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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Stirn gegenüberstehen zu können. Unsere Oberen trafen übrigens keinerlei Ma߬
regeln, welche der Erwartung Aller entsprechen konnten; wir beruhigten uns, denn
wie oft schon waren wir enttäuscht worden. Der Morgen des fünften Juli brach
rauh und neblig an. Ein mit feinen Wassertheilchen imprägnirter Wind schüttelte
uns das Mark in den Knochen und die großentheils aus Stangen, Brettwcrk und
Stroh gebauten Lagerhütten konnten, trotz der großen Wachtfeuer, welche den
ganzen Tag vor jeder Gasse unterhalten wurden, kaum Schutz gewähren. Ich
war daher sehr froh, als ich mit zwölf Mann commandirt wurde, vier Brotwagen
von dein anderthalb Stunden entfernten Dorfe Hagelnnd abzuholen und zu eöcor-
tiren. Ich bin nämlich, beiläufig gesagt, seit vier Wochen eine Stufe auf der
Leiter zum Feldmarschall höher geklommen, und wohlbestallter Unteroffizier im
vierten Schleswig-holsteinischen Jägercorps. Meine Mission war um drei Uhr
Nachmittags vollbracht; wir krochen in unsere Lagerhütten und machten es uns
bequem. Bald auch stand der mächtige Kupferkessel, ein Gefäß von unschätzbarem
Werth, da es zu allen möglichen Verrichtungen der Kochkunst dient, über dem
Feuer, das Wasser brodelte lustig darin und unser Feldwebel schickte sich an, aus
den wunderbarsten Ingredienzien, die Ihnen wohlbekannte, hoffentlich noch un¬
vergessene, Kriegsbowle zu brauen. Einige flotte Bursche hatten schon vorher in
der benachbarten Lagergasse ein kleines Zechgelage begonnen und frisch und fröhlich
tönte ihr Gesaug zu uns herüber. Es wird mir stets im Gedächtniß bleiben, dies
Lied. Es war Herwegh's Neiterlied und eben klang die Strophe: Du junges
Gras, was stehst so grün? Wirst bald wie lauter Röslein blühn -- als von
allen Seiten"die Signalhörner ertönten, Schüsse sielen und die Offiziere zu den
Waffen riefen. In freudiger Hast und in wenigen Augenblicken standen wir auf
unseren Sammelplätzen. Die Dänen hatten in zwei Colonnen mit etwa fünf
Bataillonen, aber ohne Geschütz einen Ausfall gemacht. Wir Jäger rückten im
Sturmschritt vor, bis zu deu Schanzen, hier bildeten die beiden ersten Compagnien
allsogleich eine Tirailleuvlinie und der Augriff auf deu Feind erfolgte mit Ungestüm.
Aber die falschen Rothröcke hielten nicht Stand, kaum hatten wir zweimal gefeuert,
ja ehe noch die Artillerie unserer Schanzen thätig wirken konnte, waren sie schon
wieder verschwunden und von ihren Navelins herab brummte" die Vierundzwanzig-
pfünder den hitzigen Bcrfolgcui drohend entgegen. Das Commando zum Rückzug
erfolgte und nach einer Stunde befanden wir uns wieder in unseren Hütten.
Schon zu oft hatten die Dänen dasselbe Spiel getri?ben, als daß wir uns so sehr
darüber hätten ärgern müssen, um die augefanqene Bowle nicht auch zu Eude zu
bringen. Im Gegentheil, wir lachten und scherzten, wie selten, besonders als sich
herausstellte, daß wir bei unserem Angriff nicht den mindesten Verlust erlitten
und nichts eingebüßt hatten, als eine Rnhcstnnde. Wer daher nicht Wache hatte,
suchte nach neun Uhr seine Lagerstätte so unbesorgt, wie gewöhnlich und bald war
auch ich im tiefsten Schlaf versunken.


Stirn gegenüberstehen zu können. Unsere Oberen trafen übrigens keinerlei Ma߬
regeln, welche der Erwartung Aller entsprechen konnten; wir beruhigten uns, denn
wie oft schon waren wir enttäuscht worden. Der Morgen des fünften Juli brach
rauh und neblig an. Ein mit feinen Wassertheilchen imprägnirter Wind schüttelte
uns das Mark in den Knochen und die großentheils aus Stangen, Brettwcrk und
Stroh gebauten Lagerhütten konnten, trotz der großen Wachtfeuer, welche den
ganzen Tag vor jeder Gasse unterhalten wurden, kaum Schutz gewähren. Ich
war daher sehr froh, als ich mit zwölf Mann commandirt wurde, vier Brotwagen
von dein anderthalb Stunden entfernten Dorfe Hagelnnd abzuholen und zu eöcor-
tiren. Ich bin nämlich, beiläufig gesagt, seit vier Wochen eine Stufe auf der
Leiter zum Feldmarschall höher geklommen, und wohlbestallter Unteroffizier im
vierten Schleswig-holsteinischen Jägercorps. Meine Mission war um drei Uhr
Nachmittags vollbracht; wir krochen in unsere Lagerhütten und machten es uns
bequem. Bald auch stand der mächtige Kupferkessel, ein Gefäß von unschätzbarem
Werth, da es zu allen möglichen Verrichtungen der Kochkunst dient, über dem
Feuer, das Wasser brodelte lustig darin und unser Feldwebel schickte sich an, aus
den wunderbarsten Ingredienzien, die Ihnen wohlbekannte, hoffentlich noch un¬
vergessene, Kriegsbowle zu brauen. Einige flotte Bursche hatten schon vorher in
der benachbarten Lagergasse ein kleines Zechgelage begonnen und frisch und fröhlich
tönte ihr Gesaug zu uns herüber. Es wird mir stets im Gedächtniß bleiben, dies
Lied. Es war Herwegh's Neiterlied und eben klang die Strophe: Du junges
Gras, was stehst so grün? Wirst bald wie lauter Röslein blühn — als von
allen Seiten»die Signalhörner ertönten, Schüsse sielen und die Offiziere zu den
Waffen riefen. In freudiger Hast und in wenigen Augenblicken standen wir auf
unseren Sammelplätzen. Die Dänen hatten in zwei Colonnen mit etwa fünf
Bataillonen, aber ohne Geschütz einen Ausfall gemacht. Wir Jäger rückten im
Sturmschritt vor, bis zu deu Schanzen, hier bildeten die beiden ersten Compagnien
allsogleich eine Tirailleuvlinie und der Augriff auf deu Feind erfolgte mit Ungestüm.
Aber die falschen Rothröcke hielten nicht Stand, kaum hatten wir zweimal gefeuert,
ja ehe noch die Artillerie unserer Schanzen thätig wirken konnte, waren sie schon
wieder verschwunden und von ihren Navelins herab brummte» die Vierundzwanzig-
pfünder den hitzigen Bcrfolgcui drohend entgegen. Das Commando zum Rückzug
erfolgte und nach einer Stunde befanden wir uns wieder in unseren Hütten.
Schon zu oft hatten die Dänen dasselbe Spiel getri?ben, als daß wir uns so sehr
darüber hätten ärgern müssen, um die augefanqene Bowle nicht auch zu Eude zu
bringen. Im Gegentheil, wir lachten und scherzten, wie selten, besonders als sich
herausstellte, daß wir bei unserem Angriff nicht den mindesten Verlust erlitten
und nichts eingebüßt hatten, als eine Rnhcstnnde. Wer daher nicht Wache hatte,
suchte nach neun Uhr seine Lagerstätte so unbesorgt, wie gewöhnlich und bald war
auch ich im tiefsten Schlaf versunken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/119>, abgerufen am 05.02.2025.