Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.beide vergessen zu Zeiten über der Gier des unmittelbaren Kampfs den Ernst der Berg's politische Stellung genauer zu charakterisiren, würde schwer fallen; er Welcher Partei er aber auch angehören mag, Berg wird immer ein gefähr¬ Keiner von der Partei hat so viel Anerkennung gefunden -- sogar der alte beide vergessen zu Zeiten über der Gier des unmittelbaren Kampfs den Ernst der Berg's politische Stellung genauer zu charakterisiren, würde schwer fallen; er Welcher Partei er aber auch angehören mag, Berg wird immer ein gefähr¬ Keiner von der Partei hat so viel Anerkennung gefunden — sogar der alte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278609"/> <p xml:id="ID_313" prev="#ID_312"> beide vergessen zu Zeiten über der Gier des unmittelbaren Kampfs den Ernst der<lb/> Sache. In der deutschen Frage ist die Kammer dadurch um einen großen'Tag<lb/> gebracht werdeu.</p><lb/> <p xml:id="ID_314"> Berg's politische Stellung genauer zu charakterisiren, würde schwer fallen; er<lb/> ist wie ein Aal, der jeden Augenblick entschlüpft. Am Ende der vorigen Consti¬<lb/> tuante meinte er, in der neuen Versammlung werde er auf die Rechte gedrängt<lb/> werden. Diese Vermuthung hat ihn freilich getäuscht, weil die Kammer unerwartet<lb/> conservativ ausgefallen ist, aber an sich ist die Sache richtig. Es ist ihm zwar<lb/> bequem, in der Opposition zu sitzen, weil die Stellung eines Kritikers den Witz<lb/> leichter macht, als die produktive Thätigkeit, aber er ist uicht der Mann, mit den<lb/> Demokraten zu fraternisiren. Seine Demokratie ist mehr jugendlich aristokratischer<lb/> Uebermuth. Er wird vielleicht bald genug Gelegenheit finden, mit den Levellers<lb/> eine Lanze zu breche«, um deren Gunst er jetzt buhlt, weil er sie zuleiten glaubt.<lb/> Er täuscht sich darin; im gemeinsamen Kampf fällt überall demjenigen die Beute<lb/> zu, welcher ein bestimmtes Princip festhält. Das sogenannte linke Centrum wird<lb/> von der Linken ausgebeutet, mit der es vorläufig durch die fatalen Erinnerungen<lb/> des vergangenen Jahres verknüpft ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_315"> Welcher Partei er aber auch angehören mag, Berg wird immer ein gefähr¬<lb/> licher Geguer sein. Immer schlagfertig, immer mit einem Witz bei der Hand, wo<lb/> die Gründe ausgehn, ohne Spur von Furcht oder einer sonstigen Scheu. Man<lb/> kann wohl ohne viel zu wagen, die Vermuthung aussprechen, daß ihm in der<lb/> Welt nickt viel heilig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_316" next="#ID_317"> Keiner von der Partei hat so viel Anerkennung gefunden — sogar der alte<lb/> Graf Renard brach einmal in eine ziemlich unmotivirte Bewunderung seines Geg¬<lb/> ners aus — keiner ist auch so viel angefochten. Die Kreuzzeitung widmet ihm<lb/> einen großen Theil ihrer Berliner Beobachtungen. Heute begegnet ihm einer der<lb/> Bummler, die an ihr arbeiten, mit aufgeschlagenem Rockkragen, sogleich wird die<lb/> Vermuthung ausgesprochen, er fürchte sich vor einem Nebenbuhler. Aber auch die<lb/> weniger befangene Llironi^ne ««ituclitlviiso der Hauptstadt weiß die wunderlichsten<lb/> Geschichten von ihm zu erzählen. Es war die Rede von einem Stück, das auf<lb/> dem Friedrich-Wilhclmstädtischen Casino aufgeführt werde» sollte: „Der galante<lb/> Ubbo und die Emaucipirte," verfaßt von einer berühmten Freiheitssängerin, die<lb/> sich in dem Schleswig-Hvlsteiuschen Feldzuge auch als Amazone ausgezeichnet hatte.<lb/> Diese Dame, die viele der Koryphäen der Linken um sich sammelte, sollte theils<lb/> wegen geschäftlicher Differenzen, theils ans Zorn darüber, daß Herr v. Berg eine<lb/> starke Schwenkung nach rechts machte, ihn der Publicität haben übergeben wollen,<lb/> "ut nur durch die Vorstellung mehrerer Demokraten, man solle doch ein so be-<lb/> deutendes Talent uicht ohne Weiteres vor den Kopf stoßen, daran verhindert sein.<lb/> Bei der Ungenirtheit, mit der man in diesen Vvlksthcatern mit den öffentlichen<lb/> Charakteren Berlins umspringt, ist die Geschichte wohl glaublich, und daß</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
beide vergessen zu Zeiten über der Gier des unmittelbaren Kampfs den Ernst der
Sache. In der deutschen Frage ist die Kammer dadurch um einen großen'Tag
gebracht werdeu.
Berg's politische Stellung genauer zu charakterisiren, würde schwer fallen; er
ist wie ein Aal, der jeden Augenblick entschlüpft. Am Ende der vorigen Consti¬
tuante meinte er, in der neuen Versammlung werde er auf die Rechte gedrängt
werden. Diese Vermuthung hat ihn freilich getäuscht, weil die Kammer unerwartet
conservativ ausgefallen ist, aber an sich ist die Sache richtig. Es ist ihm zwar
bequem, in der Opposition zu sitzen, weil die Stellung eines Kritikers den Witz
leichter macht, als die produktive Thätigkeit, aber er ist uicht der Mann, mit den
Demokraten zu fraternisiren. Seine Demokratie ist mehr jugendlich aristokratischer
Uebermuth. Er wird vielleicht bald genug Gelegenheit finden, mit den Levellers
eine Lanze zu breche«, um deren Gunst er jetzt buhlt, weil er sie zuleiten glaubt.
Er täuscht sich darin; im gemeinsamen Kampf fällt überall demjenigen die Beute
zu, welcher ein bestimmtes Princip festhält. Das sogenannte linke Centrum wird
von der Linken ausgebeutet, mit der es vorläufig durch die fatalen Erinnerungen
des vergangenen Jahres verknüpft ist.
Welcher Partei er aber auch angehören mag, Berg wird immer ein gefähr¬
licher Geguer sein. Immer schlagfertig, immer mit einem Witz bei der Hand, wo
die Gründe ausgehn, ohne Spur von Furcht oder einer sonstigen Scheu. Man
kann wohl ohne viel zu wagen, die Vermuthung aussprechen, daß ihm in der
Welt nickt viel heilig ist.
Keiner von der Partei hat so viel Anerkennung gefunden — sogar der alte
Graf Renard brach einmal in eine ziemlich unmotivirte Bewunderung seines Geg¬
ners aus — keiner ist auch so viel angefochten. Die Kreuzzeitung widmet ihm
einen großen Theil ihrer Berliner Beobachtungen. Heute begegnet ihm einer der
Bummler, die an ihr arbeiten, mit aufgeschlagenem Rockkragen, sogleich wird die
Vermuthung ausgesprochen, er fürchte sich vor einem Nebenbuhler. Aber auch die
weniger befangene Llironi^ne ««ituclitlviiso der Hauptstadt weiß die wunderlichsten
Geschichten von ihm zu erzählen. Es war die Rede von einem Stück, das auf
dem Friedrich-Wilhclmstädtischen Casino aufgeführt werde» sollte: „Der galante
Ubbo und die Emaucipirte," verfaßt von einer berühmten Freiheitssängerin, die
sich in dem Schleswig-Hvlsteiuschen Feldzuge auch als Amazone ausgezeichnet hatte.
Diese Dame, die viele der Koryphäen der Linken um sich sammelte, sollte theils
wegen geschäftlicher Differenzen, theils ans Zorn darüber, daß Herr v. Berg eine
starke Schwenkung nach rechts machte, ihn der Publicität haben übergeben wollen,
"ut nur durch die Vorstellung mehrerer Demokraten, man solle doch ein so be-
deutendes Talent uicht ohne Weiteres vor den Kopf stoßen, daran verhindert sein.
Bei der Ungenirtheit, mit der man in diesen Vvlksthcatern mit den öffentlichen
Charakteren Berlins umspringt, ist die Geschichte wohl glaublich, und daß
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