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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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jung, und ich kann mir es recht lobhast vorstellen, wie gut Ihnen selbst der
Stü V. rmer und der Legivnsrock zu Gesichte gestanden hätte.




Preußische Briefe.



siebenter Vries.
Die Kaiserwahl.

, Ich verschob mein Schreiben von Tage zu Tage, weil man jeden Augenblick
eine neue Wenduna, der dentschen Sache erwarten konnte. Indeß endlich muß
Man doch einmal abschließen. Nehmen Sie denn ein Bild von der gegenwärtigen
Lage und messen Sie es nicht dem Schreiber bei, wenn es kläglich'ausfällt.

", Nachricht von der Wahl machte einen sehr gemischten Eindruck.
Nach der Ablehnung des Wetter'schen Antrags war die geringe und um eiuen so
theuern Preis erkaufte Majorität nicht im Stande, das Jmpvnircnde eines mit
einer gewissen Gewaltsamkeit ausgesprochenen Nationalwillens zu ersetzen. Die
voreilige Nachricht von der Annahme des Wetter'schen Antrags hatte in Berlin
die größte Sensation hervorgebracht, weil sie überraschte; jetzt aber hatte man
Reh mit dem Gedanken vertraut gemacht, und es fehlte ihm der Reiz der Neuheit.
Zwar ließ sich das Gefühl des specifischen Preußenthums, das durch alle Anstren¬
gungen des Radicalismus nicht hat verwischt werden können, eine solche Huldigungvon Seiten der süddeutschen Brüder wohl gefallen, aber auf das Detail der neuen
Situation mit Interesse und Verständniß einzugehen, dazu fehlte die Lust und
Merklich auch die unmittelbare Anschauung. Die Zeitungen, mit Ausnahme der
Scenen Pvenßischen, waren am lautesten in der Anerkennung der octroyirten Würde;
sprach sich in den alten Blättern mit spießbürgerlichen Wohlwollen aus, in
deutschen Reform mit einem gemäßigten Enthusiasmus, in der Nationalzei-
">"g mit grollenden Ermahnungen. Das große Publikum trug sich zu sehr mit
Idee des Belagerungszustandes herum, als daß eine, wenn auch noch so
'vckende Fernsicht es'hätte erheblich elektrisiren können.

> In den beiden Kammern herrschte die kaiserliche Partei vor; nur dominirte,
^ nachdem man sich rechts oder links hielt, der preußische oder der deutsche Volks-
wuveränitäts-Gesichtspunkt. Mail kann übrigens auch der Linken in der zweiten
Kammer nachsagen, daß sie sich in dieser Frage erträglich gouvernemental hielt;
L^r v. Berg' deutete die Nothwendigkeit an, demjenigen'Manne das Scepter
^utschlands in die Hände zu geben, der bereits das Schwert trug. In folgen-
Au Punkten waren alle Parteien einig. Der König müsse die ihm übertragene
^urbe annehmen, weil sonst, wie die Rechte meinte, ein anderer Staat die He-
^Momie Denischlands an sich reißen könnte, oder weil nach der Ansicht der Lili¬
en d^ Auflösung der Nationalversammlung und die Rückkehr zum System der
Eiligen Allianz die unabweisliche Folge einer Ablehnung sein müßte. Selbst die
^giiimisten, in deren Namen diesmal Graf Arnim - Boitzcnburg eine Adresse ab¬
läßt hatte, waren für die Kaiserwürde, wenn sie auch die Rechte der Fürsten schonen


jung, und ich kann mir es recht lobhast vorstellen, wie gut Ihnen selbst der
Stü V. rmer und der Legivnsrock zu Gesichte gestanden hätte.




Preußische Briefe.



siebenter Vries.
Die Kaiserwahl.

, Ich verschob mein Schreiben von Tage zu Tage, weil man jeden Augenblick
eine neue Wenduna, der dentschen Sache erwarten konnte. Indeß endlich muß
Man doch einmal abschließen. Nehmen Sie denn ein Bild von der gegenwärtigen
Lage und messen Sie es nicht dem Schreiber bei, wenn es kläglich'ausfällt.

», Nachricht von der Wahl machte einen sehr gemischten Eindruck.
Nach der Ablehnung des Wetter'schen Antrags war die geringe und um eiuen so
theuern Preis erkaufte Majorität nicht im Stande, das Jmpvnircnde eines mit
einer gewissen Gewaltsamkeit ausgesprochenen Nationalwillens zu ersetzen. Die
voreilige Nachricht von der Annahme des Wetter'schen Antrags hatte in Berlin
die größte Sensation hervorgebracht, weil sie überraschte; jetzt aber hatte man
Reh mit dem Gedanken vertraut gemacht, und es fehlte ihm der Reiz der Neuheit.
Zwar ließ sich das Gefühl des specifischen Preußenthums, das durch alle Anstren¬
gungen des Radicalismus nicht hat verwischt werden können, eine solche Huldigungvon Seiten der süddeutschen Brüder wohl gefallen, aber auf das Detail der neuen
Situation mit Interesse und Verständniß einzugehen, dazu fehlte die Lust und
Merklich auch die unmittelbare Anschauung. Die Zeitungen, mit Ausnahme der
Scenen Pvenßischen, waren am lautesten in der Anerkennung der octroyirten Würde;
sprach sich in den alten Blättern mit spießbürgerlichen Wohlwollen aus, in
deutschen Reform mit einem gemäßigten Enthusiasmus, in der Nationalzei-
">«g mit grollenden Ermahnungen. Das große Publikum trug sich zu sehr mit
Idee des Belagerungszustandes herum, als daß eine, wenn auch noch so
'vckende Fernsicht es'hätte erheblich elektrisiren können.

> In den beiden Kammern herrschte die kaiserliche Partei vor; nur dominirte,
^ nachdem man sich rechts oder links hielt, der preußische oder der deutsche Volks-
wuveränitäts-Gesichtspunkt. Mail kann übrigens auch der Linken in der zweiten
Kammer nachsagen, daß sie sich in dieser Frage erträglich gouvernemental hielt;
L^r v. Berg' deutete die Nothwendigkeit an, demjenigen'Manne das Scepter
^utschlands in die Hände zu geben, der bereits das Schwert trug. In folgen-
Au Punkten waren alle Parteien einig. Der König müsse die ihm übertragene
^urbe annehmen, weil sonst, wie die Rechte meinte, ein anderer Staat die He-
^Momie Denischlands an sich reißen könnte, oder weil nach der Ansicht der Lili¬
en d^ Auflösung der Nationalversammlung und die Rückkehr zum System der
Eiligen Allianz die unabweisliche Folge einer Ablehnung sein müßte. Selbst die
^giiimisten, in deren Namen diesmal Graf Arnim - Boitzcnburg eine Adresse ab¬
läßt hatte, waren für die Kaiserwürde, wenn sie auch die Rechte der Fürsten schonen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/83>, abgerufen am 15.01.2025.