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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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zusehen, wie sie allein fertig werden. Freilich dürsten sie dann auf unsere Hilfe
vergeblich rechnen, wenn sich eben auch bei ihnen ähnliche Bestrebungen unter dem
Vorwande der Reichsverfassung kund geben sollten, wie in Baden."

Das weimarische Ministerium war wenigstens nach dieser Antwort der Ansicht,
.von weiteren Verhandeln abzustehnund sich einfach zu füge". Meiningen, Koburg und
die anderen sollen noch immer einen günstigeren Bescheid zu erlangen hoffen, aber
es ist gewiß, daß sie das Geld, das für diese außerordentlichen Ambassaden auf¬
geht, viel besser anwenden könnten, besonders jetzt, nach dem Jahre 1848, das
auch für die Finanzen ein bitterböses Nevvlutionöjahr gewesen ist.

Wenn unsere übrigen Regierungen im Laufe der nächsten Wochen sich vor¬
aussichtlich ohne Ausnahme dem preußischen Projecte anschließen, so fragt sich noch,
was die getreuen Stände dazu sagen werde"? Daß sie gefragt werden, versteht
sich von selbst. In Weimar ist die" Antwort günstig für das Ministerium ausge¬
fallen. -- Ich wüßte aber auch in der That nicht was sie anderes thun könn¬
ten, wenn sie nicht einen Ministerwechsel herbeiführen wollten. Daran denken
aber kaum die drei oder vier Repräsentanten der äußersten Linken, die in dem
Weimarer Ständesaal sitzen. Die Leute haben zu viel vou der Thüringer Nüch¬
ternheit, um nicht zu wissen, daß das ganze Ländchen, ihre Committenten und
sie selbst bei einem Ministerwechsel sehr übel wegkommen würden. Denn ans ein
Ministerium Watzdorf-Wydenburgk könnte im gegenwärtigen Augenblick doch nur
wieder ein bureaukratisches nach vormärzlichen Zuschnitte folgen. An ein demo¬
kratisches denkt im Ernst jetzt dort Niemand mehr, abgesehen davon, daß kein
einziger Vertreter dieser Partei im Lande auch uur vou ferueher zu einer practi-
schen politischen Rolle befähigt ist. Uebrigens muß man es ihnen zum Ruhme
nachsagen, daß sie selbst sich über diese ihre totale Unfähigkeit zum Regieren nie¬
mals getäuscht haben. -- Selbst in den schwierigsten Momenten des vorigen
Sommers und Herbstes, wo die Partei ohne Mühe das Ministerium sprengen
konnte, hat sie es nicht gethan und sich lieber auf zweckloses Couspiriren und
Declamiren für die abstrakten Principien der Demokratie oder der socialen Re¬
publik gelegt. --

Der Weimarer Landtag ist nebenbei bemerkt, eine nicht üble Probe für die
allerbreiteste Grundlage. Er ist nach dem freisinnigsten Wahlgesetz gewählt, das
meines Wissens in Dentschland existirt, ist gewählt, in einer noch sehr aufgeregten
Zeit, im Anfange des vergangenen Winters, und doch könnte ihm selbst sein ärg¬
ster Feind nichts anders nachsagen, als daß er mitunter recht langweilig wird. --

Das Beispiel des Weimarer Landtags wird hoffentlich gut auf die anderen
neun wirken, denen dieselbe Frage in kurzem vorgelegt werden soll. Ich glaube,
daß man wenigstens in Meiningen und Koburg so vernünftig sein wird, sich ohne
viele Phrasen zu fügen, und die dortigen ganz trefflichen Ministerien nicht durch
kindische Redemontoden in Verlegenheit setzt. In den andern Ständesälen hat


zusehen, wie sie allein fertig werden. Freilich dürsten sie dann auf unsere Hilfe
vergeblich rechnen, wenn sich eben auch bei ihnen ähnliche Bestrebungen unter dem
Vorwande der Reichsverfassung kund geben sollten, wie in Baden."

Das weimarische Ministerium war wenigstens nach dieser Antwort der Ansicht,
.von weiteren Verhandeln abzustehnund sich einfach zu füge». Meiningen, Koburg und
die anderen sollen noch immer einen günstigeren Bescheid zu erlangen hoffen, aber
es ist gewiß, daß sie das Geld, das für diese außerordentlichen Ambassaden auf¬
geht, viel besser anwenden könnten, besonders jetzt, nach dem Jahre 1848, das
auch für die Finanzen ein bitterböses Nevvlutionöjahr gewesen ist.

Wenn unsere übrigen Regierungen im Laufe der nächsten Wochen sich vor¬
aussichtlich ohne Ausnahme dem preußischen Projecte anschließen, so fragt sich noch,
was die getreuen Stände dazu sagen werde»? Daß sie gefragt werden, versteht
sich von selbst. In Weimar ist die» Antwort günstig für das Ministerium ausge¬
fallen. — Ich wüßte aber auch in der That nicht was sie anderes thun könn¬
ten, wenn sie nicht einen Ministerwechsel herbeiführen wollten. Daran denken
aber kaum die drei oder vier Repräsentanten der äußersten Linken, die in dem
Weimarer Ständesaal sitzen. Die Leute haben zu viel vou der Thüringer Nüch¬
ternheit, um nicht zu wissen, daß das ganze Ländchen, ihre Committenten und
sie selbst bei einem Ministerwechsel sehr übel wegkommen würden. Denn ans ein
Ministerium Watzdorf-Wydenburgk könnte im gegenwärtigen Augenblick doch nur
wieder ein bureaukratisches nach vormärzlichen Zuschnitte folgen. An ein demo¬
kratisches denkt im Ernst jetzt dort Niemand mehr, abgesehen davon, daß kein
einziger Vertreter dieser Partei im Lande auch uur vou ferueher zu einer practi-
schen politischen Rolle befähigt ist. Uebrigens muß man es ihnen zum Ruhme
nachsagen, daß sie selbst sich über diese ihre totale Unfähigkeit zum Regieren nie¬
mals getäuscht haben. — Selbst in den schwierigsten Momenten des vorigen
Sommers und Herbstes, wo die Partei ohne Mühe das Ministerium sprengen
konnte, hat sie es nicht gethan und sich lieber auf zweckloses Couspiriren und
Declamiren für die abstrakten Principien der Demokratie oder der socialen Re¬
publik gelegt. —

Der Weimarer Landtag ist nebenbei bemerkt, eine nicht üble Probe für die
allerbreiteste Grundlage. Er ist nach dem freisinnigsten Wahlgesetz gewählt, das
meines Wissens in Dentschland existirt, ist gewählt, in einer noch sehr aufgeregten
Zeit, im Anfange des vergangenen Winters, und doch könnte ihm selbst sein ärg¬
ster Feind nichts anders nachsagen, als daß er mitunter recht langweilig wird. —

Das Beispiel des Weimarer Landtags wird hoffentlich gut auf die anderen
neun wirken, denen dieselbe Frage in kurzem vorgelegt werden soll. Ich glaube,
daß man wenigstens in Meiningen und Koburg so vernünftig sein wird, sich ohne
viele Phrasen zu fügen, und die dortigen ganz trefflichen Ministerien nicht durch
kindische Redemontoden in Verlegenheit setzt. In den andern Ständesälen hat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/188>, abgerufen am 05.02.2025.