Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Und doch, wie sehr der Deutsche die Politik Preußens beklagen muß, sie ist Der Waffenstillstand ist abgeschlossen, der Friede wird nach menschlicher Be¬ Der Kampf bei Fridericia war eine unglückliche Affaire, wie sie jeder Krieg Und doch, wie sehr der Deutsche die Politik Preußens beklagen muß, sie ist Der Waffenstillstand ist abgeschlossen, der Friede wird nach menschlicher Be¬ Der Kampf bei Fridericia war eine unglückliche Affaire, wie sie jeder Krieg <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279250"/> <p xml:id="ID_716"> Und doch, wie sehr der Deutsche die Politik Preußens beklagen muß, sie ist<lb/> immer noch verständiger, ja auch ehrlicher, als die mancher anderer deutschen<lb/> Staaten, z. B. Baierns; es gibt wenig, was so widerlich wäre, als die Mi¬<lb/> schung von Hilflosigkeit und Arroganz, welche das Ministerium der Wittelsbacher<lb/> zur Schau trügt. Ohnmächtig gegen den Aufstand in der Pfalz, brutalistren sie<lb/> den Preußen gegenüber, nachdem diese ihnen das Land gereinigt haben; hilflos<lb/> in ihrer Politik, kokettirten sie mit Oestreich, ohne den Willen sich ihm unterzu¬<lb/> ordnen, liebäugeln sie mit allen Gegnern Deutschlands der Reihe nach, ohne die<lb/> Kraft zu einem Entschluß zu gewinnen; heuchlerisch gegen die Herzogthümer, pro-<lb/> testiren sie gegen den Waffenstillstand und ziehen zu gleicher Zeit hastiger ihre<lb/> Truppen zurück, als irgend ein anderer Staat; unehrlich gegen alle Parteien in<lb/> ihrem eigenen Lande, schwanken sie principicnlos zwischen Ultramontanen und Li¬<lb/> beralen. Sehr kläglich ist der Eindruck, welchen die einzelnen deutschen Staaten<lb/> machen, und wenn Preußen die bittern Früchte seiner Schwäche nicht vollständig<lb/> durchzukosten bekommt, so hat es dies nur dem Umstand zu verdanken, daß seine<lb/> deutscheu Gegner so gar jämmerlich send. —</p><lb/> <p xml:id="ID_717"> Der Waffenstillstand ist abgeschlossen, der Friede wird nach menschlicher Be¬<lb/> rechnung nicht folgen. Die Herzogthümer beharren auf ihrem Widerstand und<lb/> werden, da Schleswig durch preußische und wahrscheinlich schwedische Truppen be¬<lb/> setzt wird, ihre militärische Macht in Holstein organisiren. Mit ihnen sind die<lb/> Wünsche aller Deutschen von Ehrgefühl, auch dem Einzelnen wird jetzt Gelegen¬<lb/> heit, zu zeigen, ob er den Willen hat, eine nationale Sache zu unterstützen, denn<lb/> die Herzogthümer werden noch andere als ihre eigene Kraft nöthig haben, um<lb/> sich schlagfertig bis zum neuem Kriege zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_718"> Der Kampf bei Fridericia war eine unglückliche Affaire, wie sie jeder Krieg<lb/> bringt, es ist dem preußischen Oberbefehlshaber dabei sehr Unrecht geschehn. Was<lb/> auch Prittwitz in diesen: Kampfe verschuldet haben möge, ihm oder Preußen ohne<lb/> jeden Beweis eine Verrätherei, ein abscheuliches, todeswürdiges Verbrechen Schuld<lb/> zu geben, ist eine Unwürdigkeit, gegen welches die besonnene Presse mit aller<lb/> Kraft auftreten muß. Wir fühlen uus gegenwärtig Alle schwach, verstimmt und<lb/> gereizt, in solcher Zeit finden die abgeschmacktesten Behauptungen Gehör und leicht<lb/> hadert Einer gegen den Andern. Wir haben aber genug Veranlassung mit Recht<lb/> über uns und Andre zu klagen, es thut uicht Noth, daß man noch imaginäre<lb/> Verbrechen herausfindet, um Stoss zur Anklage zu haben. Wenn Preußen der<lb/> große Vorwurf trifft, daß es seinen und seiner Bürger egoistischen Vortheil schwach¬<lb/> herzig dem Kampf für ein nationales Interesse vorgezogen hat, so ist schon des¬<lb/> halb abgeschmackt zu glauben, daß es das Leben seiner zahlreichen Offiziere und<lb/> in der holsteinischen Armee den Dänen verkauft habe. Die Ursache des Unglücks<lb/> war, daß die holsteinische Armee selbst die Kraft des Feindes zu gering anschlug.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
Und doch, wie sehr der Deutsche die Politik Preußens beklagen muß, sie ist
immer noch verständiger, ja auch ehrlicher, als die mancher anderer deutschen
Staaten, z. B. Baierns; es gibt wenig, was so widerlich wäre, als die Mi¬
schung von Hilflosigkeit und Arroganz, welche das Ministerium der Wittelsbacher
zur Schau trügt. Ohnmächtig gegen den Aufstand in der Pfalz, brutalistren sie
den Preußen gegenüber, nachdem diese ihnen das Land gereinigt haben; hilflos
in ihrer Politik, kokettirten sie mit Oestreich, ohne den Willen sich ihm unterzu¬
ordnen, liebäugeln sie mit allen Gegnern Deutschlands der Reihe nach, ohne die
Kraft zu einem Entschluß zu gewinnen; heuchlerisch gegen die Herzogthümer, pro-
testiren sie gegen den Waffenstillstand und ziehen zu gleicher Zeit hastiger ihre
Truppen zurück, als irgend ein anderer Staat; unehrlich gegen alle Parteien in
ihrem eigenen Lande, schwanken sie principicnlos zwischen Ultramontanen und Li¬
beralen. Sehr kläglich ist der Eindruck, welchen die einzelnen deutschen Staaten
machen, und wenn Preußen die bittern Früchte seiner Schwäche nicht vollständig
durchzukosten bekommt, so hat es dies nur dem Umstand zu verdanken, daß seine
deutscheu Gegner so gar jämmerlich send. —
Der Waffenstillstand ist abgeschlossen, der Friede wird nach menschlicher Be¬
rechnung nicht folgen. Die Herzogthümer beharren auf ihrem Widerstand und
werden, da Schleswig durch preußische und wahrscheinlich schwedische Truppen be¬
setzt wird, ihre militärische Macht in Holstein organisiren. Mit ihnen sind die
Wünsche aller Deutschen von Ehrgefühl, auch dem Einzelnen wird jetzt Gelegen¬
heit, zu zeigen, ob er den Willen hat, eine nationale Sache zu unterstützen, denn
die Herzogthümer werden noch andere als ihre eigene Kraft nöthig haben, um
sich schlagfertig bis zum neuem Kriege zu erhalten.
Der Kampf bei Fridericia war eine unglückliche Affaire, wie sie jeder Krieg
bringt, es ist dem preußischen Oberbefehlshaber dabei sehr Unrecht geschehn. Was
auch Prittwitz in diesen: Kampfe verschuldet haben möge, ihm oder Preußen ohne
jeden Beweis eine Verrätherei, ein abscheuliches, todeswürdiges Verbrechen Schuld
zu geben, ist eine Unwürdigkeit, gegen welches die besonnene Presse mit aller
Kraft auftreten muß. Wir fühlen uus gegenwärtig Alle schwach, verstimmt und
gereizt, in solcher Zeit finden die abgeschmacktesten Behauptungen Gehör und leicht
hadert Einer gegen den Andern. Wir haben aber genug Veranlassung mit Recht
über uns und Andre zu klagen, es thut uicht Noth, daß man noch imaginäre
Verbrechen herausfindet, um Stoss zur Anklage zu haben. Wenn Preußen der
große Vorwurf trifft, daß es seinen und seiner Bürger egoistischen Vortheil schwach¬
herzig dem Kampf für ein nationales Interesse vorgezogen hat, so ist schon des¬
halb abgeschmackt zu glauben, daß es das Leben seiner zahlreichen Offiziere und
in der holsteinischen Armee den Dänen verkauft habe. Die Ursache des Unglücks
war, daß die holsteinische Armee selbst die Kraft des Feindes zu gering anschlug.
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