogen werden, in allmäliger Steigerung bis zu 2 und 2^ pCt. der
Revenue» vorhanden. Was hindert nun in unserm Fall zu sagen, der normale
Prozentsatz für das jährliche Einkommen beträgt 5 pCt., aus Billigkeitsgrüuden aber,
und um das Leben der Aermeren nicht zu sehr zu belasten, soll für diese eine
Ermäßigung bis zu 3 pCt. stattfinden, welche sich für die untern Schichten des
Volkes, welche durch die Klassensteuer geschätzt werden, sogar bis zu 1 pCt. er¬
mäßigt.

In der Theorie ist gegen die progressive Besteuerung nichts Entscheidendes
zu sagen, und wenn das Ministerium dieselbe durchzuführen im Stande ist, so
wollen wir ihm ehrlich danken. Es möge uns aber verziehen werden, wenn sich
in unsere Bewunderung der ministeriellen Energie einige gute Laune mischt. Der
Grund nämlich, aus welchem das Ministerium die Einkommensteuer grade jetzt
und mit solcher Progrcssivscala einrichtet, ist ein ächter Torygrnnd. Auch hier
kann man sehn, wie die Extreme sich berühren.

Das neue octroyirte Wahlgesetz für Preußen ist bei den jetzigen Steuerver-
hältnissen, grade herausgesagt, ein Unsinn, das hat das Ministerium vielleicht
schon gewußt, als das Gesetz erlassen wurde, jedenfalls ist ihm Gelegenheit ge¬
worden, während der Wahlen allerlei Erfahrungen darüber einzusammeln. Die
Voraussetzung und Konsequenz des Wahlgesetzes ist eine directe Steuer, welche
durch den ganzen Staat geht. Wenn das Wahlgesetz den aristokratischen Grundsatz
ausspricht, daß der Einfluß des einzelnen Staatsbürgers aus die Wahlen wachsen
müsse mit der Größe der Steuer», welche er dem Staat zahlt, so ist es nur ein
nothwendiger Act der Konsequenz und Gewissenhaftigkeit des Ministeriums, auch
die Steuern so einzurichten, daß der am meisten Vermögende ant meisten zahle


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[0229] sinniger und härter, als eine Schlacht- und Mahlsteuer, welche die ersten Be¬ dürfnisse des Menschenlebens vertheuert? und doch ist diese Steuer in der Praxis eine der bequemsten, welche wir haben, und wird für Communalzwecke auch in der Zukunft Preußens nicht entbehrt werden können. Was ist seltsamer als eine Stempelsteuer von 52 Karteublättern erhoben, mit denen der Mensch in müßi¬ gen Stunden spielt, und wie auffallend ist es, den Gebrauch ungestempelter Spielblätter für ein Verbrechen zu erklären! Und doch besteht diese Steuer und die Gewohnheit hat das Publikum vollständig damit versöhnt. — Ferner aber ist das Princip einer verhältnißmäßig stärkern Besteuerung der Wohlhabende» seit alter Zeit fast bei allen Staaten in Geltung, bei allen Luxussteuern, bei allen Erbschafts - und Kausstempelu, deren Prozente mit der Höhe der Summen wach¬ sen, und bei Communalbesteuerungen hat der Grundsatz der progressive» Besteue¬ rung von je praktische Anwendung erfahren. Selbst bei der Klassensteuer ist diese Steigerung von den untersten Klassen an, welche ungefähr mit 1 pEt. ihres Einkommens angezogen werden, in allmäliger Steigerung bis zu 2 und 2^ pCt. der Revenue» vorhanden. Was hindert nun in unserm Fall zu sagen, der normale Prozentsatz für das jährliche Einkommen beträgt 5 pCt., aus Billigkeitsgrüuden aber, und um das Leben der Aermeren nicht zu sehr zu belasten, soll für diese eine Ermäßigung bis zu 3 pCt. stattfinden, welche sich für die untern Schichten des Volkes, welche durch die Klassensteuer geschätzt werden, sogar bis zu 1 pCt. er¬ mäßigt. In der Theorie ist gegen die progressive Besteuerung nichts Entscheidendes zu sagen, und wenn das Ministerium dieselbe durchzuführen im Stande ist, so wollen wir ihm ehrlich danken. Es möge uns aber verziehen werden, wenn sich in unsere Bewunderung der ministeriellen Energie einige gute Laune mischt. Der Grund nämlich, aus welchem das Ministerium die Einkommensteuer grade jetzt und mit solcher Progrcssivscala einrichtet, ist ein ächter Torygrnnd. Auch hier kann man sehn, wie die Extreme sich berühren. Das neue octroyirte Wahlgesetz für Preußen ist bei den jetzigen Steuerver- hältnissen, grade herausgesagt, ein Unsinn, das hat das Ministerium vielleicht schon gewußt, als das Gesetz erlassen wurde, jedenfalls ist ihm Gelegenheit ge¬ worden, während der Wahlen allerlei Erfahrungen darüber einzusammeln. Die Voraussetzung und Konsequenz des Wahlgesetzes ist eine directe Steuer, welche durch den ganzen Staat geht. Wenn das Wahlgesetz den aristokratischen Grundsatz ausspricht, daß der Einfluß des einzelnen Staatsbürgers aus die Wahlen wachsen müsse mit der Größe der Steuer», welche er dem Staat zahlt, so ist es nur ein nothwendiger Act der Konsequenz und Gewissenhaftigkeit des Ministeriums, auch die Steuern so einzurichten, daß der am meisten Vermögende ant meisten zahle GmiMm. in. 1849. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/229>, abgerufen am 05.02.2025.