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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Aber leider hat der preußische Staat seine kriegerische Ehre nur da gewahrt,
wo es der Revolution galt -- eine zweifelhafte Ehre überdies, da man es mit
keinem ebenbürtigen Gegner zu thun hatte. In dein einzigen Kriege, der bis jetzt
für Deutschland geführt ist, hat er sie uicht gewahrt, und das ist das schwärzeste
Blatt unserer Geschichte.

Ich habe den dänischen Krieg von Anfang a" für ein Unglück gehalten. Er
wurde! in einem Sturm des Gefühls-Enthusiasmus unternommen, ohne klare
Uebersicht über das, was man eigentlich vorhatte. Ein Krieg ist nnr dann ein
wirksames Entwickluugsmoment für eine strebsame Nation, wenn man sowohl über
den Zweck, den mau dadurch erreichen will, als über die Mittel, die dazu führen
sollen, sich ein bestimmtes Bild gemacht hat. Keines von beiden war geschehen.
Das positive Recht den Friedensbedingungen zu Grunde zu legen, war unmöglich,
weil es selbst bei der für Deutschland günstigsten Auslegung - der Union der
Herzogthümer und ihrer Selbstständigkeit Dänemark gegenüber -- soviel innere
Widersprüche enthält, daß daraus ein wahrhaft staatliches Verhältniß sich uicht
entwickeln konnte. Denn zu dem projectirten deutschen Centralstaat, dem Holstein
angehören mußte, konnte Schleswig ohne die Einwilligung seines Souveräns recht¬
lich nicht gezogen, die Fortdauer der Union rechtlich uicht gelöst werden. Ueber
die rechtlichen Ansprüche hinauszugehn, durste man ader nur in dem einen Fall
wagen, wenn mau zugleich den Muth hatte, einer Koalition der europäischen
Großmächte den Handschuh hinzuwerfen. Ich will hier die Frage nicht aufwerfen,
ob es nicht klüger gewesen wäre, diesen Muth wirklich zu habe"; genng man
hatte ihn nicht, und war deshalb mit seinen Zwecken an enge Schranken gekettet.
Dazu kam nun, daß man über die Mittel gar nicht verfügen konnte; es war vor¬
auszusehen, daß Dänemark trotz seiner unbedeutenden Macht dennoch in der Lage
war, seinem Gegner mehr Schaden zu thun als zu erleiden. Bei diesen Bvr-
aussetznngen habe ich den Waffenstillstand von Malmö zwar nicht für einen be¬
sonders rühmlichen, aber für einen erträgliche" Ausgang des Krieges gehalten.
Mit dem jetzt abgeschlossenen hat es aber eine andere Bewandtnis).

Einmal. Der Krieg ist unrühmlicher geführt worden, als der vorige.
Eine dänische Armee hat sich in Jütland der deutsche" Armee gegenübergestellt,
sie ist nicht vernichtet worden; mau hat eine Stadt belagert, und sie uicht erobern
können; man hat die Einnahme der Düppler Schanzen nicht weil^r verfolgt; man
hat dänische Kriegsschiffe innerhalb preußischer Batterie" ruhig ihre Raubzüge fort¬
setzen lassen. Die deutsche" Waffen haben "och zuletzt eine Niederlage erlitten,
und ma" hat sie nicht gerächt, man hat ungestört den schimpflichen Contract unter¬
zeichnet.

Weiter. Die Formen, in denen der Waffenstillstand "ut die Friedenspräli¬
minarien abgefaßt sind, stempeln sie zu einem Separatfrieden, ähnlich dem Base¬
ler. Daß man die Centralgewalt umging, war ganz in der Ordnung, denn mit


Aber leider hat der preußische Staat seine kriegerische Ehre nur da gewahrt,
wo es der Revolution galt — eine zweifelhafte Ehre überdies, da man es mit
keinem ebenbürtigen Gegner zu thun hatte. In dein einzigen Kriege, der bis jetzt
für Deutschland geführt ist, hat er sie uicht gewahrt, und das ist das schwärzeste
Blatt unserer Geschichte.

Ich habe den dänischen Krieg von Anfang a» für ein Unglück gehalten. Er
wurde! in einem Sturm des Gefühls-Enthusiasmus unternommen, ohne klare
Uebersicht über das, was man eigentlich vorhatte. Ein Krieg ist nnr dann ein
wirksames Entwickluugsmoment für eine strebsame Nation, wenn man sowohl über
den Zweck, den mau dadurch erreichen will, als über die Mittel, die dazu führen
sollen, sich ein bestimmtes Bild gemacht hat. Keines von beiden war geschehen.
Das positive Recht den Friedensbedingungen zu Grunde zu legen, war unmöglich,
weil es selbst bei der für Deutschland günstigsten Auslegung - der Union der
Herzogthümer und ihrer Selbstständigkeit Dänemark gegenüber — soviel innere
Widersprüche enthält, daß daraus ein wahrhaft staatliches Verhältniß sich uicht
entwickeln konnte. Denn zu dem projectirten deutschen Centralstaat, dem Holstein
angehören mußte, konnte Schleswig ohne die Einwilligung seines Souveräns recht¬
lich nicht gezogen, die Fortdauer der Union rechtlich uicht gelöst werden. Ueber
die rechtlichen Ansprüche hinauszugehn, durste man ader nur in dem einen Fall
wagen, wenn mau zugleich den Muth hatte, einer Koalition der europäischen
Großmächte den Handschuh hinzuwerfen. Ich will hier die Frage nicht aufwerfen,
ob es nicht klüger gewesen wäre, diesen Muth wirklich zu habe»; genng man
hatte ihn nicht, und war deshalb mit seinen Zwecken an enge Schranken gekettet.
Dazu kam nun, daß man über die Mittel gar nicht verfügen konnte; es war vor¬
auszusehen, daß Dänemark trotz seiner unbedeutenden Macht dennoch in der Lage
war, seinem Gegner mehr Schaden zu thun als zu erleiden. Bei diesen Bvr-
aussetznngen habe ich den Waffenstillstand von Malmö zwar nicht für einen be¬
sonders rühmlichen, aber für einen erträgliche» Ausgang des Krieges gehalten.
Mit dem jetzt abgeschlossenen hat es aber eine andere Bewandtnis).

Einmal. Der Krieg ist unrühmlicher geführt worden, als der vorige.
Eine dänische Armee hat sich in Jütland der deutsche» Armee gegenübergestellt,
sie ist nicht vernichtet worden; mau hat eine Stadt belagert, und sie uicht erobern
können; man hat die Einnahme der Düppler Schanzen nicht weil^r verfolgt; man
hat dänische Kriegsschiffe innerhalb preußischer Batterie» ruhig ihre Raubzüge fort¬
setzen lassen. Die deutsche» Waffen haben »och zuletzt eine Niederlage erlitten,
und ma» hat sie nicht gerächt, man hat ungestört den schimpflichen Contract unter¬
zeichnet.

Weiter. Die Formen, in denen der Waffenstillstand »ut die Friedenspräli¬
minarien abgefaßt sind, stempeln sie zu einem Separatfrieden, ähnlich dem Base¬
ler. Daß man die Centralgewalt umging, war ganz in der Ordnung, denn mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/181>, abgerufen am 05.02.2025.