Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.sache das Resultat angenommen haben. In der Regel wurde die Sache dann so Die Bedeutung dieser Emeuten für den Gang der Revolution liegt darin, Obgleich also derartige Emeuten von dem wichtigsten Einfluß auf den Gang Ohne uns auf die Frage uach der sittlichen Berechtigung eines Aufstandes Die ganze Bewegung des vorigen Jahres, mit Ausnahme des ,18. März in sache das Resultat angenommen haben. In der Regel wurde die Sache dann so Die Bedeutung dieser Emeuten für den Gang der Revolution liegt darin, Obgleich also derartige Emeuten von dem wichtigsten Einfluß auf den Gang Ohne uns auf die Frage uach der sittlichen Berechtigung eines Aufstandes Die ganze Bewegung des vorigen Jahres, mit Ausnahme des ,18. März in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279164"/> <p xml:id="ID_432" prev="#ID_431"> sache das Resultat angenommen haben. In der Regel wurde die Sache dann so<lb/> aufgefaßt, als habe die besiegte Partei eigentlich den Aufstand angefangen: der<lb/> Gouverneur der Bastille deu 14. Juli, der Hof den 5. October, das Königthum<lb/> den to. August, die Gironde den 2. Juni.</p><lb/> <p xml:id="ID_433"> Die Bedeutung dieser Emeuten für den Gang der Revolution liegt darin,<lb/> daß die gesetzgebende Gewalt ein zwei verschiedene Factoren vertheilt ist, welche<lb/> in ihren Absichten auseinander gehen, und von denen die eine durch den Erfolg<lb/> jener, an sich planlosen Unruhe, entweder gekräftigt oder eingeschüchtert wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_434"> Obgleich also derartige Emeuten von dem wichtigsten Einfluß auf den Gang<lb/> der Revolution sind, so wäre es doch höchst thöricht, sie mit derselben identificiren<lb/> und dem „souveränen Volk der Barrikaden" deshalb die schöpferische Kraft der<lb/> Bewegung beimessen zu wollen, weil es auf deu Straßen Lärm gemacht und einige<lb/> Leute todtgeschlagen hat. Diese Fournier, Maillard und wie die verzweifelten<lb/> Abenteurer noch weiter heißen, welche an jenen Tagen das Volk anführten, waren<lb/> nichts weniger als die Häupter der Revolution, wenn es anch eben so scharf her¬<lb/> vorgehoben werden muß, daß es ohne sie nicht dahin- gekommen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_435"> Ohne uns auf die Frage uach der sittlichen Berechtigung eines Aufstandes<lb/> überhaupt einzulassen — bekanntlich war in den meisten mittelalterlichen Verfassungen<lb/> die Jnsurrection uuter Umständen ein in deu Gesetzen vorgesehenes und anerkann¬<lb/> tes Rechtsmittel — müssen wir nur den Unterschied festhalten, daß er entweder<lb/> das mehr oder minder freiwillige Nachgeben der bisherige« Staatsgewalt zur Folge<lb/> hat — und dann nichts anderes ist, als ein zwar illegitimes Mittel, den gesetz¬<lb/> lichen Fortschritt zu erleichtern; oder daß er für den Augenblick den Staat völlig<lb/> aus den Fugen hebt. Darm, und nicht in dem „Zweck", den die Emeute sich setzt,<lb/> liegt ihr charakteristisches Moment.</p><lb/> <p xml:id="ID_436" next="#ID_437"> Die ganze Bewegung des vorigen Jahres, mit Ausnahme des ,18. März in<lb/> Berlin und des 0. October in Wien, fällt in die erste Kategorie. Ueberall stand<lb/> eine geschlossene Partei, meist in den Kammern vertreten, dem Willen der Fürsten<lb/> gegenüber, und die „Unruhen" die im Lande ausbrachen, hatten keinen Erfolg,<lb/> als den, die Fürsten einzuschüchtern, und sie, um Schlimmeres zu vermeiden, in<lb/> die Arme jener Partei zu werfen. In den beiden Großstaaten nahm die Bewe¬<lb/> gung deshalb einen schlimmern Charakter an, weil sie keine Konstitution hatten,<lb/> weil also die Krone nicht in der Lage war, sich mit einer organisirten Mittelpartei<lb/> gegen die Emeutiers von Profession verbinden zu können. Dessenungeachtet kam<lb/> in Oestreich der bösartige Charakter einer vollendeten Revolution nicht unmittel¬<lb/> bar zum Vorschein, weil sie vor dem Ausbruch des eigentlichen Kampfes durch<lb/> eine scheinbar vollständige Unterwerfung von Seiten der bisherigen Staatsgewalt<lb/> geschlossen wurde. Bei der freudigen Ueberraschung, in die ein so unerwarteter<lb/> Erfolg die Volkspartei versetzen mußte, ist es leicht erklärlich, wie nun der Ver¬<lb/> lauf der Begebenheiten jenen gemüthlichen Anstrich annahm, der für den tiefer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0138]
sache das Resultat angenommen haben. In der Regel wurde die Sache dann so
aufgefaßt, als habe die besiegte Partei eigentlich den Aufstand angefangen: der
Gouverneur der Bastille deu 14. Juli, der Hof den 5. October, das Königthum
den to. August, die Gironde den 2. Juni.
Die Bedeutung dieser Emeuten für den Gang der Revolution liegt darin,
daß die gesetzgebende Gewalt ein zwei verschiedene Factoren vertheilt ist, welche
in ihren Absichten auseinander gehen, und von denen die eine durch den Erfolg
jener, an sich planlosen Unruhe, entweder gekräftigt oder eingeschüchtert wird.
Obgleich also derartige Emeuten von dem wichtigsten Einfluß auf den Gang
der Revolution sind, so wäre es doch höchst thöricht, sie mit derselben identificiren
und dem „souveränen Volk der Barrikaden" deshalb die schöpferische Kraft der
Bewegung beimessen zu wollen, weil es auf deu Straßen Lärm gemacht und einige
Leute todtgeschlagen hat. Diese Fournier, Maillard und wie die verzweifelten
Abenteurer noch weiter heißen, welche an jenen Tagen das Volk anführten, waren
nichts weniger als die Häupter der Revolution, wenn es anch eben so scharf her¬
vorgehoben werden muß, daß es ohne sie nicht dahin- gekommen wäre.
Ohne uns auf die Frage uach der sittlichen Berechtigung eines Aufstandes
überhaupt einzulassen — bekanntlich war in den meisten mittelalterlichen Verfassungen
die Jnsurrection uuter Umständen ein in deu Gesetzen vorgesehenes und anerkann¬
tes Rechtsmittel — müssen wir nur den Unterschied festhalten, daß er entweder
das mehr oder minder freiwillige Nachgeben der bisherige« Staatsgewalt zur Folge
hat — und dann nichts anderes ist, als ein zwar illegitimes Mittel, den gesetz¬
lichen Fortschritt zu erleichtern; oder daß er für den Augenblick den Staat völlig
aus den Fugen hebt. Darm, und nicht in dem „Zweck", den die Emeute sich setzt,
liegt ihr charakteristisches Moment.
Die ganze Bewegung des vorigen Jahres, mit Ausnahme des ,18. März in
Berlin und des 0. October in Wien, fällt in die erste Kategorie. Ueberall stand
eine geschlossene Partei, meist in den Kammern vertreten, dem Willen der Fürsten
gegenüber, und die „Unruhen" die im Lande ausbrachen, hatten keinen Erfolg,
als den, die Fürsten einzuschüchtern, und sie, um Schlimmeres zu vermeiden, in
die Arme jener Partei zu werfen. In den beiden Großstaaten nahm die Bewe¬
gung deshalb einen schlimmern Charakter an, weil sie keine Konstitution hatten,
weil also die Krone nicht in der Lage war, sich mit einer organisirten Mittelpartei
gegen die Emeutiers von Profession verbinden zu können. Dessenungeachtet kam
in Oestreich der bösartige Charakter einer vollendeten Revolution nicht unmittel¬
bar zum Vorschein, weil sie vor dem Ausbruch des eigentlichen Kampfes durch
eine scheinbar vollständige Unterwerfung von Seiten der bisherigen Staatsgewalt
geschlossen wurde. Bei der freudigen Ueberraschung, in die ein so unerwarteter
Erfolg die Volkspartei versetzen mußte, ist es leicht erklärlich, wie nun der Ver¬
lauf der Begebenheiten jenen gemüthlichen Anstrich annahm, der für den tiefer
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