Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer catilinarischcn Reden gegen das freiheitsmörderische Ministerium hervor-
vransen, mit einer spöttischen Nonchalance da, und sieht so aus, als wolle er
sagen: Das ist ja doch alles Unsinn! Ein paar Regimenter und ich bringe die
ganze Wirthschaft in Ordnung! Er hat, während ich in den Kammern anwesend
war, nur einmal gesprochen. Einer von der äußersten Linken hatte aus der Vossi-
schen einen angeblichen Circnlarbefehl deS Kriegsministers an sämmtliche Offiziere
vorgelesen, nach welchem durch die Auslassung eines wesentlichen Zusatzes es den
Anschein gewann, als sollte bei Ausbruch einer Unruhe von Seiten des Militärs
ohne Weiteres geschossen werden. Sie können Sich deuten, mit welcher Vehemenz
der ehrenwerthe Volksvertreter auf das gesammte preußische Militärsystem los¬
fuhr, und mit welcher Erbitterung er fragte: wie unter so bewandten Umständen
unsere süddeutschen Brüder irgend dann denken könnten, sich mit einem so russi¬
schen Staatswesen einzulassen! Griesheim stieg ruhig ans die Tribüne, las den
betreffenden Erlaß wörtlich vor, und setzte dann hinzu: Wenn unsere süddeut¬
schen Brüder uns aus Veranlassung dieses Erlasses ihre Liebe und Achtung ent¬
ziehen wollen, so müsse" wir uus das gefallen lasse", und stieg unter den obliga¬
ten Zischen der Lücken herunter.

Die kleine Broschüre, in welcher Oberst Griesheim in den Augusttagen deS
vorigen Jahres das ganze Selbstgefühl des preußischen Heeres gegen die Frank¬
furter Centralisationsprojekte und namentlich gegen die Zumuthung, einem östrcich-
schen Erzherzog zu huldigen, herauskehrte, ist Ihnen bekannt. Ich gebe zu, daß
darin der altenfritzische Kriegergeist etwas zu sehr ius Detail herausgearbeitet war,
und daß namentlich die Schwärmerei selbst für die legitime und mit historischen
Erinnerungen überkleidete Nummer der einzelnen Regimenter den Gegnern Stoff
zu gerechte"! Spotte gab, und doch liegt in diesem Selbstgefühl der preußischen
Armee ein sittliches Moment, die Armee bleibt immer der Stock, um welchen sich
das Rankcngewächs unserer liberalen Institutionen zu winden hat. Die Sympa¬
thien unserer Brüder gewinnen wir nur durch die Freiheit unserer Organisation,
ihre Achtung aber hängt wesentlich von unserer Kraft ab, von den, Schwert, das
wir in der Hand tragen. --

Griesheims Nachbar, Herr v. Berg -- durch die Kreuz-zeitung, welche ihm
eine besonders liebevolle Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist für ihn die Bencmiung
Bürgerkaplan populär geworden ist ein noch junger Mann, nicht groß, etwas
fett, aber in den Schranken des Anstandes, mit einer Glatze und einem feine",
weiß und rothen Gesicht, ohne allen Bartwuchs, wie es dem Geistlichen ziemt, mit
einem sehr übermüthige", aber doch gutmüthige" Z"g "in de" Mund; er sieht
aus, als wäre er in seiner Kindheit gewesen, was man einen recht "unnützen
Schlingel" nennt -- ^ miscliievous l"c>/. Der Sitz neben Griesheim ist mir sei"
Absteigequartier: er ist während der Sitzung in einer beständigen Promenade;
bald lächelt er, an irgend eine Wand gelehnt, mit zierlich übereinander geschla-


ihrer catilinarischcn Reden gegen das freiheitsmörderische Ministerium hervor-
vransen, mit einer spöttischen Nonchalance da, und sieht so aus, als wolle er
sagen: Das ist ja doch alles Unsinn! Ein paar Regimenter und ich bringe die
ganze Wirthschaft in Ordnung! Er hat, während ich in den Kammern anwesend
war, nur einmal gesprochen. Einer von der äußersten Linken hatte aus der Vossi-
schen einen angeblichen Circnlarbefehl deS Kriegsministers an sämmtliche Offiziere
vorgelesen, nach welchem durch die Auslassung eines wesentlichen Zusatzes es den
Anschein gewann, als sollte bei Ausbruch einer Unruhe von Seiten des Militärs
ohne Weiteres geschossen werden. Sie können Sich deuten, mit welcher Vehemenz
der ehrenwerthe Volksvertreter auf das gesammte preußische Militärsystem los¬
fuhr, und mit welcher Erbitterung er fragte: wie unter so bewandten Umständen
unsere süddeutschen Brüder irgend dann denken könnten, sich mit einem so russi¬
schen Staatswesen einzulassen! Griesheim stieg ruhig ans die Tribüne, las den
betreffenden Erlaß wörtlich vor, und setzte dann hinzu: Wenn unsere süddeut¬
schen Brüder uns aus Veranlassung dieses Erlasses ihre Liebe und Achtung ent¬
ziehen wollen, so müsse» wir uus das gefallen lasse», und stieg unter den obliga¬
ten Zischen der Lücken herunter.

Die kleine Broschüre, in welcher Oberst Griesheim in den Augusttagen deS
vorigen Jahres das ganze Selbstgefühl des preußischen Heeres gegen die Frank¬
furter Centralisationsprojekte und namentlich gegen die Zumuthung, einem östrcich-
schen Erzherzog zu huldigen, herauskehrte, ist Ihnen bekannt. Ich gebe zu, daß
darin der altenfritzische Kriegergeist etwas zu sehr ius Detail herausgearbeitet war,
und daß namentlich die Schwärmerei selbst für die legitime und mit historischen
Erinnerungen überkleidete Nummer der einzelnen Regimenter den Gegnern Stoff
zu gerechte»! Spotte gab, und doch liegt in diesem Selbstgefühl der preußischen
Armee ein sittliches Moment, die Armee bleibt immer der Stock, um welchen sich
das Rankcngewächs unserer liberalen Institutionen zu winden hat. Die Sympa¬
thien unserer Brüder gewinnen wir nur durch die Freiheit unserer Organisation,
ihre Achtung aber hängt wesentlich von unserer Kraft ab, von den, Schwert, das
wir in der Hand tragen. —

Griesheims Nachbar, Herr v. Berg — durch die Kreuz-zeitung, welche ihm
eine besonders liebevolle Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist für ihn die Bencmiung
Bürgerkaplan populär geworden ist ein noch junger Mann, nicht groß, etwas
fett, aber in den Schranken des Anstandes, mit einer Glatze und einem feine»,
weiß und rothen Gesicht, ohne allen Bartwuchs, wie es dem Geistlichen ziemt, mit
einem sehr übermüthige», aber doch gutmüthige» Z»g »in de» Mund; er sieht
aus, als wäre er in seiner Kindheit gewesen, was man einen recht „unnützen
Schlingel" nennt — ^ miscliievous l»c>/. Der Sitz neben Griesheim ist mir sei»
Absteigequartier: er ist während der Sitzung in einer beständigen Promenade;
bald lächelt er, an irgend eine Wand gelehnt, mit zierlich übereinander geschla-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278606"/>
              <p xml:id="ID_305" prev="#ID_304"> ihrer catilinarischcn Reden gegen das freiheitsmörderische Ministerium hervor-<lb/>
vransen, mit einer spöttischen Nonchalance da, und sieht so aus, als wolle er<lb/>
sagen: Das ist ja doch alles Unsinn! Ein paar Regimenter und ich bringe die<lb/>
ganze Wirthschaft in Ordnung! Er hat, während ich in den Kammern anwesend<lb/>
war, nur einmal gesprochen. Einer von der äußersten Linken hatte aus der Vossi-<lb/>
schen einen angeblichen Circnlarbefehl deS Kriegsministers an sämmtliche Offiziere<lb/>
vorgelesen, nach welchem durch die Auslassung eines wesentlichen Zusatzes es den<lb/>
Anschein gewann, als sollte bei Ausbruch einer Unruhe von Seiten des Militärs<lb/>
ohne Weiteres geschossen werden. Sie können Sich deuten, mit welcher Vehemenz<lb/>
der ehrenwerthe Volksvertreter auf das gesammte preußische Militärsystem los¬<lb/>
fuhr, und mit welcher Erbitterung er fragte: wie unter so bewandten Umständen<lb/>
unsere süddeutschen Brüder irgend dann denken könnten, sich mit einem so russi¬<lb/>
schen Staatswesen einzulassen! Griesheim stieg ruhig ans die Tribüne, las den<lb/>
betreffenden Erlaß wörtlich vor, und setzte dann hinzu: Wenn unsere süddeut¬<lb/>
schen Brüder uns aus Veranlassung dieses Erlasses ihre Liebe und Achtung ent¬<lb/>
ziehen wollen, so müsse» wir uus das gefallen lasse», und stieg unter den obliga¬<lb/>
ten Zischen der Lücken herunter.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_306"> Die kleine Broschüre, in welcher Oberst Griesheim in den Augusttagen deS<lb/>
vorigen Jahres das ganze Selbstgefühl des preußischen Heeres gegen die Frank¬<lb/>
furter Centralisationsprojekte und namentlich gegen die Zumuthung, einem östrcich-<lb/>
schen Erzherzog zu huldigen, herauskehrte, ist Ihnen bekannt. Ich gebe zu, daß<lb/>
darin der altenfritzische Kriegergeist etwas zu sehr ius Detail herausgearbeitet war,<lb/>
und daß namentlich die Schwärmerei selbst für die legitime und mit historischen<lb/>
Erinnerungen überkleidete Nummer der einzelnen Regimenter den Gegnern Stoff<lb/>
zu gerechte»! Spotte gab, und doch liegt in diesem Selbstgefühl der preußischen<lb/>
Armee ein sittliches Moment, die Armee bleibt immer der Stock, um welchen sich<lb/>
das Rankcngewächs unserer liberalen Institutionen zu winden hat. Die Sympa¬<lb/>
thien unserer Brüder gewinnen wir nur durch die Freiheit unserer Organisation,<lb/>
ihre Achtung aber hängt wesentlich von unserer Kraft ab, von den, Schwert, das<lb/>
wir in der Hand tragen. &#x2014;</p><lb/>
              <p xml:id="ID_307" next="#ID_308"> Griesheims Nachbar, Herr v. Berg &#x2014; durch die Kreuz-zeitung, welche ihm<lb/>
eine besonders liebevolle Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist für ihn die Bencmiung<lb/>
Bürgerkaplan populär geworden ist ein noch junger Mann, nicht groß, etwas<lb/>
fett, aber in den Schranken des Anstandes, mit einer Glatze und einem feine»,<lb/>
weiß und rothen Gesicht, ohne allen Bartwuchs, wie es dem Geistlichen ziemt, mit<lb/>
einem sehr übermüthige», aber doch gutmüthige» Z»g »in de» Mund; er sieht<lb/>
aus, als wäre er in seiner Kindheit gewesen, was man einen recht &#x201E;unnützen<lb/>
Schlingel" nennt &#x2014; ^ miscliievous l»c&gt;/. Der Sitz neben Griesheim ist mir sei»<lb/>
Absteigequartier: er ist während der Sitzung in einer beständigen Promenade;<lb/>
bald lächelt er, an irgend eine Wand gelehnt, mit zierlich übereinander geschla-</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0096] ihrer catilinarischcn Reden gegen das freiheitsmörderische Ministerium hervor- vransen, mit einer spöttischen Nonchalance da, und sieht so aus, als wolle er sagen: Das ist ja doch alles Unsinn! Ein paar Regimenter und ich bringe die ganze Wirthschaft in Ordnung! Er hat, während ich in den Kammern anwesend war, nur einmal gesprochen. Einer von der äußersten Linken hatte aus der Vossi- schen einen angeblichen Circnlarbefehl deS Kriegsministers an sämmtliche Offiziere vorgelesen, nach welchem durch die Auslassung eines wesentlichen Zusatzes es den Anschein gewann, als sollte bei Ausbruch einer Unruhe von Seiten des Militärs ohne Weiteres geschossen werden. Sie können Sich deuten, mit welcher Vehemenz der ehrenwerthe Volksvertreter auf das gesammte preußische Militärsystem los¬ fuhr, und mit welcher Erbitterung er fragte: wie unter so bewandten Umständen unsere süddeutschen Brüder irgend dann denken könnten, sich mit einem so russi¬ schen Staatswesen einzulassen! Griesheim stieg ruhig ans die Tribüne, las den betreffenden Erlaß wörtlich vor, und setzte dann hinzu: Wenn unsere süddeut¬ schen Brüder uns aus Veranlassung dieses Erlasses ihre Liebe und Achtung ent¬ ziehen wollen, so müsse» wir uus das gefallen lasse», und stieg unter den obliga¬ ten Zischen der Lücken herunter. Die kleine Broschüre, in welcher Oberst Griesheim in den Augusttagen deS vorigen Jahres das ganze Selbstgefühl des preußischen Heeres gegen die Frank¬ furter Centralisationsprojekte und namentlich gegen die Zumuthung, einem östrcich- schen Erzherzog zu huldigen, herauskehrte, ist Ihnen bekannt. Ich gebe zu, daß darin der altenfritzische Kriegergeist etwas zu sehr ius Detail herausgearbeitet war, und daß namentlich die Schwärmerei selbst für die legitime und mit historischen Erinnerungen überkleidete Nummer der einzelnen Regimenter den Gegnern Stoff zu gerechte»! Spotte gab, und doch liegt in diesem Selbstgefühl der preußischen Armee ein sittliches Moment, die Armee bleibt immer der Stock, um welchen sich das Rankcngewächs unserer liberalen Institutionen zu winden hat. Die Sympa¬ thien unserer Brüder gewinnen wir nur durch die Freiheit unserer Organisation, ihre Achtung aber hängt wesentlich von unserer Kraft ab, von den, Schwert, das wir in der Hand tragen. — Griesheims Nachbar, Herr v. Berg — durch die Kreuz-zeitung, welche ihm eine besonders liebevolle Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist für ihn die Bencmiung Bürgerkaplan populär geworden ist ein noch junger Mann, nicht groß, etwas fett, aber in den Schranken des Anstandes, mit einer Glatze und einem feine», weiß und rothen Gesicht, ohne allen Bartwuchs, wie es dem Geistlichen ziemt, mit einem sehr übermüthige», aber doch gutmüthige» Z»g »in de» Mund; er sieht aus, als wäre er in seiner Kindheit gewesen, was man einen recht „unnützen Schlingel" nennt — ^ miscliievous l»c>/. Der Sitz neben Griesheim ist mir sei» Absteigequartier: er ist während der Sitzung in einer beständigen Promenade; bald lächelt er, an irgend eine Wand gelehnt, mit zierlich übereinander geschla-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/96
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/96>, abgerufen am 15.01.2025.