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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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rantien für seinen Bestand geben. Freilich findet anch dieses Schweben in Gegen¬
sätzen seine Erklärung in der Geschichte deö preußischen Staates, und die Person
Friedrich des Großen zeigt uns in einem Manne verbunden, was später in den
Stein-Hardenberg'schen Reformen gegenüber der militärischen Uniformirung des
Staats durch Friedrich Wilhelm 1!!., und jetzt in einem Ministerium von Gene¬
rälen, welche radikale Umänderungen des Staatshaushalts beabsichtigen, ausein¬
ander liegt.

Preußen ist in Beziehung auf seine Finanzen in diesem Augenblick vielleicht
der gesündeste Staat Europa's. Die Schuldenlast ist gegenwärtig etwa 2^ mal
so groß als die Einnahmen eines Jahres, die Schulden selbst sind unter vor-
theilhaften Bedingungen contrahirt und im Durchschnitt betrachtet von niedrigem
Zinsfuß. Die Erhebung der Steuern geschieht prompt und sicher durch einfachen
und wenig kostspieligen Mechanismus.

Seit zwei Jahren ist die Idee rege geworden eine Einkommensteuer in Preu¬
ßen einzurichten, welche in größeren Städten an die Mahl- und Schlachtsteuer,
in kleineren und auf dem Lande an die Stelle der Klassenstener treten sollte. Hin
und wieder forderte man sogar die Aufhebung aller andern Steuern und die Ein¬
führung der Einkommensteuer an aller andern Statt. Bis jetzt ist England der
einzige Staat, welcher eine Einkommensteuer durchgesetzt hat und auch diese erst
seit kurzer Zeit. Es ist unnütz, hier noch etwas zum Lobe des Princips einer
Einkommensteuer sagen zu wollen, die theoretische Vortrefflichkeit derselben wird
auch von ihren Gegnern nicht bestritten und nur die praktische Ausführbarkeit und
Zweckmäßigkeit ans den verschiedensten Gründen angefochten. Niemand kann leug¬
nen, daß eine Steuer, welche die Abgabe des Staatsbürgers nach der Größe
seiner jährlichen Einnahmen, also seiner Leistungsfähigkeit, abmißt, die beste aller
Auflagen sein müsse; aber freilich setzt eine solche Steuer bei dem Volk keine ge¬
ringe politische Bildung und Anhänglichkeit um die Idee des Staates voraus, und
ferner ein kräftiges Selbstregiment der Gemeinden und Kreise. Die Schwierig¬
keiten, welche überall bei derselben zu überwinden sind, liegen erstens darin, daß
die Schätzung des einzelnen Vermögens unerträglich gehässig erscheint, wenn sie
nicht eine Selbstschätzung ist, welche durch die Mitbürger der freien Gemeinde
oder des .Kreises :c. controlirt wird, und weil zweitens die kleinen Einnahmen
des größten Theils der arbeitenden Klassen eine Sclbstschcitzung der Einzelnen sehr
schwierig machen, weil diese sich einer Geldpflicht gern entziehn und bei der Taxe
in eine endlose Groschenrechnung hereinführen müssen, welche eben so kostspielig,
als unsicher wird.

Wenn es Anerkennung verdient, daß das preußische Ministerium überhaupt
den Muth hatte, trotz diesen Schwierigkeiten grade jetzt eine Einkommensteuer
einzuleiten, so kann man vollends der Energie ein aufrichtiges Lob nicht versagen,


rantien für seinen Bestand geben. Freilich findet anch dieses Schweben in Gegen¬
sätzen seine Erklärung in der Geschichte deö preußischen Staates, und die Person
Friedrich des Großen zeigt uns in einem Manne verbunden, was später in den
Stein-Hardenberg'schen Reformen gegenüber der militärischen Uniformirung des
Staats durch Friedrich Wilhelm 1!!., und jetzt in einem Ministerium von Gene¬
rälen, welche radikale Umänderungen des Staatshaushalts beabsichtigen, ausein¬
ander liegt.

Preußen ist in Beziehung auf seine Finanzen in diesem Augenblick vielleicht
der gesündeste Staat Europa's. Die Schuldenlast ist gegenwärtig etwa 2^ mal
so groß als die Einnahmen eines Jahres, die Schulden selbst sind unter vor-
theilhaften Bedingungen contrahirt und im Durchschnitt betrachtet von niedrigem
Zinsfuß. Die Erhebung der Steuern geschieht prompt und sicher durch einfachen
und wenig kostspieligen Mechanismus.

Seit zwei Jahren ist die Idee rege geworden eine Einkommensteuer in Preu¬
ßen einzurichten, welche in größeren Städten an die Mahl- und Schlachtsteuer,
in kleineren und auf dem Lande an die Stelle der Klassenstener treten sollte. Hin
und wieder forderte man sogar die Aufhebung aller andern Steuern und die Ein¬
führung der Einkommensteuer an aller andern Statt. Bis jetzt ist England der
einzige Staat, welcher eine Einkommensteuer durchgesetzt hat und auch diese erst
seit kurzer Zeit. Es ist unnütz, hier noch etwas zum Lobe des Princips einer
Einkommensteuer sagen zu wollen, die theoretische Vortrefflichkeit derselben wird
auch von ihren Gegnern nicht bestritten und nur die praktische Ausführbarkeit und
Zweckmäßigkeit ans den verschiedensten Gründen angefochten. Niemand kann leug¬
nen, daß eine Steuer, welche die Abgabe des Staatsbürgers nach der Größe
seiner jährlichen Einnahmen, also seiner Leistungsfähigkeit, abmißt, die beste aller
Auflagen sein müsse; aber freilich setzt eine solche Steuer bei dem Volk keine ge¬
ringe politische Bildung und Anhänglichkeit um die Idee des Staates voraus, und
ferner ein kräftiges Selbstregiment der Gemeinden und Kreise. Die Schwierig¬
keiten, welche überall bei derselben zu überwinden sind, liegen erstens darin, daß
die Schätzung des einzelnen Vermögens unerträglich gehässig erscheint, wenn sie
nicht eine Selbstschätzung ist, welche durch die Mitbürger der freien Gemeinde
oder des .Kreises :c. controlirt wird, und weil zweitens die kleinen Einnahmen
des größten Theils der arbeitenden Klassen eine Sclbstschcitzung der Einzelnen sehr
schwierig machen, weil diese sich einer Geldpflicht gern entziehn und bei der Taxe
in eine endlose Groschenrechnung hereinführen müssen, welche eben so kostspielig,
als unsicher wird.

Wenn es Anerkennung verdient, daß das preußische Ministerium überhaupt
den Muth hatte, trotz diesen Schwierigkeiten grade jetzt eine Einkommensteuer
einzuleiten, so kann man vollends der Energie ein aufrichtiges Lob nicht versagen,


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[0226] rantien für seinen Bestand geben. Freilich findet anch dieses Schweben in Gegen¬ sätzen seine Erklärung in der Geschichte deö preußischen Staates, und die Person Friedrich des Großen zeigt uns in einem Manne verbunden, was später in den Stein-Hardenberg'schen Reformen gegenüber der militärischen Uniformirung des Staats durch Friedrich Wilhelm 1!!., und jetzt in einem Ministerium von Gene¬ rälen, welche radikale Umänderungen des Staatshaushalts beabsichtigen, ausein¬ ander liegt. Preußen ist in Beziehung auf seine Finanzen in diesem Augenblick vielleicht der gesündeste Staat Europa's. Die Schuldenlast ist gegenwärtig etwa 2^ mal so groß als die Einnahmen eines Jahres, die Schulden selbst sind unter vor- theilhaften Bedingungen contrahirt und im Durchschnitt betrachtet von niedrigem Zinsfuß. Die Erhebung der Steuern geschieht prompt und sicher durch einfachen und wenig kostspieligen Mechanismus. Seit zwei Jahren ist die Idee rege geworden eine Einkommensteuer in Preu¬ ßen einzurichten, welche in größeren Städten an die Mahl- und Schlachtsteuer, in kleineren und auf dem Lande an die Stelle der Klassenstener treten sollte. Hin und wieder forderte man sogar die Aufhebung aller andern Steuern und die Ein¬ führung der Einkommensteuer an aller andern Statt. Bis jetzt ist England der einzige Staat, welcher eine Einkommensteuer durchgesetzt hat und auch diese erst seit kurzer Zeit. Es ist unnütz, hier noch etwas zum Lobe des Princips einer Einkommensteuer sagen zu wollen, die theoretische Vortrefflichkeit derselben wird auch von ihren Gegnern nicht bestritten und nur die praktische Ausführbarkeit und Zweckmäßigkeit ans den verschiedensten Gründen angefochten. Niemand kann leug¬ nen, daß eine Steuer, welche die Abgabe des Staatsbürgers nach der Größe seiner jährlichen Einnahmen, also seiner Leistungsfähigkeit, abmißt, die beste aller Auflagen sein müsse; aber freilich setzt eine solche Steuer bei dem Volk keine ge¬ ringe politische Bildung und Anhänglichkeit um die Idee des Staates voraus, und ferner ein kräftiges Selbstregiment der Gemeinden und Kreise. Die Schwierig¬ keiten, welche überall bei derselben zu überwinden sind, liegen erstens darin, daß die Schätzung des einzelnen Vermögens unerträglich gehässig erscheint, wenn sie nicht eine Selbstschätzung ist, welche durch die Mitbürger der freien Gemeinde oder des .Kreises :c. controlirt wird, und weil zweitens die kleinen Einnahmen des größten Theils der arbeitenden Klassen eine Sclbstschcitzung der Einzelnen sehr schwierig machen, weil diese sich einer Geldpflicht gern entziehn und bei der Taxe in eine endlose Groschenrechnung hereinführen müssen, welche eben so kostspielig, als unsicher wird. Wenn es Anerkennung verdient, daß das preußische Ministerium überhaupt den Muth hatte, trotz diesen Schwierigkeiten grade jetzt eine Einkommensteuer einzuleiten, so kann man vollends der Energie ein aufrichtiges Lob nicht versagen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/226>, abgerufen am 05.02.2025.