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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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zeitig mit dieser Instruction, welche der neuernannte preußische Minister des Aus¬
wärtigen, Graf Arnim, "mit hoher Befriedigung" aufnahm, wurde die Auflösung
des Reichstags zu Kremsier (6. März), die Octroyirung eiuer allgemeinen östrei¬
chischen Verfassung und die Constituirung Oestreichs zu einem Einheitsstaat bekannt.

Unter diesen Umständen trat (12. März) Karl Welcker, in der Erkenntniß,
die Centralisirung des gesammten Deutschlands sei unmöglich, in der Nationalver¬
sammlung mit dem überraschenden Antrag hervor, die Verfassung, wie sie aus
der Revision des Ausschusses hervorgegangen, en bloc anzunehmen, und den Kö¬
nig von Preußen zum deutschen Kaiser auszurufen. Es fanden von Seiten der
Weidenbuschpartci, die nnn ihre ganze Hoffnung aus eine schnelle Entscheidung
setzte, lebhafte Unterhandlungen mit der Linken statt; aber die Gegenpartei war
ebenfalls gerüstet; die Oestreicher waren damals 110 stark -- wobei doch zu be¬
merken ist, daß durch Arneth und v. Würth der Beginn mit dem Austritt gemacht
wurde -- die Linke blieb fest, und so siel der Welcker'sche Antrag (21. März)
mit 252: 283 Stimmen. Das gesammte Ncichsministerium legte sein Amt nieder
und führte die Geschäfte nur noch provisorisch fort, da eine Unterhandlung mit
Herrn v. d. Pfordten über Uebernahme derselben nicht zum Ziel führte. Die Ver¬
sammlung entschied sich (22. März) auf Eisenstucks Antrag mit 282:246 Stimmen
zu schleuniger Abstimmung über die einzelnen Paragraphen des Verfassungsentwurfs
ohne vorhergehende Discussion, verwarf aber den Antrag desselben, die östreichische
Verfassung für null und nichtig zu erklären, mit 275:174 Stimmen. Ein Theil
der Weidcnbnschpartei verpflichtete sich nnn gegen diejenigen Mitglieder der Linken,
welche unter dieser Bedingung für den Entwurf der Centren stimmen zu wollen
erklärten, den Regierungen keine weiteren Zugeständnisse zu mache"; Gagern sel¬
ber gehörte zu thuen. So wurde (26. März) die eventuelle Zusammensetzung des
Staatenhauses sür den Fall, daß Oestreich vorläufig nicht Theil nehme, geneh¬
migt mit 290:231 Stimmen; die Uebertragung der Oberhanptswürde an einen
der regierenden Fürsten mit 27!": 255, die Erblichkeit dieser Würde mit 267:263
Stimmen beschlossen; dagegen ließ man den Reichsrath (269:245) und das abso¬
lute Veto der Reichsgcwnlt in Verfassnngsangelegenheiten (272:243) fallen --
auch die schwarzgelben Oestreicher, z. B. Schmerling, stimmten dafür, um die
Verfassung zu vereiteln -- und von den Abänderungsvorschlägen wurde keiner
berücksichtigt. Nachdem ans diese Weise die zweite Lesung der Verfassung beendet
(27. März), wurde von 290 Stimmen Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen
zum deutschen Kaiser ausgerufen (28. März). 248 Abgeordnete enthielten sich
der Wahl.

Der Reichsverweser wollte sofort abdanken; man bewog ihn zur vorläufigen
Fortführung der Geschäfte. -- Die östreichische Regierung forderte ihn auf zu blei¬
ben (5. April), berief dagegen ihre Abgeordneten aus eiuer Versammlung, welche
ihre Vollmachten überschritten habe. Doch zögerten diese, um die Verhältnisse


zeitig mit dieser Instruction, welche der neuernannte preußische Minister des Aus¬
wärtigen, Graf Arnim, „mit hoher Befriedigung" aufnahm, wurde die Auflösung
des Reichstags zu Kremsier (6. März), die Octroyirung eiuer allgemeinen östrei¬
chischen Verfassung und die Constituirung Oestreichs zu einem Einheitsstaat bekannt.

Unter diesen Umständen trat (12. März) Karl Welcker, in der Erkenntniß,
die Centralisirung des gesammten Deutschlands sei unmöglich, in der Nationalver¬
sammlung mit dem überraschenden Antrag hervor, die Verfassung, wie sie aus
der Revision des Ausschusses hervorgegangen, en bloc anzunehmen, und den Kö¬
nig von Preußen zum deutschen Kaiser auszurufen. Es fanden von Seiten der
Weidenbuschpartci, die nnn ihre ganze Hoffnung aus eine schnelle Entscheidung
setzte, lebhafte Unterhandlungen mit der Linken statt; aber die Gegenpartei war
ebenfalls gerüstet; die Oestreicher waren damals 110 stark — wobei doch zu be¬
merken ist, daß durch Arneth und v. Würth der Beginn mit dem Austritt gemacht
wurde — die Linke blieb fest, und so siel der Welcker'sche Antrag (21. März)
mit 252: 283 Stimmen. Das gesammte Ncichsministerium legte sein Amt nieder
und führte die Geschäfte nur noch provisorisch fort, da eine Unterhandlung mit
Herrn v. d. Pfordten über Uebernahme derselben nicht zum Ziel führte. Die Ver¬
sammlung entschied sich (22. März) auf Eisenstucks Antrag mit 282:246 Stimmen
zu schleuniger Abstimmung über die einzelnen Paragraphen des Verfassungsentwurfs
ohne vorhergehende Discussion, verwarf aber den Antrag desselben, die östreichische
Verfassung für null und nichtig zu erklären, mit 275:174 Stimmen. Ein Theil
der Weidcnbnschpartei verpflichtete sich nnn gegen diejenigen Mitglieder der Linken,
welche unter dieser Bedingung für den Entwurf der Centren stimmen zu wollen
erklärten, den Regierungen keine weiteren Zugeständnisse zu mache»; Gagern sel¬
ber gehörte zu thuen. So wurde (26. März) die eventuelle Zusammensetzung des
Staatenhauses sür den Fall, daß Oestreich vorläufig nicht Theil nehme, geneh¬
migt mit 290:231 Stimmen; die Uebertragung der Oberhanptswürde an einen
der regierenden Fürsten mit 27!»: 255, die Erblichkeit dieser Würde mit 267:263
Stimmen beschlossen; dagegen ließ man den Reichsrath (269:245) und das abso¬
lute Veto der Reichsgcwnlt in Verfassnngsangelegenheiten (272:243) fallen —
auch die schwarzgelben Oestreicher, z. B. Schmerling, stimmten dafür, um die
Verfassung zu vereiteln — und von den Abänderungsvorschlägen wurde keiner
berücksichtigt. Nachdem ans diese Weise die zweite Lesung der Verfassung beendet
(27. März), wurde von 290 Stimmen Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen
zum deutschen Kaiser ausgerufen (28. März). 248 Abgeordnete enthielten sich
der Wahl.

Der Reichsverweser wollte sofort abdanken; man bewog ihn zur vorläufigen
Fortführung der Geschäfte. — Die östreichische Regierung forderte ihn auf zu blei¬
ben (5. April), berief dagegen ihre Abgeordneten aus eiuer Versammlung, welche
ihre Vollmachten überschritten habe. Doch zögerten diese, um die Verhältnisse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/13>, abgerufen am 05.02.2025.