Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.sen an. Die in den fortwährenden Unruhen verwilderten Soldaten fingen eine War darum der Zweck der Insurgenten die rothe Republik? oder die Aus¬ Die Frage ist nun: wo scheidet sich jene Art des Aufstandes, welche nur Der Uebergang ist in den Händen des Zufalls; weder der "Zweck" der Und um an diese allgemeine Bemerkung einen praktischen Fall zu knüpfen, sen an. Die in den fortwährenden Unruhen verwilderten Soldaten fingen eine War darum der Zweck der Insurgenten die rothe Republik? oder die Aus¬ Die Frage ist nun: wo scheidet sich jene Art des Aufstandes, welche nur Der Uebergang ist in den Händen des Zufalls; weder der „Zweck" der Und um an diese allgemeine Bemerkung einen praktischen Fall zu knüpfen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279166"/> <p xml:id="ID_442" prev="#ID_441"> sen an. Die in den fortwährenden Unruhen verwilderten Soldaten fingen eine<lb/> Rauferei an, die Regierung ließ das Land im Stich, und der erste beste sing nun<lb/> an zu regieren. Es war das Reich des absoluten Unsinns.</p><lb/> <p xml:id="ID_443"> War darum der Zweck der Insurgenten die rothe Republik? oder die Aus¬<lb/> lieferung Rastatt's an die Franzosen? oder gingen sie gar auf Communismus aus?<lb/> — Nichts vou alle dem! Ihr Panier war wirklich die Reichsverfassung, aber<lb/> ihre vollständige Gedankenlosigkeit in den Mitteln, welche sie anwenden wollten,<lb/> machte eben das aus, was wir Anarchie nennen. Dadurch, daß mau relcgirte<lb/> Studenten zu Ministern, Staatsräthcn und Generalen macht, zeigt man noch uicht,<lb/> daß man den Communismus will, und die Anstellung polnischer Offiziere verräth<lb/> noch keineswegs die Absicht, Deutschland seinen Feinden auszuliefern. Aber daß<lb/> man für die Verwaltung und das Heer leine andern Werkzeuge findet, als relc¬<lb/> girte Studenten und polnische Generäle, bewies, daß man zu einem Aufstand uicht<lb/> berechtigt war. Der Vergleich mit dem griechischen Aufstand hinkt, einmal weil<lb/> die sogenannten Philhellenen denn doch, dem nationalen Moment des Anfstands<lb/> gegenüber, eine sehr untergeordnete Rolle spielten, außerdem weil der Kampf<lb/> hier zwischen zwei halbbarbarischen Völkern geführt wurde, wo ^die allgemei¬<lb/> nen völkerrechtlichen Regeln aufhören. Sonst wird sich wohl allmälig die Sitte<lb/> herausstellen, daß mau die politischen Abenteurer von Profession, welche den Auf¬<lb/> stand, wo er auch ausbrechen möge, als ihr Gewerbe betrachten, als Freibeuter<lb/> behandelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_444"> Die Frage ist nun: wo scheidet sich jene Art des Aufstandes, welche nur<lb/> eine Umstimmung der Staatsgewalt zur Folge hat, vou jener, welche unmittelbar<lb/> die Anarchie, d. h. die Stockung des staatlichen Lebens, die Herrschaft des Zu¬<lb/> falls nach sich zieht? von jenem blinden Walten der Naturkraft, welche den ver¬<lb/> nünftigen Willen ausschließt?</p><lb/> <p xml:id="ID_445"> Der Uebergang ist in den Händen des Zufalls; weder der „Zweck" der<lb/> Emeute noch der gute Wille derer, die sie provocire», hat darauf irgend einen<lb/> Einfluß. Daraus ziehe ich den Schluß: daß eine patriotische Partei, welche den<lb/> mühseligen, oft genug unästhetischen Weg des „geschlichen" Kampfes, d. h. des¬<lb/> jenigen Kampfes, in welchem man jeden Augenblick seine Kräfte vollständig über¬<lb/> sehen, und abwägen kauu, verschmäht, in der Hoffnung, ein politischer Ausbruch<lb/> werde das Ziel ihrer Wünsche auf eine viel schnellere und glänzendere Weise her¬<lb/> beiführen, uuter allen Umständen eine schwere Schuld aus sich nimmt, wenn auch<lb/> der Ausgang sie scheinbar rechtfertigen sollte. Es gilt auch hier wie vom Spieler¬<lb/> glück: wie gewonnen, so zerronnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_446" next="#ID_447"> Und um an diese allgemeine Bemerkung einen praktischen Fall zu knüpfen,<lb/> zum Schluß Folgendes. Die preußische Regierung, als sie dem beschwerlichen<lb/> Wege des gesetzlichen Kampfes gegen die Demokratie den bequemern der „rettenden<lb/> That," d. 1). des Nechtsbruches vorzog (durch die voreilige Auflösung der Cor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
sen an. Die in den fortwährenden Unruhen verwilderten Soldaten fingen eine
Rauferei an, die Regierung ließ das Land im Stich, und der erste beste sing nun
an zu regieren. Es war das Reich des absoluten Unsinns.
War darum der Zweck der Insurgenten die rothe Republik? oder die Aus¬
lieferung Rastatt's an die Franzosen? oder gingen sie gar auf Communismus aus?
— Nichts vou alle dem! Ihr Panier war wirklich die Reichsverfassung, aber
ihre vollständige Gedankenlosigkeit in den Mitteln, welche sie anwenden wollten,
machte eben das aus, was wir Anarchie nennen. Dadurch, daß mau relcgirte
Studenten zu Ministern, Staatsräthcn und Generalen macht, zeigt man noch uicht,
daß man den Communismus will, und die Anstellung polnischer Offiziere verräth
noch keineswegs die Absicht, Deutschland seinen Feinden auszuliefern. Aber daß
man für die Verwaltung und das Heer leine andern Werkzeuge findet, als relc¬
girte Studenten und polnische Generäle, bewies, daß man zu einem Aufstand uicht
berechtigt war. Der Vergleich mit dem griechischen Aufstand hinkt, einmal weil
die sogenannten Philhellenen denn doch, dem nationalen Moment des Anfstands
gegenüber, eine sehr untergeordnete Rolle spielten, außerdem weil der Kampf
hier zwischen zwei halbbarbarischen Völkern geführt wurde, wo ^die allgemei¬
nen völkerrechtlichen Regeln aufhören. Sonst wird sich wohl allmälig die Sitte
herausstellen, daß mau die politischen Abenteurer von Profession, welche den Auf¬
stand, wo er auch ausbrechen möge, als ihr Gewerbe betrachten, als Freibeuter
behandelt.
Die Frage ist nun: wo scheidet sich jene Art des Aufstandes, welche nur
eine Umstimmung der Staatsgewalt zur Folge hat, vou jener, welche unmittelbar
die Anarchie, d. h. die Stockung des staatlichen Lebens, die Herrschaft des Zu¬
falls nach sich zieht? von jenem blinden Walten der Naturkraft, welche den ver¬
nünftigen Willen ausschließt?
Der Uebergang ist in den Händen des Zufalls; weder der „Zweck" der
Emeute noch der gute Wille derer, die sie provocire», hat darauf irgend einen
Einfluß. Daraus ziehe ich den Schluß: daß eine patriotische Partei, welche den
mühseligen, oft genug unästhetischen Weg des „geschlichen" Kampfes, d. h. des¬
jenigen Kampfes, in welchem man jeden Augenblick seine Kräfte vollständig über¬
sehen, und abwägen kauu, verschmäht, in der Hoffnung, ein politischer Ausbruch
werde das Ziel ihrer Wünsche auf eine viel schnellere und glänzendere Weise her¬
beiführen, uuter allen Umständen eine schwere Schuld aus sich nimmt, wenn auch
der Ausgang sie scheinbar rechtfertigen sollte. Es gilt auch hier wie vom Spieler¬
glück: wie gewonnen, so zerronnen.
Und um an diese allgemeine Bemerkung einen praktischen Fall zu knüpfen,
zum Schluß Folgendes. Die preußische Regierung, als sie dem beschwerlichen
Wege des gesetzlichen Kampfes gegen die Demokratie den bequemern der „rettenden
That," d. 1). des Nechtsbruches vorzog (durch die voreilige Auflösung der Cor-
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