Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Pferden und ließen dnrch ihre Weiber, die mit ihnen den Raubzug unternommen
hatten, alles fortführen, was nicht nagelfest war.

Das unglückliche Schicksal der beiden Städte Schäßburg und Medwisch war
es vorzüglich, das den von den Feinden bisher noch nicht betretenen Theilen des
Sachsenlandes zu den bittersten Vorstellungen Veranlassung gab. Seit dem 18. Oc-
tober hatte das Sachsenland allein Steuern gezahlt und die Lasten des Kriegs
getragen. Jetzt wurde vom Feinde immer mehr Land gewonnen und ausgesogen;
Hermannstadt, wo das Militär concentrirt war, fühlte sich bald außer Stande, die
Mittel zum Unterhalt der Soldaten und der zahlreichen Flüchtlinge herzugeben.
Die 15,000 Mann starken Hilfstruppen aus dem Banat erwartete man jeden
Tag; sie erschienen nicht. Erst zu Anfang März traf eine Abtheilung unter Ge¬
neral Leiningen in Siebenbürgen ein, allein nicht zur Verstärkung Pnchners, son¬
dern zur Besatzung des Moroschthales, damit Bem nicht etwa einen Einfall in's
Banat versuche. Man täuschte sich in Hermannstadt mit dem glücklichen Erfolge
der östreichischen Waffen in Ungarn; es zeigten sich für Siebenbürgen täglich we¬
niger günstige Folgen dieses Siegs. Man sendete eine Deputation nach Temcsvar,
zu Windischgrätz um Hilfe; der letztere ließ die Deputirten nicht einmal vor. Und
doch war Puchner mit der geringen Trnppenmacht, die ihm zu Gebote stand, nicht
im Stande, die Bem zu entreißenden sächsischen Gebiete besehe zu halten, und
anch zugleich die Feinde im Schach zu halten! Am meisten rechnete man noch
auf die kühnen Unternehmungen des Obersten Urban, der am 5. Febr. bei einer
Kälte von 22" das Klafter hoch mit Schnee bedeckte Hochgebirge überstiege" und
die ganze feindliche Besatzung von 500 Mann im Passe von Tihutza gefangen ge¬
nommen hatte. Noch glänzender hatte er sich am 19. bei Bayersdorf unweit
Bistritz gegen den Magyaren Nitzko geschlagen. Dieser selbst, 200 Mann und-
3 Kanonen fielen in die Hände des Siegers; die Magyaren zogen steh fliehend
nach Dach zurück. Doch auch Urban ging auf Malkovsky's Befehl bald wieder
an die Grenze, da ein neuer Einfall Beins in die Bukowina befürchtet wurde.
Indeß bewogen diese Siege und die Nachricht, Bein, in Folge einer Wunde am
Arm schwer erkrankt, habe mit seiner Hauptmacht Medwisch geräumt und sich nach
Vasarhely begeben, die Oestre-cher dennoch, die Operationen von Neuem zu be¬
ginnen. Heydte erhielt Befehl, über Agnethlen gegen Schäßburg vorzurücken,
während 3 andere Brigaden gegen Medwisch aufbrachen. Bevor Pnchner am 1.
März den Marsch antrat, wurden uuter die heldenmüthigen Krieger Tapferkeits¬
medaillen ausgetheilt. Mit welcher Auszeichnung die Sachsen gefochten, davon
zeugt schon der Umstand, daß ein Hermannstädter Bürgerwehrmann eine goldene,
4 sächsische Jäger silberne Medaillen erhielten, während keinem einzigen Walachen
aus den beiden Grenzregimentern eine Auszeichnung zu Theil wurde. Am 1. März
folgte das ganze Heer der von Oberst van der Null geführten Vorhut gegen. Med¬
wisch. Van der Null bestand am 2. bei Kleinkopisch ein siegreiches Gefecht. Als


Pferden und ließen dnrch ihre Weiber, die mit ihnen den Raubzug unternommen
hatten, alles fortführen, was nicht nagelfest war.

Das unglückliche Schicksal der beiden Städte Schäßburg und Medwisch war
es vorzüglich, das den von den Feinden bisher noch nicht betretenen Theilen des
Sachsenlandes zu den bittersten Vorstellungen Veranlassung gab. Seit dem 18. Oc-
tober hatte das Sachsenland allein Steuern gezahlt und die Lasten des Kriegs
getragen. Jetzt wurde vom Feinde immer mehr Land gewonnen und ausgesogen;
Hermannstadt, wo das Militär concentrirt war, fühlte sich bald außer Stande, die
Mittel zum Unterhalt der Soldaten und der zahlreichen Flüchtlinge herzugeben.
Die 15,000 Mann starken Hilfstruppen aus dem Banat erwartete man jeden
Tag; sie erschienen nicht. Erst zu Anfang März traf eine Abtheilung unter Ge¬
neral Leiningen in Siebenbürgen ein, allein nicht zur Verstärkung Pnchners, son¬
dern zur Besatzung des Moroschthales, damit Bem nicht etwa einen Einfall in's
Banat versuche. Man täuschte sich in Hermannstadt mit dem glücklichen Erfolge
der östreichischen Waffen in Ungarn; es zeigten sich für Siebenbürgen täglich we¬
niger günstige Folgen dieses Siegs. Man sendete eine Deputation nach Temcsvar,
zu Windischgrätz um Hilfe; der letztere ließ die Deputirten nicht einmal vor. Und
doch war Puchner mit der geringen Trnppenmacht, die ihm zu Gebote stand, nicht
im Stande, die Bem zu entreißenden sächsischen Gebiete besehe zu halten, und
anch zugleich die Feinde im Schach zu halten! Am meisten rechnete man noch
auf die kühnen Unternehmungen des Obersten Urban, der am 5. Febr. bei einer
Kälte von 22" das Klafter hoch mit Schnee bedeckte Hochgebirge überstiege» und
die ganze feindliche Besatzung von 500 Mann im Passe von Tihutza gefangen ge¬
nommen hatte. Noch glänzender hatte er sich am 19. bei Bayersdorf unweit
Bistritz gegen den Magyaren Nitzko geschlagen. Dieser selbst, 200 Mann und-
3 Kanonen fielen in die Hände des Siegers; die Magyaren zogen steh fliehend
nach Dach zurück. Doch auch Urban ging auf Malkovsky's Befehl bald wieder
an die Grenze, da ein neuer Einfall Beins in die Bukowina befürchtet wurde.
Indeß bewogen diese Siege und die Nachricht, Bein, in Folge einer Wunde am
Arm schwer erkrankt, habe mit seiner Hauptmacht Medwisch geräumt und sich nach
Vasarhely begeben, die Oestre-cher dennoch, die Operationen von Neuem zu be¬
ginnen. Heydte erhielt Befehl, über Agnethlen gegen Schäßburg vorzurücken,
während 3 andere Brigaden gegen Medwisch aufbrachen. Bevor Pnchner am 1.
März den Marsch antrat, wurden uuter die heldenmüthigen Krieger Tapferkeits¬
medaillen ausgetheilt. Mit welcher Auszeichnung die Sachsen gefochten, davon
zeugt schon der Umstand, daß ein Hermannstädter Bürgerwehrmann eine goldene,
4 sächsische Jäger silberne Medaillen erhielten, während keinem einzigen Walachen
aus den beiden Grenzregimentern eine Auszeichnung zu Theil wurde. Am 1. März
folgte das ganze Heer der von Oberst van der Null geführten Vorhut gegen. Med¬
wisch. Van der Null bestand am 2. bei Kleinkopisch ein siegreiches Gefecht. Als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278584"/>
          <p xml:id="ID_220" prev="#ID_219"> Pferden und ließen dnrch ihre Weiber, die mit ihnen den Raubzug unternommen<lb/>
hatten, alles fortführen, was nicht nagelfest war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_221" next="#ID_222"> Das unglückliche Schicksal der beiden Städte Schäßburg und Medwisch war<lb/>
es vorzüglich, das den von den Feinden bisher noch nicht betretenen Theilen des<lb/>
Sachsenlandes zu den bittersten Vorstellungen Veranlassung gab. Seit dem 18. Oc-<lb/>
tober hatte das Sachsenland allein Steuern gezahlt und die Lasten des Kriegs<lb/>
getragen. Jetzt wurde vom Feinde immer mehr Land gewonnen und ausgesogen;<lb/>
Hermannstadt, wo das Militär concentrirt war, fühlte sich bald außer Stande, die<lb/>
Mittel zum Unterhalt der Soldaten und der zahlreichen Flüchtlinge herzugeben.<lb/>
Die 15,000 Mann starken Hilfstruppen aus dem Banat erwartete man jeden<lb/>
Tag; sie erschienen nicht. Erst zu Anfang März traf eine Abtheilung unter Ge¬<lb/>
neral Leiningen in Siebenbürgen ein, allein nicht zur Verstärkung Pnchners, son¬<lb/>
dern zur Besatzung des Moroschthales, damit Bem nicht etwa einen Einfall in's<lb/>
Banat versuche. Man täuschte sich in Hermannstadt mit dem glücklichen Erfolge<lb/>
der östreichischen Waffen in Ungarn; es zeigten sich für Siebenbürgen täglich we¬<lb/>
niger günstige Folgen dieses Siegs. Man sendete eine Deputation nach Temcsvar,<lb/>
zu Windischgrätz um Hilfe; der letztere ließ die Deputirten nicht einmal vor. Und<lb/>
doch war Puchner mit der geringen Trnppenmacht, die ihm zu Gebote stand, nicht<lb/>
im Stande, die Bem zu entreißenden sächsischen Gebiete besehe zu halten, und<lb/>
anch zugleich die Feinde im Schach zu halten! Am meisten rechnete man noch<lb/>
auf die kühnen Unternehmungen des Obersten Urban, der am 5. Febr. bei einer<lb/>
Kälte von 22" das Klafter hoch mit Schnee bedeckte Hochgebirge überstiege» und<lb/>
die ganze feindliche Besatzung von 500 Mann im Passe von Tihutza gefangen ge¬<lb/>
nommen hatte. Noch glänzender hatte er sich am 19. bei Bayersdorf unweit<lb/>
Bistritz gegen den Magyaren Nitzko geschlagen.  Dieser selbst, 200 Mann und-<lb/>
3 Kanonen fielen in die Hände des Siegers; die Magyaren zogen steh fliehend<lb/>
nach Dach zurück. Doch auch Urban ging auf Malkovsky's Befehl bald wieder<lb/>
an die Grenze, da ein neuer Einfall Beins in die Bukowina befürchtet wurde.<lb/>
Indeß bewogen diese Siege und die Nachricht, Bein, in Folge einer Wunde am<lb/>
Arm schwer erkrankt, habe mit seiner Hauptmacht Medwisch geräumt und sich nach<lb/>
Vasarhely begeben, die Oestre-cher dennoch, die Operationen von Neuem zu be¬<lb/>
ginnen. Heydte erhielt Befehl, über Agnethlen gegen Schäßburg vorzurücken,<lb/>
während 3 andere Brigaden gegen Medwisch aufbrachen. Bevor Pnchner am 1.<lb/>
März den Marsch antrat, wurden uuter die heldenmüthigen Krieger Tapferkeits¬<lb/>
medaillen ausgetheilt. Mit welcher Auszeichnung die Sachsen gefochten, davon<lb/>
zeugt schon der Umstand, daß ein Hermannstädter Bürgerwehrmann eine goldene,<lb/>
4 sächsische Jäger silberne Medaillen erhielten, während keinem einzigen Walachen<lb/>
aus den beiden Grenzregimentern eine Auszeichnung zu Theil wurde. Am 1. März<lb/>
folgte das ganze Heer der von Oberst van der Null geführten Vorhut gegen. Med¬<lb/>
wisch. Van der Null bestand am 2. bei Kleinkopisch ein siegreiches Gefecht. Als</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] Pferden und ließen dnrch ihre Weiber, die mit ihnen den Raubzug unternommen hatten, alles fortführen, was nicht nagelfest war. Das unglückliche Schicksal der beiden Städte Schäßburg und Medwisch war es vorzüglich, das den von den Feinden bisher noch nicht betretenen Theilen des Sachsenlandes zu den bittersten Vorstellungen Veranlassung gab. Seit dem 18. Oc- tober hatte das Sachsenland allein Steuern gezahlt und die Lasten des Kriegs getragen. Jetzt wurde vom Feinde immer mehr Land gewonnen und ausgesogen; Hermannstadt, wo das Militär concentrirt war, fühlte sich bald außer Stande, die Mittel zum Unterhalt der Soldaten und der zahlreichen Flüchtlinge herzugeben. Die 15,000 Mann starken Hilfstruppen aus dem Banat erwartete man jeden Tag; sie erschienen nicht. Erst zu Anfang März traf eine Abtheilung unter Ge¬ neral Leiningen in Siebenbürgen ein, allein nicht zur Verstärkung Pnchners, son¬ dern zur Besatzung des Moroschthales, damit Bem nicht etwa einen Einfall in's Banat versuche. Man täuschte sich in Hermannstadt mit dem glücklichen Erfolge der östreichischen Waffen in Ungarn; es zeigten sich für Siebenbürgen täglich we¬ niger günstige Folgen dieses Siegs. Man sendete eine Deputation nach Temcsvar, zu Windischgrätz um Hilfe; der letztere ließ die Deputirten nicht einmal vor. Und doch war Puchner mit der geringen Trnppenmacht, die ihm zu Gebote stand, nicht im Stande, die Bem zu entreißenden sächsischen Gebiete besehe zu halten, und anch zugleich die Feinde im Schach zu halten! Am meisten rechnete man noch auf die kühnen Unternehmungen des Obersten Urban, der am 5. Febr. bei einer Kälte von 22" das Klafter hoch mit Schnee bedeckte Hochgebirge überstiege» und die ganze feindliche Besatzung von 500 Mann im Passe von Tihutza gefangen ge¬ nommen hatte. Noch glänzender hatte er sich am 19. bei Bayersdorf unweit Bistritz gegen den Magyaren Nitzko geschlagen. Dieser selbst, 200 Mann und- 3 Kanonen fielen in die Hände des Siegers; die Magyaren zogen steh fliehend nach Dach zurück. Doch auch Urban ging auf Malkovsky's Befehl bald wieder an die Grenze, da ein neuer Einfall Beins in die Bukowina befürchtet wurde. Indeß bewogen diese Siege und die Nachricht, Bein, in Folge einer Wunde am Arm schwer erkrankt, habe mit seiner Hauptmacht Medwisch geräumt und sich nach Vasarhely begeben, die Oestre-cher dennoch, die Operationen von Neuem zu be¬ ginnen. Heydte erhielt Befehl, über Agnethlen gegen Schäßburg vorzurücken, während 3 andere Brigaden gegen Medwisch aufbrachen. Bevor Pnchner am 1. März den Marsch antrat, wurden uuter die heldenmüthigen Krieger Tapferkeits¬ medaillen ausgetheilt. Mit welcher Auszeichnung die Sachsen gefochten, davon zeugt schon der Umstand, daß ein Hermannstädter Bürgerwehrmann eine goldene, 4 sächsische Jäger silberne Medaillen erhielten, während keinem einzigen Walachen aus den beiden Grenzregimentern eine Auszeichnung zu Theil wurde. Am 1. März folgte das ganze Heer der von Oberst van der Null geführten Vorhut gegen. Med¬ wisch. Van der Null bestand am 2. bei Kleinkopisch ein siegreiches Gefecht. Als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/74
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/74>, abgerufen am 15.01.2025.