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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Ich bezeichnete die Art, wie Herr v. Berg in der Kammer spricht, als witzig.
Sie ist eben daher affectvoll für den Augenblick, aber nicht nachhaltig. Man wird
zu sehr amüstrt, als daß mau ihm ernsthafte Aufmerksamkeit schenken möchte. Er
hat allerdings Momente, wo er die Maske der ernsten, tragischen Muse vor das
Gesicht nimmt, und auch in dieser ist er brillant. Aber man ist zu sehr an seinen
gewöhnlichen Ton gewöhnt, als daß man nicht davon überrascht werden sollte;
man hört ihm mit einer gewissen Verwunderung zu, und erwartet jeden Augen¬
blick, er werde durch einen burlesken Einfall oder auch nnr ein sardonisches Lä¬
cheln sich über die Andacht moquiren, die seine bloße Maske hervorgerufen hat.
Sophist bleibt er auch, wenn er ernst scheint. Ein Beispiel. In Vincke's Tages¬
ordnung in der letzten Session war die Politik des gegenwärtigen Gouvernements
als verderblich für den Staat bezeichnet, dagegen die Rechtsverbindlichkeit seiner
Schritte nicht uur für dieses, sondern für jedes folgende Ministerium ausgesprochen,
Herr v. Berg sagte nun: wozu sollen wir durch ein solches Mißtrauensvotum einen
Ministerwechsel hervorrufen, der -- einerseits wahrscheinlich nicht erfolgen wird,
da die gegenwärtigen Minister an dergleichen schon gewöhnt sind, und der außer¬
dem nur die Personen, nicht die Grundsätze betreffen würde. Die Verwechselung
zweier Begriffe war auch hier evident. Wenn man die Rechtsverbindlichkeit einer
bestimmten Thatsache anerkennt, so bindet mau sich damit keineswegs an die Grund¬
sätze, aus denen jene Thatsache entsprang. Das liberale Ministerium" würde, ob¬
gleich es dieses eine ki>it !>cavus>Il hinnimmt, in entgegengesetztem Sinn verfahren
als das von ihm gestürzte. Freilich hat Berg auf diese Antwort nur gewartet;
er würde, nicht mit Gegengründen, aber mit einer beißenden Anspielung auf de"
Ehrgeiz des Herrn v. Vincke, der die Situation nur benutzt, um sich aus Rudel
zu bringen, replicirt habe".

Diese Rivalität mit Vincke hat etwas überaus Komisches. Sie sehen aus
wie ein Paar Kampfhähne, die auf verschiedenen Universitäten ihren Ruf begrün¬
det haben, und die nun jede Gelegenheit sich mit einander zu messen, bei den
Haaren Herbeizich". Es ist zwischen beiden eine gewisse Achnlichkeit, auch Vincke
ist jeden Augenblick allzu bereit, mit passenden oder unpassenden Witzen, mit schla¬
genden Gründen oder mit Sophismen, wie es gerade füllt, in die Debatte einzu¬
greifen; aber bei Vincke überwiegt doch das Positive, die Gesinnung, das Prin¬
cip; wenn er sich ans seiner unbequemen Lage des Couservireus einmal erhebt,
so ist sein Angriff gewaltiger und furchtbarer als der von Seiten der specifischen
Opposition. In dem Genre des Parteigängcrkriegcs ist ihm Berg an Eleganz
und Gewandtheit bei Weitem überlegen. Bei ihm sieht dieses Spiel zierlich ans,
Vincke's Constitution ist zu robust, die Plänkelei will ihm nicht recht passe".¬

Die fortwährenden kleinliche." Reibungen zwischen beiden haben etwas Wider
liches. Ich spreche Vincke gar nicht von aller Schuld frei; er ist gröber, wenn
guch der Geguer boshafter ist. Beide sind hinlänglich persönlich, beide renommire",


Ich bezeichnete die Art, wie Herr v. Berg in der Kammer spricht, als witzig.
Sie ist eben daher affectvoll für den Augenblick, aber nicht nachhaltig. Man wird
zu sehr amüstrt, als daß mau ihm ernsthafte Aufmerksamkeit schenken möchte. Er
hat allerdings Momente, wo er die Maske der ernsten, tragischen Muse vor das
Gesicht nimmt, und auch in dieser ist er brillant. Aber man ist zu sehr an seinen
gewöhnlichen Ton gewöhnt, als daß man nicht davon überrascht werden sollte;
man hört ihm mit einer gewissen Verwunderung zu, und erwartet jeden Augen¬
blick, er werde durch einen burlesken Einfall oder auch nnr ein sardonisches Lä¬
cheln sich über die Andacht moquiren, die seine bloße Maske hervorgerufen hat.
Sophist bleibt er auch, wenn er ernst scheint. Ein Beispiel. In Vincke's Tages¬
ordnung in der letzten Session war die Politik des gegenwärtigen Gouvernements
als verderblich für den Staat bezeichnet, dagegen die Rechtsverbindlichkeit seiner
Schritte nicht uur für dieses, sondern für jedes folgende Ministerium ausgesprochen,
Herr v. Berg sagte nun: wozu sollen wir durch ein solches Mißtrauensvotum einen
Ministerwechsel hervorrufen, der — einerseits wahrscheinlich nicht erfolgen wird,
da die gegenwärtigen Minister an dergleichen schon gewöhnt sind, und der außer¬
dem nur die Personen, nicht die Grundsätze betreffen würde. Die Verwechselung
zweier Begriffe war auch hier evident. Wenn man die Rechtsverbindlichkeit einer
bestimmten Thatsache anerkennt, so bindet mau sich damit keineswegs an die Grund¬
sätze, aus denen jene Thatsache entsprang. Das liberale Ministerium« würde, ob¬
gleich es dieses eine ki>it !>cavus>Il hinnimmt, in entgegengesetztem Sinn verfahren
als das von ihm gestürzte. Freilich hat Berg auf diese Antwort nur gewartet;
er würde, nicht mit Gegengründen, aber mit einer beißenden Anspielung auf de»
Ehrgeiz des Herrn v. Vincke, der die Situation nur benutzt, um sich aus Rudel
zu bringen, replicirt habe».

Diese Rivalität mit Vincke hat etwas überaus Komisches. Sie sehen aus
wie ein Paar Kampfhähne, die auf verschiedenen Universitäten ihren Ruf begrün¬
det haben, und die nun jede Gelegenheit sich mit einander zu messen, bei den
Haaren Herbeizich». Es ist zwischen beiden eine gewisse Achnlichkeit, auch Vincke
ist jeden Augenblick allzu bereit, mit passenden oder unpassenden Witzen, mit schla¬
genden Gründen oder mit Sophismen, wie es gerade füllt, in die Debatte einzu¬
greifen; aber bei Vincke überwiegt doch das Positive, die Gesinnung, das Prin¬
cip; wenn er sich ans seiner unbequemen Lage des Couservireus einmal erhebt,
so ist sein Angriff gewaltiger und furchtbarer als der von Seiten der specifischen
Opposition. In dem Genre des Parteigängcrkriegcs ist ihm Berg an Eleganz
und Gewandtheit bei Weitem überlegen. Bei ihm sieht dieses Spiel zierlich ans,
Vincke's Constitution ist zu robust, die Plänkelei will ihm nicht recht passe».¬

Die fortwährenden kleinliche.« Reibungen zwischen beiden haben etwas Wider
liches. Ich spreche Vincke gar nicht von aller Schuld frei; er ist gröber, wenn
guch der Geguer boshafter ist. Beide sind hinlänglich persönlich, beide renommire",


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/98>, abgerufen am 15.01.2025.