Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.gelten Beinen, den Arm in der Seite, schelmisch dem Redner zu, bald umhalst er Bodelschwingh, der wegen der fortdauernden gehässigen Angriffe auf seine gelten Beinen, den Arm in der Seite, schelmisch dem Redner zu, bald umhalst er Bodelschwingh, der wegen der fortdauernden gehässigen Angriffe auf seine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278607"/> <p xml:id="ID_308" prev="#ID_307"> gelten Beinen, den Arm in der Seite, schelmisch dem Redner zu, bald umhalst er<lb/> sich mit Nodbcrtus oder Unruh oder einem andern von der Gesellschaft; in jedem<lb/> Augenblicke ist er irgendwo anders. Ans der Rednerbühne — und er besteigt sie<lb/> jeden Tag 3—4 mal, wirft er zuerst durch seine goldene Brille einen nachdrück¬<lb/> lichen Blick auf die rechte Seite, um ihr anzudeuten, sie möge sich jetzt auf einen<lb/> tüchtigen Stich gefaßt machen; dann sängt er mit einer an sich schon ironischen<lb/> Fistelstimme, die trotz ihres Soprans nicht das schrillende hat, was z. B. den<lb/> Reden des ehrenwerthen Abgeordneten Milde einen so unheimlichen.Anstrich gibt,<lb/> seine Witze anzubringen. Von welcher Art diese Witze sind, können Sie am besten<lb/> aus einem bestimmten Beispiel sehen. Ich meine die letzte Sitzung, auf die ich<lb/> schon in meinem letzten Brief zu sprechen kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_309"> Bodelschwingh, der wegen der fortdauernden gehässigen Angriffe auf seine<lb/> Verwaltung und seine Person sich in einer beständig gereizten Stimmung befindet,<lb/> hatte von der „sogenannten" Berliner Revolution gesprochen. Das hatte die Ber¬<lb/> liner Deputation, die sich auf ihre Revolution nicht wenig zu Gute thun, in Har¬<lb/> nisch gesetzt, und man war dem ehemaligen Minister, der jetzt ganz wieder Oberst<lb/> ist, scharf zu Leibe gegangen, man hatte ihn gefragt, warum er denn vor einer<lb/> blos scheinbaren Revolution geflohen sei? In seinem militärischen Ehrgefühl ver¬<lb/> letzt, nahm er jenen Ausdruck wieder auf, und erklärte die „Revolution" vom 18.<lb/> März für einen Straßenkampf, der die Hauptstadt und mit ihr daS ganze Land<lb/> entehrt habe. Auf diese Aeußerung folgte einen Moment athemlose, unheimliche<lb/> Stille, denn ein wahrhaft infernalisches Geheul, von der Linken, die in Masse auf<lb/> die Tribüne zustürzte, um den Reactionär hinuuterzntrcibeu; man schrie von allen<lb/> Seiten: „Sie entehren die Tribüne!" Bodelschwingh, etwas blaß, aber fest,<lb/> trat den Angreifern ein Paar Schritte entgegen; Bismark-Schönhausen<lb/> '"'d Kleist-Retzow drängten sich an seine Seite; der Sturm wurde so groß,<lb/> daß der Viccpräsidcut die Sitzung aufheben mußte. Als uach dem Wiederbeginn<lb/> Sitzung Bodelschwingh von Neuem das Wort erhielt, um seine persönliche Be¬<lb/> merkung fortzusetzen, verließ die ganze Linke mit großem Geräusch den Saal, und<lb/> nur Behrends blieb,' um den Redner zu cvntrvlliren, und wiederholte, nachdem der¬<lb/> selbe fertig war, die Erklärung, derselbe habe durch jene Bemerkung die Tribüne<lb/> "'lehrt, welche ein Kind der Revolution sei. Der Präsident rief ihn für diese<lb/> Aeußerung zur Ordnung, und wie trat v. Berg diesem Ordnungsruf entgegen?<lb/> "Die Geschäftsordnung verbietet natürlich, Personen zu beleidigen; die Tribüne<lb/> 'se aber keine Person, und ich glaube uicht, daß der Abgeordnete Behrends diese<lb/> beleidigen können." Von dieser Art sind stets die Witze des Hrn. v. Berg.<lb/> Wenn also ein Officier dem andern sagte: Sie entehren die Uniform, die Sie<lb/> ^"gen, so wäre daß keine Beleidigung, denn die Uniform wäre eine Sache, keine<lb/> Person. Als ob mit jener Aeußerung die Tribüne hätte beleidigt werden sollen,'lud nicht vielmehr der Redner!</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
gelten Beinen, den Arm in der Seite, schelmisch dem Redner zu, bald umhalst er
sich mit Nodbcrtus oder Unruh oder einem andern von der Gesellschaft; in jedem
Augenblicke ist er irgendwo anders. Ans der Rednerbühne — und er besteigt sie
jeden Tag 3—4 mal, wirft er zuerst durch seine goldene Brille einen nachdrück¬
lichen Blick auf die rechte Seite, um ihr anzudeuten, sie möge sich jetzt auf einen
tüchtigen Stich gefaßt machen; dann sängt er mit einer an sich schon ironischen
Fistelstimme, die trotz ihres Soprans nicht das schrillende hat, was z. B. den
Reden des ehrenwerthen Abgeordneten Milde einen so unheimlichen.Anstrich gibt,
seine Witze anzubringen. Von welcher Art diese Witze sind, können Sie am besten
aus einem bestimmten Beispiel sehen. Ich meine die letzte Sitzung, auf die ich
schon in meinem letzten Brief zu sprechen kam.
Bodelschwingh, der wegen der fortdauernden gehässigen Angriffe auf seine
Verwaltung und seine Person sich in einer beständig gereizten Stimmung befindet,
hatte von der „sogenannten" Berliner Revolution gesprochen. Das hatte die Ber¬
liner Deputation, die sich auf ihre Revolution nicht wenig zu Gute thun, in Har¬
nisch gesetzt, und man war dem ehemaligen Minister, der jetzt ganz wieder Oberst
ist, scharf zu Leibe gegangen, man hatte ihn gefragt, warum er denn vor einer
blos scheinbaren Revolution geflohen sei? In seinem militärischen Ehrgefühl ver¬
letzt, nahm er jenen Ausdruck wieder auf, und erklärte die „Revolution" vom 18.
März für einen Straßenkampf, der die Hauptstadt und mit ihr daS ganze Land
entehrt habe. Auf diese Aeußerung folgte einen Moment athemlose, unheimliche
Stille, denn ein wahrhaft infernalisches Geheul, von der Linken, die in Masse auf
die Tribüne zustürzte, um den Reactionär hinuuterzntrcibeu; man schrie von allen
Seiten: „Sie entehren die Tribüne!" Bodelschwingh, etwas blaß, aber fest,
trat den Angreifern ein Paar Schritte entgegen; Bismark-Schönhausen
'"'d Kleist-Retzow drängten sich an seine Seite; der Sturm wurde so groß,
daß der Viccpräsidcut die Sitzung aufheben mußte. Als uach dem Wiederbeginn
Sitzung Bodelschwingh von Neuem das Wort erhielt, um seine persönliche Be¬
merkung fortzusetzen, verließ die ganze Linke mit großem Geräusch den Saal, und
nur Behrends blieb,' um den Redner zu cvntrvlliren, und wiederholte, nachdem der¬
selbe fertig war, die Erklärung, derselbe habe durch jene Bemerkung die Tribüne
"'lehrt, welche ein Kind der Revolution sei. Der Präsident rief ihn für diese
Aeußerung zur Ordnung, und wie trat v. Berg diesem Ordnungsruf entgegen?
"Die Geschäftsordnung verbietet natürlich, Personen zu beleidigen; die Tribüne
'se aber keine Person, und ich glaube uicht, daß der Abgeordnete Behrends diese
beleidigen können." Von dieser Art sind stets die Witze des Hrn. v. Berg.
Wenn also ein Officier dem andern sagte: Sie entehren die Uniform, die Sie
^"gen, so wäre daß keine Beleidigung, denn die Uniform wäre eine Sache, keine
Person. Als ob mit jener Aeußerung die Tribüne hätte beleidigt werden sollen,'lud nicht vielmehr der Redner!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |