Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Freiheit nicht besonders gut angeschlagen, wenigstens lange nicht so gut als jene, Freilich wenn die "drei Königreiche" sich erst über ein Neichsbarrikadengesctz Mit dem allen wollen wir jedoch keineswegs dem badischen Aufstande selbst Und die Verdächtigungen, die man gegen sie vorbringt, erscheinen um so ver¬ Freiheit nicht besonders gut angeschlagen, wenigstens lange nicht so gut als jene, Freilich wenn die „drei Königreiche" sich erst über ein Neichsbarrikadengesctz Mit dem allen wollen wir jedoch keineswegs dem badischen Aufstande selbst Und die Verdächtigungen, die man gegen sie vorbringt, erscheinen um so ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279161"/> <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> Freiheit nicht besonders gut angeschlagen, wenigstens lange nicht so gut als jene,<lb/> welche einst französische und polnische Wühler wie Lafayette und Koscinsko den<lb/> Nordamerikanern gebracht. Wir wissen wohl, daß jedes Volk in der Regel seine<lb/> Händel selbst ausfechten soll, und sind auch nicht geneigt in jedem Franzosen, der<lb/> sich auf einer deutschen Barrikade producirt, einen Lafayette, oder in jedem pol¬<lb/> nischen Condottiere einen Kvsciusko zu sehen. ' Aber wir finden es begreiflich, daß<lb/> ein kleines Häuflein, das gegen eine große Uebermacht kämpft, die wenigen Zu¬<lb/> zügler, die ihm zu Hilfe kommen nicht erst nach Paß und Heimathschein fragt.</p><lb/> <p xml:id="ID_422"> Freilich wenn die „drei Königreiche" sich erst über ein Neichsbarrikadengesctz<lb/> geeinigt haben, wird wohl anch hierin das Nöthige vorgesehen, und das Recht,<lb/> Neichsbarrikaden zu vertheidigen, wohl ausschließlich Neichsbürgern, die in dem<lb/> Orte des Straßenkampfes zuständig sind, vorbehalten werden. Bis dahin aber<lb/> darf man nicht so skrupulös sei». Was Miervslawski, Sznayde und tutti cjuimti<lb/> veranlaßt haben mag, dem deutschen Aufstände ihre Dienste zu widmen, ob wirk¬<lb/> liche Sympathie für Dentschland, denn es könnte wohl sein, daß nicht blos die<lb/> deutschen Radikalen Kosmopoliten sind, oder ob sie vielleicht glauben, daß die<lb/> Sache der Freiheit in allen Ländern dieselbe sei, das ist ihre Sache; aber Baden<lb/> und die Pfalz thaten Recht daran, daß sie diese Kräfte benutzten.</p><lb/> <p xml:id="ID_423"> Mit dem allen wollen wir jedoch keineswegs dem badischen Aufstande selbst<lb/> das Wort geredet haben. Der war ein verzweifeltes Unternehmen, das von vorn<lb/> herein so wenig Aussicht auf Erfolg hatte und überdies nicht am besten geleitet<lb/> wurde. Wir geben auch gerne zu, daß es für Deutschland besser gewesen wäre,<lb/> wenn die Parteien wie über die Reichsverfassung selbst, so auch über die Mittel zu<lb/> ihrer Durchführung sich geeint hätten, so daß die Bewegung, wie es die alte<lb/> Frankfurter Majorität wollte, eine in ganz Deutschland möglichst gleichmäßige,<lb/> gesetzliche und friedliche geblieben wäre. Aber wenn man an den kläglichen Erfolg<lb/> des passiven Widerstandes in Preußen denkt, wird man es wenigstens erklärlich<lb/> finden, daß manche zu der Wirksamkeit gesetzlicher Agitation in Deutschland, wo das<lb/> Volk noch nicht die nöthige englische Ausdauer und Zähigkeit besitzt und die Regierun¬<lb/> gen mit „rettenden Thaten" so freigebig sind, noch kein rechtes Vertrauen hatten,<lb/> und lieber verwegen die Entscheidung der Waffen herausforderten. Es war un¬<lb/> streitig ein großer Fehler, und die es gethan haben dadurch der Sache, der sie die¬<lb/> nen wollte», sehr geschadet und so schwere Schuld auf sich geladen; aber böse<lb/> Absichten und Hintergedanken vermögen wir bei ihnen nicht zu erkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_424"> Und die Verdächtigungen, die man gegen sie vorbringt, erscheinen um so ver¬<lb/> letzender, als sie nicht blos von den Organen der Reaction ausgehen, sondern<lb/> auch in sonst gemäßigten konservativen Blättern vorkommen. Denn diese werden<lb/> nicht den Gewinn davon haben, wenn die Radikalen in der öffentlichen Meinung<lb/> ruinirt sind, sondern jene, die hinter ihnen stehen und die, wie man sagt, keinen<lb/> Unterschied machen zwischen Gagern und Schlosse!.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
Freiheit nicht besonders gut angeschlagen, wenigstens lange nicht so gut als jene,
welche einst französische und polnische Wühler wie Lafayette und Koscinsko den
Nordamerikanern gebracht. Wir wissen wohl, daß jedes Volk in der Regel seine
Händel selbst ausfechten soll, und sind auch nicht geneigt in jedem Franzosen, der
sich auf einer deutschen Barrikade producirt, einen Lafayette, oder in jedem pol¬
nischen Condottiere einen Kvsciusko zu sehen. ' Aber wir finden es begreiflich, daß
ein kleines Häuflein, das gegen eine große Uebermacht kämpft, die wenigen Zu¬
zügler, die ihm zu Hilfe kommen nicht erst nach Paß und Heimathschein fragt.
Freilich wenn die „drei Königreiche" sich erst über ein Neichsbarrikadengesctz
geeinigt haben, wird wohl anch hierin das Nöthige vorgesehen, und das Recht,
Neichsbarrikaden zu vertheidigen, wohl ausschließlich Neichsbürgern, die in dem
Orte des Straßenkampfes zuständig sind, vorbehalten werden. Bis dahin aber
darf man nicht so skrupulös sei». Was Miervslawski, Sznayde und tutti cjuimti
veranlaßt haben mag, dem deutschen Aufstände ihre Dienste zu widmen, ob wirk¬
liche Sympathie für Dentschland, denn es könnte wohl sein, daß nicht blos die
deutschen Radikalen Kosmopoliten sind, oder ob sie vielleicht glauben, daß die
Sache der Freiheit in allen Ländern dieselbe sei, das ist ihre Sache; aber Baden
und die Pfalz thaten Recht daran, daß sie diese Kräfte benutzten.
Mit dem allen wollen wir jedoch keineswegs dem badischen Aufstande selbst
das Wort geredet haben. Der war ein verzweifeltes Unternehmen, das von vorn
herein so wenig Aussicht auf Erfolg hatte und überdies nicht am besten geleitet
wurde. Wir geben auch gerne zu, daß es für Deutschland besser gewesen wäre,
wenn die Parteien wie über die Reichsverfassung selbst, so auch über die Mittel zu
ihrer Durchführung sich geeint hätten, so daß die Bewegung, wie es die alte
Frankfurter Majorität wollte, eine in ganz Deutschland möglichst gleichmäßige,
gesetzliche und friedliche geblieben wäre. Aber wenn man an den kläglichen Erfolg
des passiven Widerstandes in Preußen denkt, wird man es wenigstens erklärlich
finden, daß manche zu der Wirksamkeit gesetzlicher Agitation in Deutschland, wo das
Volk noch nicht die nöthige englische Ausdauer und Zähigkeit besitzt und die Regierun¬
gen mit „rettenden Thaten" so freigebig sind, noch kein rechtes Vertrauen hatten,
und lieber verwegen die Entscheidung der Waffen herausforderten. Es war un¬
streitig ein großer Fehler, und die es gethan haben dadurch der Sache, der sie die¬
nen wollte», sehr geschadet und so schwere Schuld auf sich geladen; aber böse
Absichten und Hintergedanken vermögen wir bei ihnen nicht zu erkennen.
Und die Verdächtigungen, die man gegen sie vorbringt, erscheinen um so ver¬
letzender, als sie nicht blos von den Organen der Reaction ausgehen, sondern
auch in sonst gemäßigten konservativen Blättern vorkommen. Denn diese werden
nicht den Gewinn davon haben, wenn die Radikalen in der öffentlichen Meinung
ruinirt sind, sondern jene, die hinter ihnen stehen und die, wie man sagt, keinen
Unterschied machen zwischen Gagern und Schlosse!.
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