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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Indessen hatte die Nationalversammlung ihre Arbeiten fortgesetzt. Der Reichs¬
rath wurde (26. Jan.) in erster Lesung angenommen (211 :200), eben so das ab¬
solute Veto des Kaisers in Verfassuugsaugclegenheiten mit 259 : 196 Se. (1. Febr.)
Die vom General v. Schäfer-Bernstein gezogene Demarkationslinie in Posen wurde
(6. Febr.) mit 280 : 124 Se. approbirt; in Beziehung ans das Rcichswahlgesetz
(20. Febr.), die Beschränkung sowohl durch einen kleinen Census (117 : 332) als
durch indirecte Wahlen (125 : 299) verworfen, und selbst (23. Febr.) politische
Verbrecher uicht unbedingt von der Wahl ausgeschlossen. So wurde die erste
Lesung der Verfassung beendigt und die zweite Lesung bis auf den Bericht hin¬
ausgeschoben, welche der zur Revision derselben bestimmte Ausschuß abstatten sollte.

Es traten nun die Intriguen über die Spitze, welche man der neuen Ver-
fassung geben wollte, in den Vordergrund. Es schieden sich drei Parteien:
die des Weidenbusches (constituirt den 17. Februar), welche sich enge an das
Gagern'sche Programm anschloß und ihren Kern in den preußischen Abgeordneten
fand; die Grvßdeutsche (gebildet deu 9. Februar), ans Oestreichern, Baier",
Ultramontanen und Particnlaristen aller Art zusannuengcsetzt, welche das Aus¬
scheiden Oestreichs aus dem engern Bundesstaat um jeden Preis zu hintertreiben
strebte, und die Linke, der es bei ihrem Grundgedanken, ganz Deutschland de¬
mokratisch z" centralisiren, nicht daraus ankam, bald mit der eiuen, bald mit der
andern Partei in Unterhandlung zu trete". Doch trat sie bei ihrer negative"
Haltung der Weidenbuschpartci, weil diese einen bestimmten Plan verfolgte, viel
schroffer entgegen, als der Großdeutschen, welche geschmeidiger war, weil ihr nur
ein unbestimmter Plan "vorschwebte."

Dem Anschein nach überließ sich die großdemsche Partei der Führung patrio¬
tischer Männer, welche aufrichtig die Idee des einigen Deutschlands verfolgten,
namentlich Welcker's; ihre eigeutlichen Centren waren Olmütz und Nymphen¬
burg. Neben Schmerling und Wnrth kam auch uoch (13. Februar) Graf Rehberg
als designirter Nachfolger Schmerlings in Frankfurt an, und es war zu natürlich,
daß im Stillen der Reichsverweser, im Widerspruch mit seinem Ministerium, diese
Partei begünstigte, obgleich es von Seiten des letzter" (26. Februar) officiell in
Abrede gestellt wurde. Besonders nahmen sich auch die ehemaligen Neichsminister
Heckscher und v. Hermann der Partei an, die (23. Februar) nach Ollmütz reisten,
um die Partei mit dem östreichischen Cabinet in nähere Verbindung zu setzen.
Ihre Mission hatte keinen erheblichen Erfolg, denn den 8. März theilte Schmer¬
ling dem Rcichsministcrinm eine Circnlarinstrnction seiner Regierung mit (datirt
vom 27. Februar), in welchem Oestreich endlich mit der Idee des einigen Deutsch¬
lands , welches ihm vorschwebte herausging. ES sollte den gestimmten östreichischen
Staat umfassen, kein Volkshaus, soudern nnr ein Staatenhaus e"thätten, zu wel¬
chem Oestreich mehr Deputirte zu schicken habe, als das übrige Deutschland zu¬
sammen; die gemeinsame Negierung sollte eine Art Directorium führen. Gleich-


Indessen hatte die Nationalversammlung ihre Arbeiten fortgesetzt. Der Reichs¬
rath wurde (26. Jan.) in erster Lesung angenommen (211 :200), eben so das ab¬
solute Veto des Kaisers in Verfassuugsaugclegenheiten mit 259 : 196 Se. (1. Febr.)
Die vom General v. Schäfer-Bernstein gezogene Demarkationslinie in Posen wurde
(6. Febr.) mit 280 : 124 Se. approbirt; in Beziehung ans das Rcichswahlgesetz
(20. Febr.), die Beschränkung sowohl durch einen kleinen Census (117 : 332) als
durch indirecte Wahlen (125 : 299) verworfen, und selbst (23. Febr.) politische
Verbrecher uicht unbedingt von der Wahl ausgeschlossen. So wurde die erste
Lesung der Verfassung beendigt und die zweite Lesung bis auf den Bericht hin¬
ausgeschoben, welche der zur Revision derselben bestimmte Ausschuß abstatten sollte.

Es traten nun die Intriguen über die Spitze, welche man der neuen Ver-
fassung geben wollte, in den Vordergrund. Es schieden sich drei Parteien:
die des Weidenbusches (constituirt den 17. Februar), welche sich enge an das
Gagern'sche Programm anschloß und ihren Kern in den preußischen Abgeordneten
fand; die Grvßdeutsche (gebildet deu 9. Februar), ans Oestreichern, Baier»,
Ultramontanen und Particnlaristen aller Art zusannuengcsetzt, welche das Aus¬
scheiden Oestreichs aus dem engern Bundesstaat um jeden Preis zu hintertreiben
strebte, und die Linke, der es bei ihrem Grundgedanken, ganz Deutschland de¬
mokratisch z» centralisiren, nicht daraus ankam, bald mit der eiuen, bald mit der
andern Partei in Unterhandlung zu trete». Doch trat sie bei ihrer negative»
Haltung der Weidenbuschpartci, weil diese einen bestimmten Plan verfolgte, viel
schroffer entgegen, als der Großdeutschen, welche geschmeidiger war, weil ihr nur
ein unbestimmter Plan „vorschwebte."

Dem Anschein nach überließ sich die großdemsche Partei der Führung patrio¬
tischer Männer, welche aufrichtig die Idee des einigen Deutschlands verfolgten,
namentlich Welcker's; ihre eigeutlichen Centren waren Olmütz und Nymphen¬
burg. Neben Schmerling und Wnrth kam auch uoch (13. Februar) Graf Rehberg
als designirter Nachfolger Schmerlings in Frankfurt an, und es war zu natürlich,
daß im Stillen der Reichsverweser, im Widerspruch mit seinem Ministerium, diese
Partei begünstigte, obgleich es von Seiten des letzter» (26. Februar) officiell in
Abrede gestellt wurde. Besonders nahmen sich auch die ehemaligen Neichsminister
Heckscher und v. Hermann der Partei an, die (23. Februar) nach Ollmütz reisten,
um die Partei mit dem östreichischen Cabinet in nähere Verbindung zu setzen.
Ihre Mission hatte keinen erheblichen Erfolg, denn den 8. März theilte Schmer¬
ling dem Rcichsministcrinm eine Circnlarinstrnction seiner Regierung mit (datirt
vom 27. Februar), in welchem Oestreich endlich mit der Idee des einigen Deutsch¬
lands , welches ihm vorschwebte herausging. ES sollte den gestimmten östreichischen
Staat umfassen, kein Volkshaus, soudern nnr ein Staatenhaus e»thätten, zu wel¬
chem Oestreich mehr Deputirte zu schicken habe, als das übrige Deutschland zu¬
sammen; die gemeinsame Negierung sollte eine Art Directorium führen. Gleich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/12>, abgerufen am 05.02.2025.