Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Sommer gehen sie sämmtlich in bloßen Hemdärmeln und weiten, weißen, unten Auf seine Schießwaffen, bei denen er gleich dem Türken und Serben dem Grenzboten, in. 1849. 20
Sommer gehen sie sämmtlich in bloßen Hemdärmeln und weiten, weißen, unten Auf seine Schießwaffen, bei denen er gleich dem Türken und Serben dem Grenzboten, in. 1849. 20
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Sommer gehen sie sämmtlich in bloßen Hemdärmeln und weiten, weißen, unten
gefranzten Leinenl'einkleidern; im Winter dagegen ziehen sie entweder enge, bis
an die Knöchel gehende Tuchhosen oder derlei etwas weitere, nach türkischer Ma¬
nier zugeschnittene (Dunje), dann grobtnchne, meist braune Jäckchen an. Die Be¬
waffnung des Serezauers besteht in zwei langen Pistolen, einem türkischen Messer
(Hcmdczar) und einer langen, sehr sicher schießenden Flinte, erstere werden sammt
der Munition in einem breiten, ledernen Leibgürtel geführt, die Flinte hängt über
den Rücken.
Auf seine Schießwaffen, bei denen er gleich dem Türken und Serben dem
Feuersteinschloß vor jeder andern Einrichtung den Vorzug gibt, verwendet der
Serezaner die größte Sorgfalt, sie sind sein größter Schatz, oft ein Erbstück meh¬
rerer Generationen, oft eine selbstgewonnene Türkeubeute. Mitunter trifft mau
bei ihnen Flinten, welche am Lauf mit zehn bis zwölf silbernen Ringen verziert
und am Anschlag reich und künstlich mit Perlmutter ausgelegt sind. Wenn der
Serezaner — wie jeder andere Grenzer — auch durch Erbtheil oder Kauf eine
ganze Mignonrüstkammer daheim hat, wird er sich doch selten entschließen, eine seiner
Pistolen oder Flinten an einen waffenliebenden Städter zu verkaufen. „Ich gebe
meine Pistolen nicht weg" wird gewöhnlich erwidert, „sie sind Erbgut und stammen
von meinem Großvater her, der sie bei Belgrad oder Banjaluka einem türkischen
Aga abnahm." — Jemand fragt einen graubärtigen Serezaner: „Ist dir dein
Pistolcupaar feil? ich gebe dir so und so viel mehr als sie dich oder deinen Vater
gekostet haben." — Und wenn du mir hundertmal so viel geben wolltest, du be¬
kommst sie doch nicht. — „El du thust ja, als wären deine Pistolen aus purem
gediegene» Golde und kosteten mehr, als deines Vaters Haus und Hof." — Mich
kosten sie sehr wenig, lieber Herr! nur zwei Groschen für Pulver, aber den frü¬
hern Besitzer, einem ungläubigen Räuberhauptmann, der mit seiner Bande über
die Grenze kam und in unserm Dorfe zwanzig Kühe stahl, eine Kugel durch den
Kopf. Es sind wohl achtzehn Jahre her; der Strauß mit dem türkischen Diebs¬
volk ward uns schwer und sauer, wir jagten ihnen fast zwei Tage auf dem jen¬
seitige» Gebiete nach. Du siehst doch nun, daß ich dir meine Pistolen selbst um
das hundertfache von dem, was ich dem Türken dafür gab, nicht verkaufen kann?
— Daß die Serezaner, durch ununterbrochene Uebung von der K^abenzeit an,
ihre Schießwaffen vorzüglich zu hantbiereu wissen, brauche ich kaum zu erwähne».
Ich selbst sah manchen dieser Nothmäntler eine Schwalbe im Flug aus der Lust
holen und daß dies nicht wenig zu bedeuten hat, wird jeder Schießliebhaber zu¬
gestehen. Diese Leute haben auch durchweg ein so großes Vertrauen in die Schicß-
fertigkeit ihrer Kameraden, daß, wenn es eine Wette gilt, im Nu wohl zehn Se¬
rezaner sich dazu hergeben, auf vierhundert Schritte Distanze ein Gnldenstück zwi¬
schen den ersten zwei Fingern der erhobenen linken Hand einem Kameraden als
Schußziel hinzuhalten. Nie wird man einen solchen Zielhalter beim Schuß er-
Grenzboten, in. 1849. 20
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