Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Blickenden etwas unheimliches hatte, weil er, gleich dem lockeren Schnee über So war es in Preußen gleich nach dem 18. März. Nur daß sich hier die Wer wollte die Bedeutung jener Barrikadentage für die Revolution des vo¬ Einen Augenblick schien ein gemeinsames Handeln möglich: als in Frankfurt Was nun Baden betrifft, so fing der Aufstand sofort mit diesem wüsten We- 17*
Blickenden etwas unheimliches hatte, weil er, gleich dem lockeren Schnee über So war es in Preußen gleich nach dem 18. März. Nur daß sich hier die Wer wollte die Bedeutung jener Barrikadentage für die Revolution des vo¬ Einen Augenblick schien ein gemeinsames Handeln möglich: als in Frankfurt Was nun Baden betrifft, so fing der Aufstand sofort mit diesem wüsten We- 17*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279165"/> <p xml:id="ID_437" prev="#ID_436"> Blickenden etwas unheimliches hatte, weil er, gleich dem lockeren Schnee über<lb/> klaffenden Felsspalten, die sehr ernsthaften Probleme verdeckte, welche der Staat<lb/> zu lösen hatte, wenn er nicht daran untergehen sollte. In den ungarischen Ver¬<lb/> wickelungen und der daraus hergeleiteten Octvberrevolution kamen diese Probleme<lb/> auf einmal zum Vorschein. Die jungen Oestreicher, welche damals in Wien eine<lb/> Rolle spielten, thaten sich später der gemäßigten Partei gegenüber viel darauf zu<lb/> gute, daß sie nie zu weit gegangen wären, daß sie nie die Republik ausgerufen<lb/> hätten. Aber ein solches Aushängeschild deö Aufstandes würde nur dann etwas<lb/> zu bedeuten haben, wenn es von irgend einer gesetzlichen Macht ausgegangen wäre.<lb/> Die Absetzung dos Hauses Habsburg durch den Reichstag zu Debreczin war aller-<lb/> dings ein wichtiges Factum, ob man aber in den Straßen von Wien einen Toast<lb/> auf die rothe Republik ausgebracht hätte oder nicht, darauf wäre nur insofern<lb/> etwas angekommen, als es der Reaction Veranlassung zu weitern Maaßregeln<lb/> gegeben hätte. Die Hauptsache war, daß der für permanent erklärte Aufstand eine<lb/> geordnete Regierung unmöglich machte und in sich selbst zu willenlos war, um an<lb/> die Stelle derselben zu treten.</p><lb/> <p xml:id="ID_438"> So war es in Preußen gleich nach dem 18. März. Nur daß sich hier die<lb/> Impotenz der sogenannten Volkspartei noch viel rascher entwickelte, und damit<lb/> der alten Negierung in die Hände arbeitete.</p><lb/> <p xml:id="ID_439"> Wer wollte die Bedeutung jener Barrikadentage für die Revolution des vo¬<lb/> rigen Jahres verkennen! Aber die eigentliche Revolution waren sie keineswegs.<lb/> Der Fortschritt der Revolution knüpfte sich an die constituirenden Versammlungen<lb/> zu Frankfurt, Wien und Berlin. Weil es in diesen Versammlungen nicht gelang,<lb/> eine große, mit Bewußtsein nach einem bestimmten Zweck hinarbeitende Partei zu<lb/> organisiren, die an allen Orten nach einem gemeinsamen Plan die Revolution in<lb/> die Hand genommen hätte, darum scheiterte die Revolution. Die Gegner hatten<lb/> einen bestimmten Zweck, und handelten gemeinschaftlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_440"> Einen Augenblick schien ein gemeinsames Handeln möglich: als in Frankfurt<lb/> der Compromiß geschlossen war, ans welchem die Reichsverfassung hervorging, und<lb/> als die Renitenz der Fürsten gegen dieselbe überall zur Kollision mit der eignen<lb/> Volksvertretung führte, Was in Würtemberg gelang, nämlich den König durch<lb/> eine Art von moralischem Zwang zum Nachgeben zu nöthigen, dasselbe wurde in<lb/> Sachsen unter viel ungünstigeren Ausspielen versucht: denn die Kammern waren<lb/> aufgelöst und das Ministerium zurückgetreten. Indeß war doch immer noch ein<lb/> Sinn in dem Aufstand, so lange der König noch in Dresden war, und man hoffen<lb/> durfte, er werde durch die fortgesetzte „Gährung" in Dresden in seinem Entschluß<lb/> wankend gemacht werden. Mit der Entfernung des Königs hörte aber aller Zweck<lb/> der Jnsurrection auf, es wurde ein wüster Straßenkampf, vom Zufall geleitet und<lb/> dem Zufall verfallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_441" next="#ID_442"> Was nun Baden betrifft, so fing der Aufstand sofort mit diesem wüsten We-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
Blickenden etwas unheimliches hatte, weil er, gleich dem lockeren Schnee über
klaffenden Felsspalten, die sehr ernsthaften Probleme verdeckte, welche der Staat
zu lösen hatte, wenn er nicht daran untergehen sollte. In den ungarischen Ver¬
wickelungen und der daraus hergeleiteten Octvberrevolution kamen diese Probleme
auf einmal zum Vorschein. Die jungen Oestreicher, welche damals in Wien eine
Rolle spielten, thaten sich später der gemäßigten Partei gegenüber viel darauf zu
gute, daß sie nie zu weit gegangen wären, daß sie nie die Republik ausgerufen
hätten. Aber ein solches Aushängeschild deö Aufstandes würde nur dann etwas
zu bedeuten haben, wenn es von irgend einer gesetzlichen Macht ausgegangen wäre.
Die Absetzung dos Hauses Habsburg durch den Reichstag zu Debreczin war aller-
dings ein wichtiges Factum, ob man aber in den Straßen von Wien einen Toast
auf die rothe Republik ausgebracht hätte oder nicht, darauf wäre nur insofern
etwas angekommen, als es der Reaction Veranlassung zu weitern Maaßregeln
gegeben hätte. Die Hauptsache war, daß der für permanent erklärte Aufstand eine
geordnete Regierung unmöglich machte und in sich selbst zu willenlos war, um an
die Stelle derselben zu treten.
So war es in Preußen gleich nach dem 18. März. Nur daß sich hier die
Impotenz der sogenannten Volkspartei noch viel rascher entwickelte, und damit
der alten Negierung in die Hände arbeitete.
Wer wollte die Bedeutung jener Barrikadentage für die Revolution des vo¬
rigen Jahres verkennen! Aber die eigentliche Revolution waren sie keineswegs.
Der Fortschritt der Revolution knüpfte sich an die constituirenden Versammlungen
zu Frankfurt, Wien und Berlin. Weil es in diesen Versammlungen nicht gelang,
eine große, mit Bewußtsein nach einem bestimmten Zweck hinarbeitende Partei zu
organisiren, die an allen Orten nach einem gemeinsamen Plan die Revolution in
die Hand genommen hätte, darum scheiterte die Revolution. Die Gegner hatten
einen bestimmten Zweck, und handelten gemeinschaftlich.
Einen Augenblick schien ein gemeinsames Handeln möglich: als in Frankfurt
der Compromiß geschlossen war, ans welchem die Reichsverfassung hervorging, und
als die Renitenz der Fürsten gegen dieselbe überall zur Kollision mit der eignen
Volksvertretung führte, Was in Würtemberg gelang, nämlich den König durch
eine Art von moralischem Zwang zum Nachgeben zu nöthigen, dasselbe wurde in
Sachsen unter viel ungünstigeren Ausspielen versucht: denn die Kammern waren
aufgelöst und das Ministerium zurückgetreten. Indeß war doch immer noch ein
Sinn in dem Aufstand, so lange der König noch in Dresden war, und man hoffen
durfte, er werde durch die fortgesetzte „Gährung" in Dresden in seinem Entschluß
wankend gemacht werden. Mit der Entfernung des Königs hörte aber aller Zweck
der Jnsurrection auf, es wurde ein wüster Straßenkampf, vom Zufall geleitet und
dem Zufall verfallen.
Was nun Baden betrifft, so fing der Aufstand sofort mit diesem wüsten We-
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