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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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.Herren der Opposition, die auf die obschwebcnde Frage überhaupt eingingen. Er,
schlug vor, man solle den König von Preußen vorläufig zur Probe auf 6 Jahre
wählen; dann werde seine Partei dafür stimmen. Da dieser Vorschlag keinen
Anklang zu finden schien, so erzählte H. Raveaux eine lauge Geschichte von der
Gährung des Weines, wandte sich zur Rechten und sagte: "das ist eine Lection
für Sie, meine Herren!" und verließ dann unter wüthendem Beifallgeklatsch der
Linken die Tribüne.

Der sanfte, ehrliche Fröbel gestand, daß für die Republik zur Zeit noch kein
Boden in Deutschland sei und daß das Volk vielleicht noch lange ohne seine Für¬
sten nicht leben könne; trotzdem konnte er sich nicht entschließen, für einen neuen
Kaiser zu stimmen. Es sei ein stehendes Wort nnter den Herren von der Rechten
geworden: "Nach uns kommt die Sündfluth!" -- Man möge ihm und seinen
Politischen Freunden erlauben zu sagen: "Und nach der Sündfluth kommen wir!"
Er verließ die Tribüne ebenfalls nnter anhaltendem Beifallgcklatsch der Linken.

Wenn Sie nicht begreifen, was die Sündfluth des H. Fröbel, die Gährung
des Weines des H. Raveaux und die Witze der HH, Vogt und Simon zur För¬
derung der Einheit Deutschlands beitragen können, so geht's Ihnen gerade so
wie mir.

Es ist Hnnrich v. Gagern zum Vorwurf gemacht worden, daß er in seiner
markigen Rede sich zu derber Ausdrücke gegen gewisse Herren von der Linken
bediente.

Wer Zeuge der oft gemeinen Angriffe gewesen, welche der Ministerpräsident
von der Linien zu ertragen hatte, der wird seine gereizte Stimmung und die da¬
durch erzeugte Derbheit des Ausdrucks in der erwähnten Rede, wo nicht entschul¬
digen, so doch vollkommen begreiflich finden. Unbegreiflich aber ist das Benehmen
der Linken, die fortwährend gegen Dtplvmatenkünste und staatsmännische Heuchelei
zu Felde zieht, und dennoch einen Staatsmann wie Gagern verunglimpft, dessen
einziger Fehler vielleicht zu große Offenheit und Ehrlichkeit ist.

Als Gagern die Worte sprach: "Ich unterwerfe meine Handlung gern der
Kritik, aber Ihr Benehmen, meine Herren, ist nnter aller Kritik!" wurde ich un¬
willkürlich an die denkwürdige Scene im französischen Parlament erinnert, wo
Guizot die gegen ihn geschleuderten Vorwürfe mit den Worten beseitigte: "1'outos
Vus in>^n"eIiLS, Nvssivnrk-, no s'vlvvont jus^u'lui invvilu ele mau "it>iliüu!"

Doch, ich eile zum Schlüsse, uicht ohne Besorgnis;, schon zu laug geworden
zu sein in diesem Briefe.

Der Schluß der Verhandlungen, die Rede des Herrn Rießer von Hamburg,
bildet den Glanzpunkt des Ganzen. Diese Rede -- unbedingt die bedeutendste,
welche bis jetzt in Frankfurt gehalten wurde -- ließ alle früheren Reden als
gänzlich überflüssig erscheinen. Der Gegenstand war vollkommen darin erschöpft.
Alles was sich zu Gunsten des Erbkaiserthnmö anführen ließ, wurde klar und


8*

.Herren der Opposition, die auf die obschwebcnde Frage überhaupt eingingen. Er,
schlug vor, man solle den König von Preußen vorläufig zur Probe auf 6 Jahre
wählen; dann werde seine Partei dafür stimmen. Da dieser Vorschlag keinen
Anklang zu finden schien, so erzählte H. Raveaux eine lauge Geschichte von der
Gährung des Weines, wandte sich zur Rechten und sagte: „das ist eine Lection
für Sie, meine Herren!" und verließ dann unter wüthendem Beifallgeklatsch der
Linken die Tribüne.

Der sanfte, ehrliche Fröbel gestand, daß für die Republik zur Zeit noch kein
Boden in Deutschland sei und daß das Volk vielleicht noch lange ohne seine Für¬
sten nicht leben könne; trotzdem konnte er sich nicht entschließen, für einen neuen
Kaiser zu stimmen. Es sei ein stehendes Wort nnter den Herren von der Rechten
geworden: „Nach uns kommt die Sündfluth!" — Man möge ihm und seinen
Politischen Freunden erlauben zu sagen: „Und nach der Sündfluth kommen wir!"
Er verließ die Tribüne ebenfalls nnter anhaltendem Beifallgcklatsch der Linken.

Wenn Sie nicht begreifen, was die Sündfluth des H. Fröbel, die Gährung
des Weines des H. Raveaux und die Witze der HH, Vogt und Simon zur För¬
derung der Einheit Deutschlands beitragen können, so geht's Ihnen gerade so
wie mir.

Es ist Hnnrich v. Gagern zum Vorwurf gemacht worden, daß er in seiner
markigen Rede sich zu derber Ausdrücke gegen gewisse Herren von der Linken
bediente.

Wer Zeuge der oft gemeinen Angriffe gewesen, welche der Ministerpräsident
von der Linien zu ertragen hatte, der wird seine gereizte Stimmung und die da¬
durch erzeugte Derbheit des Ausdrucks in der erwähnten Rede, wo nicht entschul¬
digen, so doch vollkommen begreiflich finden. Unbegreiflich aber ist das Benehmen
der Linken, die fortwährend gegen Dtplvmatenkünste und staatsmännische Heuchelei
zu Felde zieht, und dennoch einen Staatsmann wie Gagern verunglimpft, dessen
einziger Fehler vielleicht zu große Offenheit und Ehrlichkeit ist.

Als Gagern die Worte sprach: „Ich unterwerfe meine Handlung gern der
Kritik, aber Ihr Benehmen, meine Herren, ist nnter aller Kritik!" wurde ich un¬
willkürlich an die denkwürdige Scene im französischen Parlament erinnert, wo
Guizot die gegen ihn geschleuderten Vorwürfe mit den Worten beseitigte: „1'outos
Vus in>^n»eIiLS, Nvssivnrk-, no s'vlvvont jus^u'lui invvilu ele mau «it>iliüu!"

Doch, ich eile zum Schlüsse, uicht ohne Besorgnis;, schon zu laug geworden
zu sein in diesem Briefe.

Der Schluß der Verhandlungen, die Rede des Herrn Rießer von Hamburg,
bildet den Glanzpunkt des Ganzen. Diese Rede — unbedingt die bedeutendste,
welche bis jetzt in Frankfurt gehalten wurde — ließ alle früheren Reden als
gänzlich überflüssig erscheinen. Der Gegenstand war vollkommen darin erschöpft.
Alles was sich zu Gunsten des Erbkaiserthnmö anführen ließ, wurde klar und


8*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/63>, abgerufen am 15.01.2025.