Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.zu missen glaubte, und auf das Recht der Nationalversammlung, die Krone Karl Die Erklärung des Ministerpräsidenten schien dieser Ansicht im Wesentlichen Ju der ersten Hitze der Ueberraschung stellte Vincke den berühmten Antrag, Ich schöpfte ans diesem Antrag die voreilige Hoffnung, das Einzige, wo¬ So ist für den Augenblick die Lage; unklar und kläglich genug; erlassen Sie Verlag von F. L. Hcrbig -- Redactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Frie trieb Andrä. zu missen glaubte, und auf das Recht der Nationalversammlung, die Krone Karl Die Erklärung des Ministerpräsidenten schien dieser Ansicht im Wesentlichen Ju der ersten Hitze der Ueberraschung stellte Vincke den berühmten Antrag, Ich schöpfte ans diesem Antrag die voreilige Hoffnung, das Einzige, wo¬ So ist für den Augenblick die Lage; unklar und kläglich genug; erlassen Sie Verlag von F. L. Hcrbig — Redactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Frie trieb Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278594"/> <p xml:id="ID_252" prev="#ID_251"> zu missen glaubte, und auf das Recht der Nationalversammlung, die Krone Karl<lb/> des Großen zu übertragen, nicht viel geben wollte. Es waren ferner alle Par¬<lb/> teien — mit Ausnahme der äußersten Linken, die von der Hegemonie eines reactio-<lb/> nären Staats überhaupt Nichts wissen wollte, darin einig, daß der Beschluß der<lb/> Nationalversammlung nur sür diejenigen Staaten verbindlich sein könne, welche<lb/> sich ihm freiwillig anschließen würden; wobei man freilich voraussetzte, daß mit al¬<lb/> leiniger Ausnahme Oestreichs, auf dessen Beitritt nur noch die Herren Blömer<lb/> und Ost errath rechneten, ganz Deutschland sich in kürzester Frist fügen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_253"> Die Erklärung des Ministerpräsidenten schien dieser Ansicht im Wesentlichen<lb/> zu entsprechen. Ueber den Inhalt der neuen Verfassung hatte Graf Brandenburg<lb/> sich so wenig ausgelassen, als die Wortführer der parlamentarischen Parteien;<lb/> man setzte stillschweigend voraus, daß die unverkennbaren Verkehrtheiten derselben<lb/> sich ans dem Wege der verfassungsmäßigen Revision würden ausgleichen lassen.<lb/> Die Frankfurter Deputirten — deren Einzug übrigens durch die strengen Ma߬<lb/> regeln des Belagerungszustandes etwas farblos geworden war — gingen von der¬<lb/> selben Ansicht ans. Um so größere Ueberraschung erregte die Autwort, welche der<lb/> König ihnen ertheilte; theils'weil sie das Odium der Fürstenrechte dem Vvlkswillen<lb/> gegenüber auf sich nahm, anstatt es ruhig dem eventuellen Widerspruch der ein¬<lb/> zelnen Fürsten zu überlassen, theils weil sie über die Hauptsache sich so völlig un¬<lb/> klar ausdrückte.</p><lb/> <p xml:id="ID_254"> Ju der ersten Hitze der Ueberraschung stellte Vincke den berühmten Antrag,<lb/> eine Commission niederzusetzen, um gegen diesen Schritt der Krone, der die Mo¬<lb/> narchie in die größte Gefahr setzen müßte und den der Antragsteller ganz rich¬<lb/> tig den verantwortlichen Ministern zuschrieb, diejenigen Mittel zu ergreifen, welche<lb/> den constitutionellen Ständen zu Gebote ständen.</p><lb/> <p xml:id="ID_255"> Ich schöpfte ans diesem Antrag die voreilige Hoffnung, das Einzige, wo¬<lb/> durch die Möglichkeit einer parlamentarischen Entwicklung hervorgebracht werden<lb/> konnte, die Koalition der beiden Centren, werde durch den gemeinsamen Kampf<lb/> gegen die reactionäre Regierung beschleunigt werden. Ich habe mich getäuscht.<lb/> Gleich in der Commission traten beide Parteien mit einem besondern Antrag<lb/> hervor, der sich nicht dem Inhalt, sondern nur der Fassung nach unterschied und<lb/> auf dem doch mit so großer Hartnäckigkeit bestände» wurde, daß darüber beide An¬<lb/> trage fielen. Die erste Kammer, in der ein ähnlicher Plau durchgeführt werden<lb/> sollte, verlegte ihre Sitzungen bis nach den Feiertagen, anscheinend um der<lb/> Krone Raum zur Ueberlegung zu lassen ; in der zweiten fingen gleich den folgen¬<lb/> den Tag die alten kleinlichen Zänkereien zwischen den beiden Seilen an. Außer¬<lb/> dem erhielt die Sache eine neue Wendung durch die nachträgliche Erklärung des<lb/> Ministerpräsidenten, daß die Negierung eine Circulardepcsche an die übrigen<lb/> Staaten erlassen habe, um die Geneigtheit der Krone zur provisorischen Uebernahme<lb/> der Regierung Deutschlands auszudrücken und sie zu einem schleunigen Gutachten<lb/> darüber aufzufordern. Es heißt nun, die Vinckesche Partei halte durch diese Er¬<lb/> klärung ihren Antrag für erledigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_256"> So ist für den Augenblick die Lage; unklar und kläglich genug; erlassen Sie<lb/> mir aber die Kritik bis zum nächsten Briefe, in welcher Zeit sich ein bestimmteres<lb/> Verhältniß herausgestellt haben wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hcrbig — Redactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von Frie trieb Andrä.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
zu missen glaubte, und auf das Recht der Nationalversammlung, die Krone Karl
des Großen zu übertragen, nicht viel geben wollte. Es waren ferner alle Par¬
teien — mit Ausnahme der äußersten Linken, die von der Hegemonie eines reactio-
nären Staats überhaupt Nichts wissen wollte, darin einig, daß der Beschluß der
Nationalversammlung nur sür diejenigen Staaten verbindlich sein könne, welche
sich ihm freiwillig anschließen würden; wobei man freilich voraussetzte, daß mit al¬
leiniger Ausnahme Oestreichs, auf dessen Beitritt nur noch die Herren Blömer
und Ost errath rechneten, ganz Deutschland sich in kürzester Frist fügen würde.
Die Erklärung des Ministerpräsidenten schien dieser Ansicht im Wesentlichen
zu entsprechen. Ueber den Inhalt der neuen Verfassung hatte Graf Brandenburg
sich so wenig ausgelassen, als die Wortführer der parlamentarischen Parteien;
man setzte stillschweigend voraus, daß die unverkennbaren Verkehrtheiten derselben
sich ans dem Wege der verfassungsmäßigen Revision würden ausgleichen lassen.
Die Frankfurter Deputirten — deren Einzug übrigens durch die strengen Ma߬
regeln des Belagerungszustandes etwas farblos geworden war — gingen von der¬
selben Ansicht ans. Um so größere Ueberraschung erregte die Autwort, welche der
König ihnen ertheilte; theils'weil sie das Odium der Fürstenrechte dem Vvlkswillen
gegenüber auf sich nahm, anstatt es ruhig dem eventuellen Widerspruch der ein¬
zelnen Fürsten zu überlassen, theils weil sie über die Hauptsache sich so völlig un¬
klar ausdrückte.
Ju der ersten Hitze der Ueberraschung stellte Vincke den berühmten Antrag,
eine Commission niederzusetzen, um gegen diesen Schritt der Krone, der die Mo¬
narchie in die größte Gefahr setzen müßte und den der Antragsteller ganz rich¬
tig den verantwortlichen Ministern zuschrieb, diejenigen Mittel zu ergreifen, welche
den constitutionellen Ständen zu Gebote ständen.
Ich schöpfte ans diesem Antrag die voreilige Hoffnung, das Einzige, wo¬
durch die Möglichkeit einer parlamentarischen Entwicklung hervorgebracht werden
konnte, die Koalition der beiden Centren, werde durch den gemeinsamen Kampf
gegen die reactionäre Regierung beschleunigt werden. Ich habe mich getäuscht.
Gleich in der Commission traten beide Parteien mit einem besondern Antrag
hervor, der sich nicht dem Inhalt, sondern nur der Fassung nach unterschied und
auf dem doch mit so großer Hartnäckigkeit bestände» wurde, daß darüber beide An¬
trage fielen. Die erste Kammer, in der ein ähnlicher Plau durchgeführt werden
sollte, verlegte ihre Sitzungen bis nach den Feiertagen, anscheinend um der
Krone Raum zur Ueberlegung zu lassen ; in der zweiten fingen gleich den folgen¬
den Tag die alten kleinlichen Zänkereien zwischen den beiden Seilen an. Außer¬
dem erhielt die Sache eine neue Wendung durch die nachträgliche Erklärung des
Ministerpräsidenten, daß die Negierung eine Circulardepcsche an die übrigen
Staaten erlassen habe, um die Geneigtheit der Krone zur provisorischen Uebernahme
der Regierung Deutschlands auszudrücken und sie zu einem schleunigen Gutachten
darüber aufzufordern. Es heißt nun, die Vinckesche Partei halte durch diese Er¬
klärung ihren Antrag für erledigt.
So ist für den Augenblick die Lage; unklar und kläglich genug; erlassen Sie
mir aber die Kritik bis zum nächsten Briefe, in welcher Zeit sich ein bestimmteres
Verhältniß herausgestellt haben wird.
Verlag von F. L. Hcrbig — Redactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von Frie trieb Andrä.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |