Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.zu schmücken, seien sie auch von der heterogensten Art! Zu den malerischen Na¬ Die schon vorher aufgehobene Mannschaft wurde verdreifacht und gen Orlo- Auswanderung und Colonisation im Inland. Wenn die Schwalben kommen, erwacht in dem Menschen der Wandertrieb; zu schmücken, seien sie auch von der heterogensten Art! Zu den malerischen Na¬ Die schon vorher aufgehobene Mannschaft wurde verdreifacht und gen Orlo- Auswanderung und Colonisation im Inland. Wenn die Schwalben kommen, erwacht in dem Menschen der Wandertrieb; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278565"/> <p xml:id="ID_164" prev="#ID_163"> zu schmücken, seien sie auch von der heterogensten Art! Zu den malerischen Na¬<lb/> tionaltrachten denke man sich als Kopfbedeckung Husarenczakos, die runden Hüte<lb/> der Mobilgarden von Bnda-Pesth, edelmännische Kalpaks oder Czapkos von-<lb/> Uhlanen, oder zu den breiten Hosen, gestickten Westen, Waffengürteln und Shawls,<lb/> Husaren-Dolmans mit Seide oder Gold verschnürt, weiße Uniformröcke von<lb/> Miguel- oder Alexanderinfanterie, Honvedswaffenröcke, kurz, jedes ordentliche<lb/> Kleidungsstück, das in der feindlichen Armee vorkömmt, findet sich hier wieder in<lb/> möglichst grotesker Zusammenstellung. —</p><lb/> <p xml:id="ID_165"> Die schon vorher aufgehobene Mannschaft wurde verdreifacht und gen Orlo-<lb/> vat und BotoS gesendet und wir ritten in's Hauptquartier zurück. Vom Pferde<lb/> absteigend warf ich meinen liebevollen Blick nach dem Küchenfeuer, das wieder<lb/> lustig flackerte, am Bratspieße schmorte ein ebenbürtiges Seitenstück zum Jors ä'oeuvro<lb/> der Mittagstafel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Auswanderung und Colonisation im Inland.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_166" next="#ID_167"> Wenn die Schwalben kommen, erwacht in dem Menschen der Wandertrieb;<lb/> wenn jene freudig das alte Nest begrüßen, wird es ihm, zu eng in dem wohnlichen<lb/> Hause, zu düster in den alten Gassen, es locken tausend Boten ihn hinaus in die<lb/> weite Ferne. Jetzt zumal, nach einem Winter, der in mancherlei Sorgen und<lb/> Kümmernissen verlebt werden mußte, in einem Frühjahr, das uns wenig Blumen<lb/> bringen wird, sehen wir auf allen Straßen die Züge der Auswanderer, welche<lb/> mit ihren Habseligkeiten den Seehäfen zu eilen, um hinüber zu ziehen in das freie,<lb/> glückliche Amerika oder nach dem ewig grünen Festland des fünften Welttheils.<lb/> Wehmuth ergreift den Menschenfreund, wenn er Abends auf dem Kai des Hafens<lb/> die guten Leute sieht, die aus dem Herzen Deutschlands gekommen, hier uno<lb/> dem Mastenwald schon in einer ganz fremden Welt sich finden; stille Beklommen¬<lb/> heit ist über ihr ganzes Wesen gebreitet, ängstlich gedenkt die Mutter der langen<lb/> Meerfahrt und erst wenn der Vater beginnt zu erzählen von den reichen Wundern<lb/> der auserwählten neuen Heimath, beschwichtigt das schon hundertmal Gehörte das<lb/> zagende Frauenherz. Welche Vorstellungen werden da lant, welche mitleidswür¬<lb/> dige Einfalt der Phantasie und der Erwartung gibt sich in solchen Familienunter¬<lb/> haltungen kund! Kaum ein Dritttheil der Auswanderer nach Amerika hat einen<lb/> Begriff von dem Wagestück des Unternehmens, kaum ein Zwanzigstel weiß, was<lb/> es da drüben will und soll. Um so auffallender und merkwürdiger ist die Er¬<lb/> scheinung der massenhaften Auswanderung, welche von Jahr zu Jahr zunimmt.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
zu schmücken, seien sie auch von der heterogensten Art! Zu den malerischen Na¬
tionaltrachten denke man sich als Kopfbedeckung Husarenczakos, die runden Hüte
der Mobilgarden von Bnda-Pesth, edelmännische Kalpaks oder Czapkos von-
Uhlanen, oder zu den breiten Hosen, gestickten Westen, Waffengürteln und Shawls,
Husaren-Dolmans mit Seide oder Gold verschnürt, weiße Uniformröcke von
Miguel- oder Alexanderinfanterie, Honvedswaffenröcke, kurz, jedes ordentliche
Kleidungsstück, das in der feindlichen Armee vorkömmt, findet sich hier wieder in
möglichst grotesker Zusammenstellung. —
Die schon vorher aufgehobene Mannschaft wurde verdreifacht und gen Orlo-
vat und BotoS gesendet und wir ritten in's Hauptquartier zurück. Vom Pferde
absteigend warf ich meinen liebevollen Blick nach dem Küchenfeuer, das wieder
lustig flackerte, am Bratspieße schmorte ein ebenbürtiges Seitenstück zum Jors ä'oeuvro
der Mittagstafel.
Auswanderung und Colonisation im Inland.
Wenn die Schwalben kommen, erwacht in dem Menschen der Wandertrieb;
wenn jene freudig das alte Nest begrüßen, wird es ihm, zu eng in dem wohnlichen
Hause, zu düster in den alten Gassen, es locken tausend Boten ihn hinaus in die
weite Ferne. Jetzt zumal, nach einem Winter, der in mancherlei Sorgen und
Kümmernissen verlebt werden mußte, in einem Frühjahr, das uns wenig Blumen
bringen wird, sehen wir auf allen Straßen die Züge der Auswanderer, welche
mit ihren Habseligkeiten den Seehäfen zu eilen, um hinüber zu ziehen in das freie,
glückliche Amerika oder nach dem ewig grünen Festland des fünften Welttheils.
Wehmuth ergreift den Menschenfreund, wenn er Abends auf dem Kai des Hafens
die guten Leute sieht, die aus dem Herzen Deutschlands gekommen, hier uno
dem Mastenwald schon in einer ganz fremden Welt sich finden; stille Beklommen¬
heit ist über ihr ganzes Wesen gebreitet, ängstlich gedenkt die Mutter der langen
Meerfahrt und erst wenn der Vater beginnt zu erzählen von den reichen Wundern
der auserwählten neuen Heimath, beschwichtigt das schon hundertmal Gehörte das
zagende Frauenherz. Welche Vorstellungen werden da lant, welche mitleidswür¬
dige Einfalt der Phantasie und der Erwartung gibt sich in solchen Familienunter¬
haltungen kund! Kaum ein Dritttheil der Auswanderer nach Amerika hat einen
Begriff von dem Wagestück des Unternehmens, kaum ein Zwanzigstel weiß, was
es da drüben will und soll. Um so auffallender und merkwürdiger ist die Er¬
scheinung der massenhaften Auswanderung, welche von Jahr zu Jahr zunimmt.
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