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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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gesehen. Der Versuch jedoch, seinem Opfer nach alter Sitte den Kopf abzuschnei¬
den, mißlang, dazu war sein Arm zu schwach, sein Säbel zu stumpf, auch kannte
er den Vortheil dabei noch nicht, kurz, er mußte die Hilfe des nächsten Graubarts
beanspruchen, der arme Schelm hat aber trotz der um ihn pfeifenden Kngeln der
Operation so begierig zugesehn, daß ich darauf wetten könnte, das nächste Mal
müßte er es selbst treffen, wenn nicht im letzten Tagsvefehl das Abschneiden feind¬
licher Köpfe streng untersagt worden wäre."

Die Tasel war echt rationell bestellt, die Lieblingssnppe der Serben, die
Kisela Corda machte den Anfang; eine erstaunlich kräftige Hühnerbrühe mit
Reis, Essig und einer Unmasse von feingestoßener gelber Paprika. Einem durch
französische Küche verwöhnten Gaumen wäre sie freilich zu scharf, übrigens
gleicht sie der aus Ostindien nach England verpflanzten Curry- und Mnlligatewney-
Suppe in Zubereitung und Geschmack so sehr daß mein Freund W., welcher der
Slaven Ursitze in Indien sucht und Swantevit und Radegast für identisch hält
mit Wischnu und Brahma von nun an gewiß lauter Mulligatewucy-Corda als
die vermuthliche Ambrosia Swantevit-Wischnu's essen wird! Gekochte und ge¬
schnittene Rindsnieren mit Pfeffer, Essig und Oel bildeten die Vorspeise;
dem Rindfleische folgte Cebbab, mit Zwiebeln und Reis gedünstetes Schöpsen¬
fleisch, das allbeliebte Gnljas, Gurabie eine wohlschmeckende, gewürzreiche Mehl¬
speise, deren Recept der geneigte Leser in Piller's und Mittcrbachens "Itei- per
g-innen LIllvoniiio nrnvinüttm" eines breiteren mitgetheilt findet, und ein saftiger
Truthahn. Damit aber war die Reihe der Schüsseln nicht beendet. Ein köst¬
licher Bratengeruch, der mir schon vor Tisch lieblich in die Nase prickelte, ging
dem Erscheinen des lini'8 ä'uvuvrl- voran: zwei Männer brachten aus einem lan¬
gen hölzernen Spieß ein jähriges Schwein und legten es auf ein Brett nieder,
gerade unter jenen Eichbaum, auf dem noch der Kopf des armen Fahnenträgers
hin und herschwautte. Einer der Bursche schlitzte die verglaste Haut dieses Pracht¬
stücks serbischer Eichelmast einigemal über den Rist und Widerrist, der andere
klopfte mit einem Stäbchen so darauf herum, das die Glashaut in ziemlich
regelmäßigen Vierecken absprang. Diese Glashaut nun wurde auf unsern Tisch
gebracht, das abgehäutete Schwein wanderte in die Küche zurück, um für den
Dieuertroß des Feldherrn vollends gar zu braten. Während der Tafel ward
der feurige Karlvwitzer Wein getrunken, eine der edelsten Sorten von den Kaba-
nicer Bergen, wo schon Kaiser Probus Weinreben gepflanzt hat; als Desserttrank
kreiste die Palunca, welche der Wiener Feinschmecker unter dein Namen "raizischer
Tropswermuth" kennt.

Nach aufgehobener Tafel folgte uns Lazarjevic mit der Gusle in's Zelt des Feld¬
herrn und stimmte mit kräftiger Stimme und begeistertem Schwung eines der volks-
thümlichsten Lieder vou Serbiens Car Dusau, dem Starken und Unüberwind¬
lichen an und vom alten Türkentödter Kr aljevic-Marko, dann ein Lied von


gesehen. Der Versuch jedoch, seinem Opfer nach alter Sitte den Kopf abzuschnei¬
den, mißlang, dazu war sein Arm zu schwach, sein Säbel zu stumpf, auch kannte
er den Vortheil dabei noch nicht, kurz, er mußte die Hilfe des nächsten Graubarts
beanspruchen, der arme Schelm hat aber trotz der um ihn pfeifenden Kngeln der
Operation so begierig zugesehn, daß ich darauf wetten könnte, das nächste Mal
müßte er es selbst treffen, wenn nicht im letzten Tagsvefehl das Abschneiden feind¬
licher Köpfe streng untersagt worden wäre."

Die Tasel war echt rationell bestellt, die Lieblingssnppe der Serben, die
Kisela Corda machte den Anfang; eine erstaunlich kräftige Hühnerbrühe mit
Reis, Essig und einer Unmasse von feingestoßener gelber Paprika. Einem durch
französische Küche verwöhnten Gaumen wäre sie freilich zu scharf, übrigens
gleicht sie der aus Ostindien nach England verpflanzten Curry- und Mnlligatewney-
Suppe in Zubereitung und Geschmack so sehr daß mein Freund W., welcher der
Slaven Ursitze in Indien sucht und Swantevit und Radegast für identisch hält
mit Wischnu und Brahma von nun an gewiß lauter Mulligatewucy-Corda als
die vermuthliche Ambrosia Swantevit-Wischnu's essen wird! Gekochte und ge¬
schnittene Rindsnieren mit Pfeffer, Essig und Oel bildeten die Vorspeise;
dem Rindfleische folgte Cebbab, mit Zwiebeln und Reis gedünstetes Schöpsen¬
fleisch, das allbeliebte Gnljas, Gurabie eine wohlschmeckende, gewürzreiche Mehl¬
speise, deren Recept der geneigte Leser in Piller's und Mittcrbachens „Itei- per
g-innen LIllvoniiio nrnvinüttm" eines breiteren mitgetheilt findet, und ein saftiger
Truthahn. Damit aber war die Reihe der Schüsseln nicht beendet. Ein köst¬
licher Bratengeruch, der mir schon vor Tisch lieblich in die Nase prickelte, ging
dem Erscheinen des lini'8 ä'uvuvrl- voran: zwei Männer brachten aus einem lan¬
gen hölzernen Spieß ein jähriges Schwein und legten es auf ein Brett nieder,
gerade unter jenen Eichbaum, auf dem noch der Kopf des armen Fahnenträgers
hin und herschwautte. Einer der Bursche schlitzte die verglaste Haut dieses Pracht¬
stücks serbischer Eichelmast einigemal über den Rist und Widerrist, der andere
klopfte mit einem Stäbchen so darauf herum, das die Glashaut in ziemlich
regelmäßigen Vierecken absprang. Diese Glashaut nun wurde auf unsern Tisch
gebracht, das abgehäutete Schwein wanderte in die Küche zurück, um für den
Dieuertroß des Feldherrn vollends gar zu braten. Während der Tafel ward
der feurige Karlvwitzer Wein getrunken, eine der edelsten Sorten von den Kaba-
nicer Bergen, wo schon Kaiser Probus Weinreben gepflanzt hat; als Desserttrank
kreiste die Palunca, welche der Wiener Feinschmecker unter dein Namen „raizischer
Tropswermuth" kennt.

Nach aufgehobener Tafel folgte uns Lazarjevic mit der Gusle in's Zelt des Feld¬
herrn und stimmte mit kräftiger Stimme und begeistertem Schwung eines der volks-
thümlichsten Lieder vou Serbiens Car Dusau, dem Starken und Unüberwind¬
lichen an und vom alten Türkentödter Kr aljevic-Marko, dann ein Lied von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/52>, abgerufen am 15.01.2025.