Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Duell ist vorbei. Es hat anders geendet, als bei euch "draußen." Die beiden Oestreich ist eine politische, staatliche Nothwendigkeit. Oestreich soll, Oestreich Es wird in der Welt viel vom Kaiserstaat Oestreich gesprochen. Es gibt Ich wiederhole es: die Liebe für Oestreich ist identisch mit dem Hasse gegen Duell ist vorbei. Es hat anders geendet, als bei euch „draußen." Die beiden Oestreich ist eine politische, staatliche Nothwendigkeit. Oestreich soll, Oestreich Es wird in der Welt viel vom Kaiserstaat Oestreich gesprochen. Es gibt Ich wiederhole es: die Liebe für Oestreich ist identisch mit dem Hasse gegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279222"/> <p xml:id="ID_615" prev="#ID_614"> Duell ist vorbei. Es hat anders geendet, als bei euch „draußen." Die beiden<lb/> Gegner kamen sich auf halbem Wege entgegen, sie wurden Freunde. ES gab keinen<lb/> Sieger und keinen Besiegten. Ihr sagt, euer Verstand habe gesiegt und ihr freut<lb/> euch dieses Sieges, denn ein edles Herz freut sich des Opfers, das es bringen<lb/> kann. Euer Schmerz und eure Frende aber gleicht den Empfindungen hysterischer<lb/> Weiber; sie haben keinen reellen Boden, auf dem sie fußen.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Oestreich ist eine politische, staatliche Nothwendigkeit. Oestreich soll, Oestreich<lb/> muß, Oestreich kann bestehn als einheitlicher, mächtiger und — freier Staat,<lb/> denn ihm ward eine große Mission zu Theil, die es erfüllen muß. Das ist das<lb/> Räsonnement, das man gewöhnlich zu hören bekommt, wenn über die Zukunft<lb/> Ungarns und sein Verhältniß zu Oestreich abgeurtheilt wird. Man wundert sich,<lb/> daß der liberal denkende Deutsche im Kaiserstaat dieses Raisonnement nicht zu dem<lb/> seinigen macht, nud sich von der Romantik des Magyarenlandes oder von dem<lb/> Hasse gegen das östreichische Regiment so weit hinreißen läßt, seine Sympathien<lb/> für Ungarn offen an den Tag zu legen. Man sollte den Oestreichs nicht so leicht<lb/> verdammen. Wie sich Deutschlands, wie sich Oestreichs Zukunft gestalten dürfte,<lb/> wenn die Magyaren Sieger bleiben, ist uns, ehrlich gestanden, eben so wenig<lb/> klar, wie euch. Desto schauriger weht uns die Gewißheit dessen an, was im ent¬<lb/> gegengesetzten Falle geschieht. Es sind die Schauer von Kamtschatka.</p><lb/> <p xml:id="ID_617"> Es wird in der Welt viel vom Kaiserstaat Oestreich gesprochen. Es gibt<lb/> ein Oestreich, aber der Pole ist in seinem Innern kein Bürger dieses Staates,<lb/> der Italiener ist's nicht, der Ungar und der Slave und der Deutsche ist's auch<lb/> nicht. Die, welche das Wort „Oestreich" seit dem März dieses Jahres ewig<lb/> im Munde führen, sind seine schlechtesten oder beschränktesten Bürger. Sie kennen<lb/> ihr Vaterland nicht, oder stehn im Dienste der Regierung, oder sprechen mit der<lb/> Zunge anders als sie denken. Wo es aber doch noch einen ehrlichen Mann im<lb/> Staate gibt, der Oestreich als Ganzes liebt, der ist sehr zu bedauern. Er<lb/> muß die Polen hassen, weil sie sich von Oestreich losreißen möchten, er muß die<lb/> Italiener hassen, weil sie sich gegen den Verband mit Oestreich sträuben, er muß<lb/> gegen die Magyaren zu Felde zieh», weil diese gegen jede innigere Verschmelzung<lb/> mit Oestreich in den Kampf gehn, er muß endlich den deutschen Oestreicher hassen,<lb/> dem ein schwarzrothgoldner Traum durch die Seele zieht. Seine Liebe für Oest¬<lb/> reich ist identisch mit dem Hasse gegen Oestreichs Völker. — Man wende hier<lb/> nicht ein, daß dieser Haß blos Fraktionen in den einzelnen Kronländern trifft.<lb/> Wer nach den blutigen Erhebungen in Galizien, nach den Todeskämpfen der Ita¬<lb/> liener und Ungarn noch von „rebellischen Fraktionen" spricht, will Andere oder<lb/> sich selbst betrügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_618" next="#ID_619"> Ich wiederhole es: die Liebe für Oestreich ist identisch mit dem Hasse gegen<lb/> Oestreichs Völker. Nur Einen Moment gab es, wo die verschiedenen Stämme<lb/> einander trunken in den Armen lagen, von einem gemeinsamen Mit- und Irem-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
Duell ist vorbei. Es hat anders geendet, als bei euch „draußen." Die beiden
Gegner kamen sich auf halbem Wege entgegen, sie wurden Freunde. ES gab keinen
Sieger und keinen Besiegten. Ihr sagt, euer Verstand habe gesiegt und ihr freut
euch dieses Sieges, denn ein edles Herz freut sich des Opfers, das es bringen
kann. Euer Schmerz und eure Frende aber gleicht den Empfindungen hysterischer
Weiber; sie haben keinen reellen Boden, auf dem sie fußen.
Oestreich ist eine politische, staatliche Nothwendigkeit. Oestreich soll, Oestreich
muß, Oestreich kann bestehn als einheitlicher, mächtiger und — freier Staat,
denn ihm ward eine große Mission zu Theil, die es erfüllen muß. Das ist das
Räsonnement, das man gewöhnlich zu hören bekommt, wenn über die Zukunft
Ungarns und sein Verhältniß zu Oestreich abgeurtheilt wird. Man wundert sich,
daß der liberal denkende Deutsche im Kaiserstaat dieses Raisonnement nicht zu dem
seinigen macht, nud sich von der Romantik des Magyarenlandes oder von dem
Hasse gegen das östreichische Regiment so weit hinreißen läßt, seine Sympathien
für Ungarn offen an den Tag zu legen. Man sollte den Oestreichs nicht so leicht
verdammen. Wie sich Deutschlands, wie sich Oestreichs Zukunft gestalten dürfte,
wenn die Magyaren Sieger bleiben, ist uns, ehrlich gestanden, eben so wenig
klar, wie euch. Desto schauriger weht uns die Gewißheit dessen an, was im ent¬
gegengesetzten Falle geschieht. Es sind die Schauer von Kamtschatka.
Es wird in der Welt viel vom Kaiserstaat Oestreich gesprochen. Es gibt
ein Oestreich, aber der Pole ist in seinem Innern kein Bürger dieses Staates,
der Italiener ist's nicht, der Ungar und der Slave und der Deutsche ist's auch
nicht. Die, welche das Wort „Oestreich" seit dem März dieses Jahres ewig
im Munde führen, sind seine schlechtesten oder beschränktesten Bürger. Sie kennen
ihr Vaterland nicht, oder stehn im Dienste der Regierung, oder sprechen mit der
Zunge anders als sie denken. Wo es aber doch noch einen ehrlichen Mann im
Staate gibt, der Oestreich als Ganzes liebt, der ist sehr zu bedauern. Er
muß die Polen hassen, weil sie sich von Oestreich losreißen möchten, er muß die
Italiener hassen, weil sie sich gegen den Verband mit Oestreich sträuben, er muß
gegen die Magyaren zu Felde zieh», weil diese gegen jede innigere Verschmelzung
mit Oestreich in den Kampf gehn, er muß endlich den deutschen Oestreicher hassen,
dem ein schwarzrothgoldner Traum durch die Seele zieht. Seine Liebe für Oest¬
reich ist identisch mit dem Hasse gegen Oestreichs Völker. — Man wende hier
nicht ein, daß dieser Haß blos Fraktionen in den einzelnen Kronländern trifft.
Wer nach den blutigen Erhebungen in Galizien, nach den Todeskämpfen der Ita¬
liener und Ungarn noch von „rebellischen Fraktionen" spricht, will Andere oder
sich selbst betrügen.
Ich wiederhole es: die Liebe für Oestreich ist identisch mit dem Hasse gegen
Oestreichs Völker. Nur Einen Moment gab es, wo die verschiedenen Stämme
einander trunken in den Armen lagen, von einem gemeinsamen Mit- und Irem-
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