Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.denn von meinen politischen Freunden, den Vorkämpfern der Welcker'schen Partei, Ich besuchte im Fluge die Versammlungsorte der Oestreicher und der Linken, Ich wandte meine Schritte zum "Braunfels", unter dessen Besuchern der Auch den Braunfels verließ ich leider nicht viel klüger, als ich gekommen "nzlwtcn. II.
denn von meinen politischen Freunden, den Vorkämpfern der Welcker'schen Partei, Ich besuchte im Fluge die Versammlungsorte der Oestreicher und der Linken, Ich wandte meine Schritte zum „Braunfels", unter dessen Besuchern der Auch den Braunfels verließ ich leider nicht viel klüger, als ich gekommen "nzlwtcn. II.
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denn von meinen politischen Freunden, den Vorkämpfern der Welcker'schen Partei,
die bis tief in die Nacht hinein im „Englischen Hofe" versammelt waren, konnte
ich nichts Neues erfahren, als daß sie mit Sicherheit auf eine Majorität von
einigen zwanzig Stimmen rechneten. Man hoffte allgemein, daß Heinrich Simon
und Genossen, welche sich bis dahin ziemlich farbenunbestimmt gehalten hatten,
im entscheidenden Augenblicke zu deu Kaiserlichen übergehen würden; man hoffte
ferner, daß ein großer Theil der Oestreicher sich der Abstimmung enthalten werde;
am Siege zweifelte Niemand — wo sich Bedenken äußerten, war es nur darüber,
daß die Majorität vielleicht eine sehr geringe sein werde.
Ich besuchte im Fluge die Versammlungsorte der Oestreicher und der Linken,
und fand überall eine Aufregung und Rührigkeit, welche mit der siegesfrobm
Ruhe der Herren von der Rechten wundersam kontrastirte. An ein tieferes Ein¬
gehen in die Frage, an ein gründliches Erwägen der Verhältnisse, an ein Sich¬
ten des Wünschenswerthen und Möglichen war hier nirgends zu denken. Das
war ein Lärmen, ein Toben, ein Kreuzfeuer von Worten des Hohnes und der
Verneinung, daß ich meine Bekehrungsversuche ohne Weiteres aufgab, denn mit
Vernunftgründen war nicht durchzudringen, wo Leidenschaftlichkett, Preußen-
haß und blinde Oppositivnslust allein das Wort führten. Alle Vermittlungsversuche
schienen unmöglich, denn nirgends war ein positiver Anknüpfungspunkt zu finden;
vergebens lauschte ich uach einem versöhnenden Gedanken; die Herren schienen
nur zu wissen, was sie nicht wollten, oder sie hielten mit dem was sie wollten,
klüglich zurück.
Ich wandte meine Schritte zum „Braunfels", unter dessen Besuchern der
Rinne Vogt, der gute Venedey, der schwer zu durchschauerte Fallmerayer und
^r gemüthspolitische Raveaux die hervorragendsten Erscheinungen bilden.
Auch den Braunfels verließ ich leider nicht viel klüger, als ich gekommen
war. Vogt wollte lieber deu alten Bundestag wieder hergestellt wissen und das
Heil einer neuen Revolution abwarten, als Deutschland in einen „preußischen
Polizeistaat" umwandeln helfen. Für Raveaux war das „Erbkaiserthnm" der
größte Stein des Anstoßes; er deducirte daraus einen unvermeidlichen Krieg mit
Frankreich. Daß sich auch Fallmerayer zu der Partei dieser Herren geschlagen,
^uß denjenigen unerklärlich scheinen, welche die pessimistische Weltanschauung des
wanderlustigen Fragmentisten nicht genauer kennen. Es dürfte vielleicht wenige
Mitglieder der Nationalversammlung geben, welche mit den östreichischen Zustän¬
den so vertraut wären, wie Fallmerayer; wer aber mit den östreichischen Zuständen
"^'traut ist, der weiß auch, daß das Volk dort selbst nichts anderes will als was
uns die kaiserliche Partei anstrebt; wenn Fallmerayer trotzdem in Frankfurt
Segen die hohenzollersche Dynastie agitirte, so that er das entweder aus Anhang-
^)keit für seinen König, oder aus eingewurzelten Preußenhaß, oder aus reiner"positivnslnst — am wahrscheinlichsten wurde durch d'lese drei Factoren zusam-
"nzlwtcn. II.
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