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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Das Buch erschien heftweise, und wie bemerkt, während des Belagerungs¬
zustandes. Ueber die Tendenz kann daher kein Zweifel obwalten. Die ersten
Lieferungen des Werkes von.Lügen, Entstellungen, Verläumdungen und Denun¬
ziationen strotzend erfreuten sich des herablassendsten Wohlwollens von Seite des
Freiherr,? von Melden und der hohen Civilantoritäten. Herr Duncker machte bril¬
lante Geschäfte, deun sein Buch hat einen gewissen Werth dadurch, daß alle Ak¬
tenstücke jener Periode, Plakate, Kundmachnngen :c. darin zu finden sind. Herr
Duncker hat fleißig gesammelt, wenn anch ungeschickt zusammengestellt. Die Dick¬
leibigkeit seines Werkes sprach für dessen Ausführlichkeit, und diese wurde von
vielen Seiten gefordert. So kam es, daß er guten Absatz fand. Herr Duncker,
der hier zum ersten Male öffentlich für Staat, Gesellschaft und Familie ge¬
wirkt hatte, wollte dafür auch eine öffentliche Anerkennung, er aspirirte auf ein
Goldstück, das er im Knopfloch tragen könne. Seine Bemühungen jedoch waren
vergebens. Da schickte er voll edlen Zornes die letzte Lieferung in die Welt, und
um dieser willen verdient sein Werk, ein Phänomen in der Literaturgeschichte des
Belagerungszustandes genannt zu werden. In diesem letzten Hefte nämlich, wel¬
ches die Erstürmung Wiens durch die k. k. Truppen behandelt, erzählt Herr Dun¬
cker mit historischer Genauigkeit einen guten Theil der Gräul-, Mord- undPlün-
derungssccnen, welche von den k. k. Truppen in der Hauptstadt verübt worden
sind. Abgesehen davon, daß in keiner bis jetzt erschienenen Broschüre "über die
Oktoberrevolution" diese Details aufgenommen wurden, kann ich versichern, daß
der größte Theil derselben anch den Wienern selbst erst durch Duuckers Buch in
ihrer ganzen schauerlichen Ausdehnung bekannt geworden sind.

Für die Aechtheit seiner Angaben bürgt nicht sowohl sein Charakter, als Frei¬
herr v. Böhm, der jetzige Gouverneur Wiens, unter dessen Herrschaft die letzte
Lieferung aus der Presse kam. Herr Duncker mußte für seine Angaben vollwichtige
Belege in der Tasche haben, sonst hätte er nicht gewagt zu erzählen, was er er¬
zählt hat. Die Sache machte Aussehen. Die Geschichte brachte den Gouverneur
in Wuth. Er verlangte von Herrn v. Kuffa, dem civilen Helfershelfer des Kriegs¬
gerichtes, daß er Duncker zur Rechenschaft ziehe. Doch dieser warnte vor größe¬
rem Skandal. Er bemerkte dem Herrn Gouverneur, was wir eben bemerkt haben,
daß Herr Duncker nämlich seine Angaben nicht geschrieben hätte, wenn er nicht
für jeden k. k. Mord unumstößliche Beweise produziren könnte. Das Kriegs¬
gericht würde ihn freisprechen müssen, und das hieße soviel, als die Mordscenen
amtlich bestätigen. Freiherr v. Böhm stand sofort von der Verfolgung Dunckers
ab. Wir lassen einige Auszüge aus dem letzten Heft folgen. Das Buch ist
wahrscheinlich in Deutschland wenig gekannt, und Herr Duncker wird uns zum
Dank verpflichtet sein, wenn wir es auf diese Weise dem deutschen Lesepublikum
empfehlen.

Seite 746. -- Zwischen 6 und 7 Uhr Abends (28. Oct.) erschien in der


Das Buch erschien heftweise, und wie bemerkt, während des Belagerungs¬
zustandes. Ueber die Tendenz kann daher kein Zweifel obwalten. Die ersten
Lieferungen des Werkes von.Lügen, Entstellungen, Verläumdungen und Denun¬
ziationen strotzend erfreuten sich des herablassendsten Wohlwollens von Seite des
Freiherr,? von Melden und der hohen Civilantoritäten. Herr Duncker machte bril¬
lante Geschäfte, deun sein Buch hat einen gewissen Werth dadurch, daß alle Ak¬
tenstücke jener Periode, Plakate, Kundmachnngen :c. darin zu finden sind. Herr
Duncker hat fleißig gesammelt, wenn anch ungeschickt zusammengestellt. Die Dick¬
leibigkeit seines Werkes sprach für dessen Ausführlichkeit, und diese wurde von
vielen Seiten gefordert. So kam es, daß er guten Absatz fand. Herr Duncker,
der hier zum ersten Male öffentlich für Staat, Gesellschaft und Familie ge¬
wirkt hatte, wollte dafür auch eine öffentliche Anerkennung, er aspirirte auf ein
Goldstück, das er im Knopfloch tragen könne. Seine Bemühungen jedoch waren
vergebens. Da schickte er voll edlen Zornes die letzte Lieferung in die Welt, und
um dieser willen verdient sein Werk, ein Phänomen in der Literaturgeschichte des
Belagerungszustandes genannt zu werden. In diesem letzten Hefte nämlich, wel¬
ches die Erstürmung Wiens durch die k. k. Truppen behandelt, erzählt Herr Dun¬
cker mit historischer Genauigkeit einen guten Theil der Gräul-, Mord- undPlün-
derungssccnen, welche von den k. k. Truppen in der Hauptstadt verübt worden
sind. Abgesehen davon, daß in keiner bis jetzt erschienenen Broschüre „über die
Oktoberrevolution" diese Details aufgenommen wurden, kann ich versichern, daß
der größte Theil derselben anch den Wienern selbst erst durch Duuckers Buch in
ihrer ganzen schauerlichen Ausdehnung bekannt geworden sind.

Für die Aechtheit seiner Angaben bürgt nicht sowohl sein Charakter, als Frei¬
herr v. Böhm, der jetzige Gouverneur Wiens, unter dessen Herrschaft die letzte
Lieferung aus der Presse kam. Herr Duncker mußte für seine Angaben vollwichtige
Belege in der Tasche haben, sonst hätte er nicht gewagt zu erzählen, was er er¬
zählt hat. Die Sache machte Aussehen. Die Geschichte brachte den Gouverneur
in Wuth. Er verlangte von Herrn v. Kuffa, dem civilen Helfershelfer des Kriegs¬
gerichtes, daß er Duncker zur Rechenschaft ziehe. Doch dieser warnte vor größe¬
rem Skandal. Er bemerkte dem Herrn Gouverneur, was wir eben bemerkt haben,
daß Herr Duncker nämlich seine Angaben nicht geschrieben hätte, wenn er nicht
für jeden k. k. Mord unumstößliche Beweise produziren könnte. Das Kriegs¬
gericht würde ihn freisprechen müssen, und das hieße soviel, als die Mordscenen
amtlich bestätigen. Freiherr v. Böhm stand sofort von der Verfolgung Dunckers
ab. Wir lassen einige Auszüge aus dem letzten Heft folgen. Das Buch ist
wahrscheinlich in Deutschland wenig gekannt, und Herr Duncker wird uns zum
Dank verpflichtet sein, wenn wir es auf diese Weise dem deutschen Lesepublikum
empfehlen.

Seite 746. — Zwischen 6 und 7 Uhr Abends (28. Oct.) erschien in der


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[0166] Das Buch erschien heftweise, und wie bemerkt, während des Belagerungs¬ zustandes. Ueber die Tendenz kann daher kein Zweifel obwalten. Die ersten Lieferungen des Werkes von.Lügen, Entstellungen, Verläumdungen und Denun¬ ziationen strotzend erfreuten sich des herablassendsten Wohlwollens von Seite des Freiherr,? von Melden und der hohen Civilantoritäten. Herr Duncker machte bril¬ lante Geschäfte, deun sein Buch hat einen gewissen Werth dadurch, daß alle Ak¬ tenstücke jener Periode, Plakate, Kundmachnngen :c. darin zu finden sind. Herr Duncker hat fleißig gesammelt, wenn anch ungeschickt zusammengestellt. Die Dick¬ leibigkeit seines Werkes sprach für dessen Ausführlichkeit, und diese wurde von vielen Seiten gefordert. So kam es, daß er guten Absatz fand. Herr Duncker, der hier zum ersten Male öffentlich für Staat, Gesellschaft und Familie ge¬ wirkt hatte, wollte dafür auch eine öffentliche Anerkennung, er aspirirte auf ein Goldstück, das er im Knopfloch tragen könne. Seine Bemühungen jedoch waren vergebens. Da schickte er voll edlen Zornes die letzte Lieferung in die Welt, und um dieser willen verdient sein Werk, ein Phänomen in der Literaturgeschichte des Belagerungszustandes genannt zu werden. In diesem letzten Hefte nämlich, wel¬ ches die Erstürmung Wiens durch die k. k. Truppen behandelt, erzählt Herr Dun¬ cker mit historischer Genauigkeit einen guten Theil der Gräul-, Mord- undPlün- derungssccnen, welche von den k. k. Truppen in der Hauptstadt verübt worden sind. Abgesehen davon, daß in keiner bis jetzt erschienenen Broschüre „über die Oktoberrevolution" diese Details aufgenommen wurden, kann ich versichern, daß der größte Theil derselben anch den Wienern selbst erst durch Duuckers Buch in ihrer ganzen schauerlichen Ausdehnung bekannt geworden sind. Für die Aechtheit seiner Angaben bürgt nicht sowohl sein Charakter, als Frei¬ herr v. Böhm, der jetzige Gouverneur Wiens, unter dessen Herrschaft die letzte Lieferung aus der Presse kam. Herr Duncker mußte für seine Angaben vollwichtige Belege in der Tasche haben, sonst hätte er nicht gewagt zu erzählen, was er er¬ zählt hat. Die Sache machte Aussehen. Die Geschichte brachte den Gouverneur in Wuth. Er verlangte von Herrn v. Kuffa, dem civilen Helfershelfer des Kriegs¬ gerichtes, daß er Duncker zur Rechenschaft ziehe. Doch dieser warnte vor größe¬ rem Skandal. Er bemerkte dem Herrn Gouverneur, was wir eben bemerkt haben, daß Herr Duncker nämlich seine Angaben nicht geschrieben hätte, wenn er nicht für jeden k. k. Mord unumstößliche Beweise produziren könnte. Das Kriegs¬ gericht würde ihn freisprechen müssen, und das hieße soviel, als die Mordscenen amtlich bestätigen. Freiherr v. Böhm stand sofort von der Verfolgung Dunckers ab. Wir lassen einige Auszüge aus dem letzten Heft folgen. Das Buch ist wahrscheinlich in Deutschland wenig gekannt, und Herr Duncker wird uns zum Dank verpflichtet sein, wenn wir es auf diese Weise dem deutschen Lesepublikum empfehlen. Seite 746. — Zwischen 6 und 7 Uhr Abends (28. Oct.) erschien in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/166>, abgerufen am 05.02.2025.