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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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knallte -- mein eurer Freund stürzte lautlos zusammen und drei dänische Drago¬
ner sprengten aus dem Schatten der Knicke auf mich zu. Der vorderste, oder
vielmehr wohl nur sein Pferd, stürzte von meiner Kugel und versperrte den bei¬
den Nachfolgenden so den sa malen Weg, daß ich mit Aufopferung eines
großen Theils meiner Kleidungsstücke mich durch die Hecke zurückdrängen konnte,
unbekümmert um die Pistolenkugeln, welche mir die dänischen "Grützereiter" nach¬
sandten. Sie verfolgten mich nicht, wahrscheinlich plünderten sie meinen gefallnen
Kameraden, oder hörten, wie ich im Lauf eine neue Kugel aufsetzte. Nach man¬
cherlei Umwegen begegnete ich achtzehn Mann meines Corps, welche in einem ge¬
regelten Häuflein marschirten, fest entschlossen, sich muthig durchzuschlagen oder
zu fallen. Ich schloß mich an sie an und kam mit ihnen Morgens um fünf Uhr
nach dem Dorfe Jordrup, welches seitwärts von der Straße nach Vene liegt.
Hier fanden wir viele von unsern Kameraden schon vor -- ach, es waren doch
Nur Wenige im Vergleich zu deuen, welche wir vermißten. Erst jetzt, von Freun¬
den aufmerksam gemacht, gewahrte ich, daß ich verwundet sei, ein Streifschuß
hatte mich am linken Bein getroffen. Die letchte Wunde schmerzte fast gar nicht,
weit mehr die,vielen Dornen, mit welche ich mir in den Knicken den Körper ge¬
spickt hatte. Unser Aussehen war fürchterlich , die Gesichter schwarz von Pulver,
die Monturen zerrissen, fast Alle blutend, selbst die uns spinnenfeindlichen Juten
schienen ein menschliches Regen zu fühlen und brachten Wasser, Brot und Brannt¬
wein. Ein großer Trost war uns das Eintreffen der Avantgarde nnter Major
v. Zastrow, welche zum Succurs herbeieilte, und nach kurzer Rast sogleich im
Eilmarsch weiter marschirte. Viele der Unsrigen schlössen sich derselben an; ich
wollte das Gleiche thun, aber ein Arzt vom ersten Jägercorps, der zur Pflege
der Verwundeten zurückblieb, untersagte mir es auf das Strengste. So ward ich
denn in ein Bauernhaus einquartirt, wo ich ein Paar Tage Quarantaine halten
und Grütze mit Wässer essen muß -- letzteres betrachte ich als zeitliche Strafe
meiner Sünden. Heute Morgen marschirten die Reste unserer Armee auf der
Flucht hier ein -- noch heute Abend rctiriren wir bis nach Vene. Das erste
und zweite Jägercorps sind bis um 11 Uhr noch in heißem Gefecht gewesen.
Eine blutige Schlacht ist geschlagen worden und wir haben sie leider verloren.
Noch kann ich es Ihnen nicht angeben, wie groß unser Verlust an Menschenleben
im Ganzen ist; jedenfalls ist er bedeutender, als der aller vorhergehenden Affairen
dieses merkwürdigen Kriegs zusammengenommen. Vom vierten Jägercorps fehlen
heute noch zwei Dritttheile der Mannschaften und drei Viertheile der Officiere;
beurtheilen Sie darnach, ob wir nicht das Unsrige gethan haben. Wenn nur der
Argwohn jetzt nicht mit doppelter Macht wiederkäme, der uns täglich die Befürch¬
tung .ins Ohr bläst: ES wird ein falsches Spiel mit Euch getrieben!




knallte — mein eurer Freund stürzte lautlos zusammen und drei dänische Drago¬
ner sprengten aus dem Schatten der Knicke auf mich zu. Der vorderste, oder
vielmehr wohl nur sein Pferd, stürzte von meiner Kugel und versperrte den bei¬
den Nachfolgenden so den sa malen Weg, daß ich mit Aufopferung eines
großen Theils meiner Kleidungsstücke mich durch die Hecke zurückdrängen konnte,
unbekümmert um die Pistolenkugeln, welche mir die dänischen „Grützereiter" nach¬
sandten. Sie verfolgten mich nicht, wahrscheinlich plünderten sie meinen gefallnen
Kameraden, oder hörten, wie ich im Lauf eine neue Kugel aufsetzte. Nach man¬
cherlei Umwegen begegnete ich achtzehn Mann meines Corps, welche in einem ge¬
regelten Häuflein marschirten, fest entschlossen, sich muthig durchzuschlagen oder
zu fallen. Ich schloß mich an sie an und kam mit ihnen Morgens um fünf Uhr
nach dem Dorfe Jordrup, welches seitwärts von der Straße nach Vene liegt.
Hier fanden wir viele von unsern Kameraden schon vor — ach, es waren doch
Nur Wenige im Vergleich zu deuen, welche wir vermißten. Erst jetzt, von Freun¬
den aufmerksam gemacht, gewahrte ich, daß ich verwundet sei, ein Streifschuß
hatte mich am linken Bein getroffen. Die letchte Wunde schmerzte fast gar nicht,
weit mehr die,vielen Dornen, mit welche ich mir in den Knicken den Körper ge¬
spickt hatte. Unser Aussehen war fürchterlich , die Gesichter schwarz von Pulver,
die Monturen zerrissen, fast Alle blutend, selbst die uns spinnenfeindlichen Juten
schienen ein menschliches Regen zu fühlen und brachten Wasser, Brot und Brannt¬
wein. Ein großer Trost war uns das Eintreffen der Avantgarde nnter Major
v. Zastrow, welche zum Succurs herbeieilte, und nach kurzer Rast sogleich im
Eilmarsch weiter marschirte. Viele der Unsrigen schlössen sich derselben an; ich
wollte das Gleiche thun, aber ein Arzt vom ersten Jägercorps, der zur Pflege
der Verwundeten zurückblieb, untersagte mir es auf das Strengste. So ward ich
denn in ein Bauernhaus einquartirt, wo ich ein Paar Tage Quarantaine halten
und Grütze mit Wässer essen muß — letzteres betrachte ich als zeitliche Strafe
meiner Sünden. Heute Morgen marschirten die Reste unserer Armee auf der
Flucht hier ein — noch heute Abend rctiriren wir bis nach Vene. Das erste
und zweite Jägercorps sind bis um 11 Uhr noch in heißem Gefecht gewesen.
Eine blutige Schlacht ist geschlagen worden und wir haben sie leider verloren.
Noch kann ich es Ihnen nicht angeben, wie groß unser Verlust an Menschenleben
im Ganzen ist; jedenfalls ist er bedeutender, als der aller vorhergehenden Affairen
dieses merkwürdigen Kriegs zusammengenommen. Vom vierten Jägercorps fehlen
heute noch zwei Dritttheile der Mannschaften und drei Viertheile der Officiere;
beurtheilen Sie darnach, ob wir nicht das Unsrige gethan haben. Wenn nur der
Argwohn jetzt nicht mit doppelter Macht wiederkäme, der uns täglich die Befürch¬
tung .ins Ohr bläst: ES wird ein falsches Spiel mit Euch getrieben!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/122>, abgerufen am 05.02.2025.